Wie wir ratlos dem Unglück in Syrien zusehen

Emile Hokayem, Senior Fellow beim Internationalen Institut für Strategische Studien, sagte:

„Es ist extrem wichtig, zu erkennen, dass die gegenwärtige humanitäre Katastrope in Idlib nicht die Nebenwirkung noch die unbewußte Konsequenz der Strategie des Regimes ist. Die humanitäre Katastrophe IST die Strategie des Assad-Regimes.“

Und weiter:

„Das Regime hatte eine auf Zivilisten konzentrierte militärische Strategie, die auf die Entvölkerung ganzer Regionen durch den massiven Einsatz von Luftstreitkräften, Fassbomben und chemischen Waffen setzt, im Wesentlichen auf alles, was tötet und verletzt. Gemeinsam mit den Russen haben syrische Kräfte gezielt Gesundheitseinrichtungen, Schulen, Wasserpumpen, eigentlich alles, was das Leben für Zivilisten möglich machte, zerstört, sodass sie flohen. Übrig blieben Rebellen, die im wesentlichen Ruinen verteidigten ohne Zugriff auf Anti-Flugwaffem oder andere Waffen zu haben, die ihnen hätten helfen können, die Front zu halten.“

Seit mehr als 10 Jahren schaut die Weltgemeinschaft der Perfektionierung des Massenmordes am syrischen Volk durch mordende Paramilitärs, Terroristen und Armeen zu. Assad ist um nichts besser als der IS, den die Kurden vertrieben haben, um zum Dank von den Amerikanern verlassen und verraten zu werden. Erdogan tut uns nur scheinbar den Gefallen, vor den frisch aufgebauten Kameras an der griechisch-türkischen Grenze ein Spektakel aufzuführen, bei dem er für seine perfide Strategie ein paar tausend arme Menschen (meistens Afghanen) in Geiselhaft nimmt, während 1,5 Millionen Syrer, die vor Assad nach Ildib geflohen sind, an seiner Grenzmauer darauf warten, dass Assad mit Putins Hilfe den Rest der Region erobert und unter ihnen Mord und Totschlag verbreitet.

Wütend auf meine eigene Ratlosigkeit

Während wir auf die Brocken, die uns die Türkei hinwirft, reagieren, sterben die Menschen in Syrien. Diese Menschen sind Assad und Putin einfach nur egal. Als Opfer dienen sie dem Kriegszweck. Ihr Tod ist zwar Teil der Strategie, aber der Völkermord ist nicht gegen ihre Herkunft, ihren Glauben oder ihre „Rasse“ gerichtet. Dem eigenen Potentaten sind sie einfach nur gleichgültig. Berichte aus der Region belegen, dass syrische Flüchtlinge erst dann zurück kehren werden, wenn Assads Regime gestürzt ist, dass jetzt auch noch von Russland gestützt wird. Weil er sie einsperren oder ermorden wird, wie sie befürchten.

Wesentliche Verantwortung für diese Entwicklung trägt übrigens nicht der amtierende US-Präsident Donald Trump alleine. Der hat sich nur aus dem Staub gemacht, weil die USA es leid sind, dafür, dass sie weltweit eine gewisse Ordnung aufrecht erhalten haben, von den Europäern auch noch beschimpft zu werden. Stattdessen war es sein Vorgänger, der Friedensnobelpreisträger Barack Obama, der erst „Rote Linien“ definierte, die das syrische Regime nicht überschreiten dürfe. Gewöhnliche Fassbomben, die man auf das eigene Volk warf, gehörten noch nicht dazu. Erst beim Einsatz chemischer Waffen wollte er tätig werden. Er wusste jedoch nichts davon, als nachweisbar solche erfolgten. Ein (vermeintliches) Abrüstungsprogramm reichte zu seiner Beschwichtigung.

Ich bin kein Gutmensch. Ich bin wütend auf meine eigene Ratlosigkeit. Die Fehler, die die westliche Welt gemacht hat, begannen im „arabischen Frühling“. Und ich weiß nicht einmal, was wir besser hätten machen können oder sollen. Außer, dass wir nichts gemacht haben und in Deutschland unseren Mut damit gekühlt haben, dass wir mehr als eine Million Menschen ins Land ließen, von denen wir nicht einmal wussten, ob sie aus den syrischen Elendsgebieten stammten. So machte sich unsere Elite einen schlanken Fuß. Ungleich mehr Millionen, die nicht jung, männlich, fit und wohlhabend waren, blieben zu Hause zurück. Und wir können die auch nicht aufnehmen. Joachim Gauck brachte es auf den Punkt: „Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ So ist das.

Opfer und Ziel sind Zivilisten, Alte, Frauen und Kinder

Während wir das Leid in Syrien ignorieren und Erdogan an der türkisch-griechischen Grenze auf den Leim gehen (nun wissen wir, was Thomas de Maiziere meinte, als er sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass „wir alle die hässlichen Bilder aushalten“), sind die Freischärler, Milizen und paramilitärischen Kräfte längst weiter gezogen. Mindestens zehn Staaten sind in die Kämpfe in Libyen involviert, auch hier stehen sich unter anderem die Russen und die Türken gegenüber. Immerhin hatte die Kanzlerin zu einer Libyen-Konferenz geladen, das Ergebnis gleich null. Gut, dass wir darüber geredet haben. Das beruhigt uns und liefert schöne Bilder.

Im letzten Herbst sind die Mutigen im Libanon, im Irak und sogar im Iran unter Einsatz ihres Lebens gegen das eigene Regime aufgestanden. Sicher mehr als tausend haben diesen Preis auch bezahlt. Das wurde hier allenfalls am Rande bemerkt, ist aber heute vielleicht der Schlüssel zu einer positiven Entwicklung. Die Leute haben ihre Eliten leid, die sie chancenlos in Armut vegetieren lassen. Es gibt aber keine anderen als die korrupten Herrscher, die an den Schalthebeln der Macht erfahren genug sind. Ägypten ist wenigstens stabil, aber sicher auch kein Vorbild. Und die palästinensischen Funktionäre leben ungewählt wie die Maden im Speck von den Zuwendungen von UN und EU und haben gar kein Interesse an einem eigenen Staat. Dann müssten sie ja arbeiten.

Wenigstens rauben die sinkenden Ölpreise den Finanziers des Terrors, dem Iran und den diversen Regimes von der anderen Seiten des persischen Golfs die Mittel. So hat der Virus was Gutes. Denn ohne Kameras spricht hier auch niemand vom Krieg im Jemen, der nach dem gleichen Prinzip geführt wird wie der in Syrien: Opfer und Ziel sind Zivilisten, Alte, Frauen und Kinder.

Was gebraucht wird, ist irgendwas zwischen Westfälischem Frieden und Wiener Kongress. Der Konsens, dass jeder verliert und Tausende sterben, wenn sich nicht was ändert. Und wir werden sehen: Das nächste Mal kommt keine Flüchtlingswelle, sondern eine Völkerwanderung.

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Leserpost

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Matthias Braun / 10.03.2020

” Der Baum der Freiheit wächst nur begossen mit dem Blut des Tyrannen. “ ( Bertrand Barère de Vieuzac )

Silvia Polak / 10.03.2020

So ein Artikel auf Achgut ? Der Autor sollte versuchen sich emotional wieder zu normalisieren, und wenn es ihm zu mühsam ist sich mit Fakten auseinanderzusetzen eher keine Artikel über ein anspruchsvolles Thema schreiben.

Rolf Mainz / 10.03.2020

“Assad ist um nichts besser als der IS, den die Kurden vertrieben haben, um zum Dank von den Amerikanern verlassen und verraten zu werden.” Das sind gleich drei Falschdarstellungen am Stück. Im Hinblick auf den IS verbieten sich sämtliche Relativierungsversuche, traurig genug, dass er - dargestellt als vermeintlich “gute”, sog. Rebellen - zeitweise sogar vom Westen unterstützt worden ist. Und es waren keineswegs nur Kurden, welche den IS “vertrieben” haben (u.a. sicher auch nach Deutschland). Und den Rückzug der US-Truppen als “Verrat” zu bezeichnen, wirft ein vielsagendes Licht auf die Gedankenwelt des Autors. Und von den “Millionen Syrern, die vor Assad nach Ildib geflohen sind” sind mit Bestimmtheit nicht wenige IS-Kämpfer oder -Sympathisanten gewesen. Merke: mit derart kruden, zutiefst westeuropäisch vorgefassten Meinungsbildern auf die seit Jahrhunderten schwelenden Krisenherde im Nahen Osten loszugehen, dies hat noch nie funktioniert. Im Gegenteil, etliche der aktuellen Krisen sind dadurch erst befeuert worden. Der Westen sollte sich schlichtweg einfach einmal heraushalten. Falls er unbedingt etwas zur Befriedung beitragen will, so soll er Erdogan deinstallieren, der Rest findet sich dann.

Frank Holdergrün / 10.03.2020

Ägypten, Irak, Syrien, Libanon, Iran - die Leute haben das Elend leid, ja, aber ihre Religion getrauen sie nicht zu hinterfragen. Sie ist die Quelle aller Kriege und Zerwürfnisse, nur Diktatoren können diese unglückseligen Menschen in harten Maßnahmen befrieden. Allah aber lässt seine Gläubigen bis auf wenige Ausnahmen chancenlos in Armut vegetieren, weil der Mann als Herrscher über die Frau eingesetzt wurde. Atatürk wollte den Glauben von Mohammed davonjagen, aber es hat nicht funktioniert, nichts funktioniert, um diesen Zwang aufzulösen. Wir haben das Christentum hart kritisiert und befriedet, den Islam aber kann niemand einhegen, seine eiserne Delegation von Macht an Despoten ist so fatalistisch wie aus der Zeit gefallen. Der islamische Faschismus lässt alle Länder unter seiner Knute zerbröseln und die Gläubigen dürfen in Deutschland von alter Größe und der Weltherrschaft träumen. Wenn man nichts mehr hat, der Islam bleibt. Will hier jemand über diese Religion kritisch reden, ist er krank. Voila - hier alleine liegt die ganze Problematik. Kelek, Abdel-Samad, Tibi - sie können ein Lied davon singen und ein Nevid Kermani faselt davon, dass man das Bild des Propheten nicht in den Schmutz ziehen darf.

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