Ulli Kulke / 10.05.2019 / 06:26 / Foto: Pixabay / 75 / Seite ausdrucken

Berliner Linie: Betreutes Dealen und legale Grapscherzonen

Eigene U-Bahn-Waggons fürs unbehelligte Schwarzfahren? An den Hauptbahnhöfen bald Grapscherzonen neben den Raucherkabinen? Werden Taschendieben bald gesonderte Bahnsteige zugewiesen? In Berlin ist nichts mehr undenkbar. 

Noch gibt es im Bezirksamt Kreuzberg Vorbehalte. Aber da der originelle Vorstoß der Linie des Bezirks – ja recht eigentlich auch der ganzen Stadt Berlin – entspricht, stehen die Chancen so schlecht nicht, dass der öffentlich bestallte Manager des Görlitzer Parks mit seinem Plan durchkommt: Cengiz Demirci will den afrikanischen Rauschgift-Dealern, die die Grünfläche des Szenebezirks und die Umgebung zu vielen Dutzend bevölkern, ja beherrschen, im Park jetzt eigene Zonen für ihre Geschäftsabwicklungen zuweisen.

Wohl ähnlich den Coaching-Zonen, die die Trainer am Rand von Fußballfeldern bei Spielen nicht verlassen dürfen und wo der vierte Schiedsrichter für die Einhaltung der Regel sorgt, dürfte dann ein Parkranger – oder doch ein Polizist? – durch gutes Zureden die Dealer auf ihren Platz verweisen. Zumindest am Anfang der neuen Regelung, für die Pressefotos, alles Weitere regelt der Personalmangel.

Hintergrund ist nicht die Zurückdrängung der Rauschgiftkriminalität im Park, bewahre. Hier lautet die klare – und in der Sache erklärte – Linie von Berlins Verwaltung, Polizei und Justiz: „Legal, illegal, scheißegal!“. Es geht lediglich darum, die Folgekriminalität, bei der jenes Prinzip weitgehend auch gilt, wenigstens etwas einzudämmen: Belästigung, Körperverletzung, Raub, Diebstahl, Nötigung. Besonders für Familien mit Kindern ist und bleibt der Park weitgehend eine No-go-Area. Nachdem sich die Lage in den Vorjahren statistisch ein wenig gebessert hatte, verzeichnete die Kriminalität im vergangenen Jahr wie gehabt wieder Wachstum.

Fest eingeführte Zonen mit farbigen Linien 

Nach all dem, was man aus Berlin kennt, verwundert es schon, dass man auf diese gegenüber den Dealern vergleichsweise rigide Regelung mit den Zonen nicht schon längst gekommen war. Soweit bekannt, haben die Vertreter derselben, die in den letzten Jahren in die Entscheidungsfindung des Bezirks öfters eingebunden waren, sich dazu noch nicht geäußert, man hält sich noch zurück.

Es liegt allerdings auf der Hand, dass die sich erst mal an den Datenschutzbeauftragten und die einschlägigen Antidiskriminierungsstellen wenden. In so einer Zone stehen zu müssen, bringt schließlich die Gefahr einer deutlichen Stigmatisierung mit sich. Allzu schnell könnten sich die Beteiligten den Ruf einhandeln, mit Rauschgift zu dealen. Und dies betrifft auch die Käufer. Fest eingeführte Zonen, zumal noch kenntlich gemacht mit farbigen Linien, dürften beim Antidiskriminierungs-Beauftragten mithin kaum durchkommen. Parkmanager, Polizei und Dealer müssten sich also auf wechselnde Standorte einigen und ihre Kalender aufeinander abstimmen.

Die Regelung würde wie die Faust aufs Auge unbeteiligter Passanten passen zu dem in Berlin herrschenden Prinzip der flexiblen Legalität, der sich die Verwaltung schließlich seit Jahrzehnten rühmt. So, wie man jetzt womöglich bald mit den Dealern zusammenarbeitet, gibt es auch auf anderen Ebenen immer wieder kreative Kooperationen.

Etwa wenn jetzt Muslimbrüder den Senat bei der Wiedereingliederung zurückgekehrter IS-Kämpfer unterstützen sollen. Islamisten als Bewährungshelfer für Islamisten, das muss Berlin erstmal eine andere Stadt nachmachen. Aber man sagt ja nicht ohne Stolz: „Berliner Linie“. Oder wenn das Delikt des Schwarzfahrens aus dem Katalog der Straftaten verschwinden soll. Aber auch hier gilt: Sollten die (oben) erwähnten Extrawaggons für unbehelligtes Fahren ohne Ticket tatsächlich eingeführt werden, müssen auf den entsprechenden Bahnsteig-Abschnitten die Überwachungskameras verschwinden, Klagen von Schwarzfahrern wären ansonsten absehbar.

Legale Grapscherzonen

Dies gilt natürlich erst recht für etwaige legale Grapscherzonen, wie man sich aufgrund der besonderen Pikanterie des Genres denken kann: Kameras weg und auch hier schnell wechselnde Areale, damit niemand in Verruf gerät. Nach Köln wissen wir ja, wie ganze Teilmengen der Gesellschaft bei dem Thema allzu schnell stigmatisiert werden.

Bei anderen Fällen, in denen der Berliner Senat oder seine Unternehmen sich ähnlich gekonnt flexibel zeigten, sollten entsprechende Lösungen gefunden werden: Wenn Schülerlotsen regelmäßig beiseite springen müssen, weil dicke Boliden morgens vor der Schule mit Papi am Steuer und den Kleinen auf dem Rücksitz einfach durchrauschen, hätte man andernorts vielleicht Polizeibeamte danebengestellt. In Berlin kann man das besser: Man schafft die Schülerlotsen an den brisanten Stellen einfach ab, sollen die Kleinen doch selber sehen, wie sie über die Straße kommen. Was die Schüler und ihre Lotsen dann wohl daraus für Lehren in ihr Klassenzimmer mitnehmen?

Oder wenn beim Schienenersatzverkehr für ausgefallene U-Bahnen (was in der Stadt leider nicht selten vorkommt) die Busspuren zugeparkt sind, dann wird nicht abgeschleppt, nein: Die Buslinie wird stillgelegt, ist doch einfacher. Elegant, elegant. Besetzte Häuser lässt der Senat nicht im Auftrag des Besitzers räumen, er kauft sie diesem lieber zugunsten der Besetzer ab. Dem Geschäftsführer eines Hotels am Oranienplatz, dem regelmäßig die Scheiben eingeschmissen werden, weil die Szene ihn fortjagen will, macht die Polizei klar, dass sie ihm nicht helfen kann.

Die Berliner Linie eben. Warten wir es ab, wie es im „Görli“ weiterläuft. Apropos: Der Senat könnte es sich ja auch mal umgekehrt vornehmen und dealerfreie Zonen einführen. Aber das würde zu sehr nach Nulltoleranz riechen, und damit wollen wir hier nichts zu tun haben in der Hauptstadt.

Foto: Pixabay

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Klaus-Dieter Zeidler / 10.05.2019

Diese willkürlich aufgemalten Striche entsprechen in keinster Weise einer akkuraten, staatlich vorgeschriebenen DIN-Norm und sind sicher von den Drogenartikel-Fachverkäufern (ohne -innen) selbst aufgezeichnet worden. Sie dienen dazu, einen qualifizierten Parkbereichsdealer direkt zu kontaktieren und nicht erst unbescholtene Migrantenmänner ansprechen zu müssen. Außerdem liegt der Görlitzer Park in Kreuzberg. Das geht niemanden was an. Autonome Zone!

Jürgen Thiel / 10.05.2019

Der “Krieg gegen die Drogen”, von dem dumme Politiker herumfaseln, ist schon lange rettungslos verloren. Herrn Demircis Sprayaktion ist nichts weiter als ein winzig kleiner Schritt in die richtige Richtung. Übrigens hat die verfehlte Prohibitionspolitik bezüglich derzeit illegaler Drogen nur einen einzigen wirklichen Profiteur: die Mafia, der das Drogenverbot alljährlich Gewinne in dreistelliger Milliardenhöhe beschert. Und die blanke Angst vor der Mafia, die mit sich nicht so umspringen lässt, wie die Wähler, dürfte auch der Hauptgrund sein, warum unsere “Volksvertreter” immer noch eisern an der längst gescheiterten repressiven Drogenpolitik festhalten. Was würde z.B. geschehen, wenn ALLE Drogen für Erwachsene legal in der Apotheke erhältlich wären und dort z.B. ein Gramm reines Heroin für 10 Euro zu haben wäre, statt für 1000 Euro im Straßenhandel*? Das hier: Die Drogenmafia wäre mit einem Schlag erledigt, Beschaffungskriminalität (in Berlin derzeit etwa jeder zweite Diebstahl und jeder dritte Raub) und Beschaffungsprostitution (und damit eine der Haupverbreitungsquellen von Aids) fielen so gut wie vollständig weg, und die Junkies könnten ein halbwegs normales Leben führen - etwa wie viele Konsumenten der legalen Droge Alkohol, an der, nebenbei bemerkt, um ein Vielfaches mehr Menschen sterben, als an allen anderen Drogen zusammen. Kurzum, eine Legalisierung aller Drogen wäre sinnvoll und vernünftig und wird genau deswegen in absehbarer Zeit nicht kommen, da Politiker zu sinnvollen und vernünftigen Problemlösungen, wenn überhaupt, erst imstande sind, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind. . . . *dieser Betrag kommt zustande, wenn man berücksichtigt, dass Heroin im Straßenhandel zu mindestens 90% mit wertlosen und z.T. gefährlichen Ingredienzien gestreckt ist.

H. Merx / 10.05.2019

Ich bin Optimist. Nicht zuletzt auf Grund vieler guter Beiträge hier von Autoren und Lesern. In letzter Zeit auch insbesondere von jungen Nachwuchsautoren. Aber - immer wenn man denkt, es geht nicht irrer, wird man eines besseren belehrt. Und Berlin ist ein besonders innovativer Ort für dieses belehrt werden. “Wenn der Wahnsinn epidemisch wird, heißt er Vernunft”. Auch als Optimist muss man aufpassen, dass es nicht in eine Depression ausartet.

Oliver Brandt / 10.05.2019

Zugegebenermaßen, als ich das erste Mal von diesen Zonen gehört habe, bekam ich Schnappatmung. Da ich öfters im Görlitzer Parl spazieren gehe, habe ich einen ganz guten Eindruck, wie es da zugeht. An den Eingängen tummeln sich die Afrikaner, die einen eigentlich in Ruhe lassen. Bis auf ein “Hey, can I help you?” zur Geschäftsanbahnung, komme ich unbehelligt durch. In der Mitte gibt es Ruhe und Spielzonen, die von der Bevölkerung gut genutzt werden. Der Park hinterläßt derzeit einen sauberen Eindruck, die Stimmung ist unbelastet. Das war schon mal anders. Was die Einrichtung der rosa Zonen allerdings daran ändern, bzw. verbessern soll, erschließt sich mir nicht. Das Klientel, das ich als Käufer beobachten konnte, sind Generation Y wohl für die bevorstehende Partynacht oder eben auch Ältere aus dem Establishment. Soweit, so gut. Was mich allerdings auf die Palme bringt, ist der Gedanke, daß all´ diese Afrikaner auf des Steuerzahlers Kosten leben und gleichzeitig staatlich bestens alimentiert dealen. Warum die Sache also nicht umdrehen: Jeder, der Zugang zu einer Deal-Zone erhalten will, muß ein Gewerbe anmelden, mit allem, was dazu gehört: Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Herkunftsnachweis usw., in solchen Formalitäten sind wir Deutschen doch Weltmeister und Steuererhebung kennt keinen Rassismus, umso besser. Bei Aushändigung der Rosa-Lizenz werden Taschengeld und freie Unterkunft, Krankenversicherung usw, rigoros gestrichen. Die Leute sollen konsumieren, soviel sie wollen, und der der Staat haut die Steuer drauf, bis die Schwarte kracht, geht bei Tabak und Alkohol doch auch. Mal sehen, wie lange das Ganze dann noch “sexy” ist.

Horst Jungsbluth / 10.05.2019

Sehr geehrter Herr Kulke, Sie verstehen das alles falsch, da es in Berlin darum geht, den arg gebeutelten Mittelstand aufzupäppeln, indem man Drogendealer nicht nur mit öffentlichen Geldern fördert, sondern ihnen zusätzlich kostenlosen öffentlichen Raum zur Verfügung stellt, die Gewinne nicht besteuert und sogar noch einen aus Steuergeldern finanzierten Manager stellt,  den man aber anders bezeichnet, Da deutsche Hartz 4-Empfänger nicht gerne arbeiten, holt man eben die “Fachkräfte” dafür aus Asien und Afrika.  So ähnlich läuft es auch in der Prostitution und irgendwann wird als freies Gewerbe nur noch der Drogenhandel und als Dienstleistung nur noch die Prostitution und Zuhälterei zugelassen.  Alles andere macht der “Staat”, K.K. sitzt schon im Startloch.

Martin Dick / 10.05.2019

Liebe achgut Redaktion, leider verfallt Ihr mit Artikeln wie diesem in einen hyperventiliereneden Alarmismus, den ihr sonst woanders vermutet. Bitte geht in Euch und fahrt ein paar Gänge zurück. Ich finde in diesen Meinungsartikeln keinen Mehrwert für mich.

beat schaller / 10.05.2019

Ich sehe, dass wir bereits voll auf dem Weg sind, in dem Faustrecht inkl. Faustfeuerwaffe dem Stärkeren den Weg frei hält. So habe ich mich bereits für den ersten Schiesskurs und diverse Selbstverteidigungs- und Angriffs Kurse angemeldet. Die Wartelisten sind lang, aber die Warteschlange ist kurzweilig. Es sterbe Berlin! b.schaller

Robert Jankowski / 10.05.2019

Wer Sawsan Chebli zur Beauftragten für “Bürgerliches Engagement” macht, der findet selbst für Schwulenhetze in Neukölln noch wohlwollende Formulierungen um den selbst produziezierten Dreck mit Glitter zu garnieren! Zumindest ist der Berliner Senat darin konsequent…

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