Volker Seitz / 06.09.2019 / 06:25 / Foto: Federico Grechi / 60 / Seite ausdrucken

Afrikanische Geistliche warnen vor grenzenloser Migration

Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, äußerte am 22. August 2019 im Gespräch mit VATICAN NEWS„Ein afrikanischer Bischof sagte mir kürzlich: ‚Seid vorsichtig, alle Flüchtlinge willkommen zu heißen: Nach Europa kommen nämlich nur die Besten, und was passiert mit uns in Afrika? Die Besten gehen in die Schweiz, nach Deutschland und Dänemark‘.“ 

Afrikas Bischöfe sind schon seit Jahren gegen die Auswanderung ihrer Landsleute. Sie predigen gegen ein solches „Abenteuer“ und warnen vor einem „falschen Paradies“, das ihnen versprochen wird. Sie sehen in der Auswanderung die große Gefahr, dass die afrikanischen Staaten ihr wichtigstes Kapital verlieren: ihre Jugend. Der Erzbischof von Abuja/Nigeria, Kardinal John Olarunfemi Onaiyakan warnt seit Jahren vor der Auswanderung: „Die Auswanderung in ein unbekanntes Land ist nicht die Lösung. Viele denken, dass es anderswo ein besseres Leben gibt. Doch das ist nicht wahr. Die Situation, die im Ausland wartet, kann auch noch schlimmer sein als im eigenen Land.“

Der aus Guinea stammende Kurienkardinal Robert Sarah wird nicht müde zu sagen, dass die kritiklose Politik der offenen Grenzen das Leid negiere, das ein Verlassen der Heimat für die betroffenen Menschen mit sich bringe. Migranten, die in Europa ankommen, würden zudem irgendwo „zwischengelagert“ ohne Arbeit und ohne Würde. Und er fragt: „Kann die Kirche so etwas wollen?“ 

„Wo es mehr Gäste als Kinder gibt...“

Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson aus Ghana ist Präfekt des von Papst Franziskus 2016 errichteten Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Turkson war zuvor seit 2009 Vorsitzender des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden. Er sagt: „Die Politiker der offenen Türen haben einen Geist geweckt, den sie nicht mehr loswerden.“ Inzwischen müssten sich Politiker, wie in Italien und Österreich, „mit Altlasten ihrer Vorgänger herumquälen“.  

Bei einer Entwicklungshilfetagung im ligurischen Albenga trat Kardinal Turkson Versuchen entgegen, die christliche Botschaft politischen Richtungen dienstbar zu machen. Afrikas Bischöfe fordern vom Westen, wenn schon, Hilfe vor Ort, aber nicht Bevölkerungsverschiebungen. Kardinal Peter Turkson warnt schon seit Jahren vor den negativen Folgen einer zu starken Einwanderung in Länder mit einer demographischen Abwärtsentwicklung: „Wo es mehr Gäste als Kinder gibt, kommt es immer zu starken Spannungen. Asyl kann dann gewährt werden, wenn die einheimische demographische Entwicklung gesichert ist. Wenn die Geburten zurückgehen, wird die einheimische Bevölkerung von Einwanderern in Sorge versetzt. Die Nationalismen entstehen gerade wegen der Sorge der einheimischen Bevölkerung eines Landes, durch die Einwanderung einer neuen Bevölkerung geschluckt zu werden.“ 

Am besten sei es, wenn die betroffene Person im eigenen Land bleiben und dort arbeiten könne, sagte der nigerianische Kardinal Francis Arinze dem österreichischen Internetmagazin Kath.net am 1. August 2019. Manchmal sei das aber nicht möglich. Grundsätzlich habe ein Mensch das Recht, ein anderes Land zu suchen, in dem es mehr Frieden, Bildung, Kultur oder wirtschaftliche Möglichkeiten gebe. Die Regierungen hätten die Pflicht, realistisch zu sein und zu sehen, wie viele Personen aus anderen Ländern sie aufnehmen und versorgen könnten. Das betreffe nicht nur materielle, sondern auch kulturelle Aspekte. 

Die Länder, die ihre jungen Menschen durch Auswanderung verlieren, verlieren damit die Personen, welche die Zukunft des Landes aufbauen können. Europa und Amerika könnten am besten dadurch helfen, indem sie die Länder, aus denen viele Migranten kommen, unterstützen. Länder mit vielen Auswanderern müssten sich die Frage stellen, warum das so ist, sagte Arinze. 

Sie laufen Luftschlössern hinterher

Nach Europa zu gehen, Afrika zu verlassen, ist zu einer gefährlichen Grundeinstellung geworden. Viele Afrikaner denken, sie seien anderen überlegen, weil sie in Europa leben, arbeiten oder studieren. Nicht Armut, Hunger und politische Verfolgung bewegen die Menschen zur Flucht, sondern falsche Erwartungen. Viele Menschen verlassen ihre Länder, weil sie die glitzernde Warenwelt des Kapitalismus lockt. Werbung, Filme und bunte Bilder versprechen ein glückliches, zufriedenes Leben. Die jungen Männer haben nur einen Wunsch: Sie wollen raus aus Afrika und mehrheitlich nach Deutschland. Sie laufen Luftschlössern hinterher.

Die meisten Migranten sind nach Ansicht meiner afrikanischen Bekannten Wirtschaftsflüchtlinge, die ihre Illusionen von außen bekommen. Leute, die es bis nach Europa geschafft haben, prahlen, wie gut es ihnen dort angeblich gehe. Das geschieht auch, um den Verwandten zu beweisen, dass das Geld, welches sie für die Reise beigesteuert haben, gut investiert ist. Jeder denkt nur noch darüber nach, wie man etwas von dem europäischen Wohlstand abbekommen kann. Der Flüchtlingsstrom wird sich deshalb noch verstärken. 

Migration von Afrika nach Europa ist per se nicht negativ, aber nicht selten mit negativen Nebenwirkungen verbunden. Mit großzügiger Arbeitsmigration werden die Probleme Afrikas nicht gelöst. Im Gegenteil: Migration kommt diese Länder letztlich teuer zu stehen. Andererseits sind die Menschen unzufrieden, wenn der Zielort nicht den (falschen) Vorstellungen entspricht. Der Arbeitsmarkt im Zielland entspricht oft nicht den Fähigkeiten der Migrierenden. 

Der ehemalige Sonderberater des Generalsekretärs der UNO für den Sahel, der Mauretanier Ibrahim Thiaw, beschrieb am 17. Juni 2019 auf Landscape News unregulierte Migration daher als lose-lose Situation "Die Migration als solche ist nicht schlecht, aber irreguläre und unkontrollierte Migration ist für die Herkunftsländer ebenso schlecht oder schlechter als für die Bestimmungsländer. Was passiert, ist, dass die Creme der Creme der Bevölkerung nach einer Ausbildung auswandert. Anstatt als Ärzte, Krankenschwestern, Hebammen zu bleiben, fliehen sie in andere Teile der Welt, und sie üben dort ihre eigentliche Qualifikation nicht aus. Sie leisten andere Hilfsarbeiten, was schlecht für die Wirtschaft der Welt insgesamt ist".

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen folgten 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Peter Christian Nowak / 06.09.2019

Wir brauchen weder aus Afrika, noch aus arabischen Ländern Zuwanderung nach Deutschland. Die Begründung liegt auf der Hand. Sie muss man nicht ständig wiederholen. Die Realität, die sich mit der Masseneinwanderung verbindet, spricht Bände.

Joerg Haerter / 06.09.2019

Wenn das die “Besten” sind, die da kommen, wie sind dann die nicht so Guten? Kommen die gleich mit Kalaschnikows statt Messer und Machete? Nochmal, welches Land kann es sich auf Dauer leisten, Einwanderung in die Sozialsysteme zu haben? Und wie lange soll das schlecht gehen? Ich sage immer wieder, ist das Geld alle, platzen die Träume der Utopisten. Berlin leistet sich seine Utopien auch nur wegen und durch den Länderfinanzausgleich. Ist die Kohle alle, ist die Party vorbei.

beat schaller / 06.09.2019

Danke Herr Seitz für die erneut interessanten Einblicke in die Migrations- und Entwicklungshilfe -Geschäfte.  Ich bin allerdings meistens vorsichtig oder kritisch, wenn ich von Kirchenvertretern solche Äusserungen höre. Diese hätten ja in der Regel in ihren Ländern einen nicht ganz unwesentlichen Einfluss. Die Feststellung aber, die sind wohl richtig. Die Luftschlösser werden natürlich durch Medien und eben auch durch den Zugang zu Internet und Filmen und Werbung gefördert, die gerade in solchen Ländern viele Wünsche befeuern. Andererseits glauben eben die Meisten dieser, von den Familien geschickten Prinzen, dass man alles bekommt ohne etwas dazu zu tun. Und die hiesigen PolitikerInnen tun natürlich ihr Bestes, diesen Vorstellungen eine Realität gegenüber zu stellen. Das ist der Treibstoff. Geburtenkontrolle ist leider wie fast immer auch hier ausgelassen. Religion und Macho-tum? b.schaller

Rolf Mainz / 06.09.2019

Die einzige Lösung des Problems lautet: erstens den Pull-Effekt in Europa, insbesondere in Deutschland, endlich abschalten. Keine Auszahlung von Sozialleistungen mehr an Migranten aus sicheren Drittländern (vorab geeignete Vorkehrungen gegen zu erwartende Widerstände schaffen…), Abweisung sämtlicher Migranten ohne gültige Ausweispapiere bereits bei versuchter Einreise, kein Zutritt von im EU-Ausland bereits asylberechtigten Migranten, sofortige Ausweisung abgelehnter Kandidaten, keine Berufungsmöglichkeit im Ausweisungsfall, Ausweisung krimineller Migranten auch in nicht-sichere Herkunftsländer, Erzwingung der Rücknahme auch im Ablehnungsfall seitens Herkunftsländern. Zuwanderungsanträge sind vom Ausland aus zu stellen, Mindest-Deutschkenntnisse sind von anerkannter Stelle vorab nachzuweisen, ausserdem nachprüfbare Qualifikationen (Schulzeugnisse, Ausbildung, etc.), dazu nachprüfbarer Nachweis fehlender Vorstrafen. Keine Einreise vor Abschluss der Genehmigung durch deutsche Behörden. Zweitens: Druck auf Herkunftsstaaten erhöhen, ihrer Verantwortung für die eigene Bevölkerung gerecht zu werden. Limitierung und Kontrolle der Bevölkerungsentwicklung, Einhaltung von Mindeststandards von Bildung und Gesundheit sowie Altersversorgung. Im Notfall Eingreifen durch internationale Staatengemeinschaft vorsehen. “Einfache Lösungen”? Nein, sicher nicht. Nicht so einfach, wie schlichtweg in Agonie still zu halten, die Welle über sich ergehen zu lassen. Aber es ginge, wenn man denn wollte. Die Herkunftsländer werden von sich aus nichts in der Richtung unternehmen, zu gross sind deren Vorteile aus der jetzigen Misere: sie schieben ihren Bevölkerungsüberschuss nach Europa ab und kassieren von dort noch massive Überweisungen von Geldern aus den europäischen Soziallsystemen. Die Initiative muss von den Zielländern kommen, ganz klar - und wie schon z.B. Herr Sarkozy seinerzeit anhand seines berühmten Vergleichs (undichte Wasserleitung) zutreffend feststellte.

Th. Rosché / 06.09.2019

Gegensteuern dürfte zu spät sein, jetzt sind sie halt mal hier , sagte Merkel. Und täglich kommen ca. 1000 dazu über die grüne Grenze. Das konnten wir kürzlich an der Grenze zu Österreich beobachten.  Steigen vor der Grenze aus und hinter der Grenze wieder zu in die Sprinter.  Ein buntes Völkchen ! Maschinenpistolen im Anschlag wird jedes Auto an der Grenze von der Bundespolizei scharf beäugt für die “Galerie” und den doofen Michel !

Nass, Madeleine aus Bonn / 06.09.2019

Es ist die natürliche Bestimmung des Menschen, dass er unter seinesgleichen sein will. Auch deswegen ist die Masseneinwanderung von Muslimen und Afrikanern ein Problem, sie sorgt dafür, dass wir uns in unserem eigenen Land fremd fühlen. Die Hipster brauchen natürlich Leute, die ihre teuren Burger braten, ihre SUVs putzen und ihre Kinder zur Schule bringen. Aber ansonsten haben sie mit diesen Leuten keine Berührung. Das einfache Volk konkurriert jedoch um den Wohnraum, um den Platz auf der Straße und in den Kneipen. Wir sind die Opfer einer verfehlten Willkommenskultur.

Wilfried Cremer / 06.09.2019

Die Kolonisatoren haben damals fleißig ihre Gene eingebracht bei Mama Afrika. Der schwarze Mann hat also nur was gutzumachen.

Gabriele Kremmel / 06.09.2019

Diese gewichtigen Aspekte, besonders in Bezug auf die lose-lose Situation (alle verlieren: das Auswanderungsland, das Einwanderungsland, der Migrant) werden leider bei der Migrationsdebatte überhaupt nicht thematisiert. Hier wäre dringend gründliche Aufklärung notwendig. Damit könnten sich unsere ÖR einmal befassen anstatt die Mär von den, aus unmittelbaren Gefahren Flüchtenden mit beschönigenden Berichten zu füttern und daraus einen humanitären Dauernotfall zu stricken. Haben Sie vielen Dank, Herr Seitz, dass Sie regelmäßig über die andere Seite und über Afrika, wie es ist berichten.

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