Deborah Ryszka, Gastautorin / 26.10.2020 / 15:00 / Foto: Ich / 20 / Seite ausdrucken

Zwischen „Mainstream-Himmel“ und „Vernunft-Hölle“

Von Deborah Ryszka.

Da ist etwas aus den Fugen geraten. Das sehen wir schon lange. Beispiel Meinungsfreiheit: Selbstverständlich, jeder kann reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ins Gefängnis kommt man jedenfalls nicht, wenn man eine vom Mainstream abweichende Meinung vertritt. Zu einer wirtschaftlich und karrieretechnisch prekären Lage kann es dafür umso häufiger kommen. Wer an Universitäten nicht gendergerecht spricht, kann zunehmend dem Professorenlehrstuhl „Lebewohl“ sagen. Oder wer politisch nicht auf Linie ist, wird von seinem Verlag rausgeschmissen. Wie jüngst Monika Maron vom S. Fischer Verlag.

Das ist eine massive Einschränkung individueller Freiheit. Doch wie konnte es so weit kommen? Dass nun eine kleine Minderheit anderen ihre Vorstellungen aufzwingt? Michael Esders beantwortet diese Frage brillant mit seinem neuen Werk „Sprachregime“. Hierbei tut er etwas, was im Mainstream mittlerweile selten ist. Er unterwirft sich keiner Ideologie, sondern nur einer Dienerin: der Vernunft.

Doch Vorsicht! Was den freien, nach Wahrheit strebenden Geist erfreut, müssen Schneeflöckchen und Mainstream-Linke als verbale Folter durch einen Ungläubigen ansehen. So reiht sich in Esders Werk eine verbale Klatsche nach der anderen. So wagt er es nicht nur, auf „böse“ Autoren wie Carl Schmitt oder Hermann Lübbe zu rekurrieren. Der Ketzer nimmt auch die in Mainstream-Kreisen „verbotene“ Begriffe, wie „Grenze“ oder „Abschottung“ auf. Sprachanalytisch untersucht er diese auch noch.

Diversität und Vielfalt sind die neuen Götter

Zwischen „Mainstream-Himmel“ und „Vernunft-Hölle“ liegen eben Welten. Welten, die nicht mehr überbrückbar scheinen. Esders zeigt auf, wieso das so ist. Die politische Semantik postmoderner Linke führe zu einer Bildung von „Wahrheitssystemen“, die mit der Realität wenig zu tun habe. Framing und moralische Aufladung sind Merkmale dieser Wahrheitssysteme. „Semantik schlägt Logik“, wie es Esders auf den Punkt bringt.

Die „Narrative der Moral“ in der Sprache tun ihr Übriges. Semantische Kniffe, wie „Personalisierung“ und „Vermenschlichung“ entziehen Personen jeglicher Verantwortung. Ein argumentativer Diskurs scheine unmöglich. Warum? „Die narrative Konstruktion, Personalisierung und Moralisierung machen in ihrem Zusammenspiel blind für die Wahrnehmung komplexer Kausalverhältnisse und Korrelationen.“ Argumente zählen nichts.

Zusätzlich trage das erprobte Verfahren der sprachlichen Dekonstruktion dazu bei, jegliche Formen von individueller und kollektiver Identität zu verachten. Davon blieb auch die Mainstream-Linke nicht unberührt. „Sie [hat sich] tatsächlich weitgehend vom ökonomischen Paradigma verabschiedet und ideologisch entkernt.“ Diversität und Vielfalt seien ihre neuen Götter.

Wenn es dann „Klick“ macht, gibt es noch Hoffnung

Stimmt man mit Esders scharfer und fundierter Analyse überein, so wundert es nicht, dass nationalistische und traditionelle Stimmen in der Mitte der Gesellschaft lauter werden. Die Mutter der AfD kann leicht identifiziert werden. Es sind die glühenden Anhänger von Gesinnung, Moral und ungezügelter Vielfalt.

Es sind jene, die von lebensnahen Problemen entfernt sind. Es sind jene, die ihre Kinder nicht auf Brennpunktschulen schicken müssen, wo oftmals nicht-deutsche Kinder den Ton angeben. Es sind jene, die nicht im unteren Arbeitssegment des Lohn-Dumpings mit Nicht-Deutschen um den schmutzigen Job kämpfen müssen. Doch es sind jene, die glauben, dass alle, die radeln, das Klima retten möchten. Es sind ebenjene, die auf der Sonnenseite des Lebens sind.

Wer sich der Vernunft verpflichtet fühlt und besser verstehen möchte, wieso der Wille einer Minderheit dominiert und welche Auswirkungen das hat, dem sei Esders Analyse wärmstens zu empfehlen. Wer sich narrativer Konstruktion, Personalisierung und Moralisierung verpflichtet fühlt, sollte sich aber auch seine Lektüre näher anschauen. Voraussetzung für ein „richtiges“ Verständnis: Restvernunft und Herz. Wenn es dann „Klick“ macht, gibt es noch Hoffnung. Nicht nur für die Meinungsfreiheit.

Michael Esders (2020): „Sprachregime – Die Macht der politischen Wahrheitssysteme“. Lüdinghausen/Berlin: Manuscriptum, hier bestellbar.

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Rolf Lindner / 26.10.2020

Ich kann nicht sehen, dass bei den nationalen und internationalen Sozialisten und sonstigen linken, rotgrünen Phrasendreschern Moral eine Bedeutung hat. Gesinnung dagegen ist bei denen alles, für die sie schon immer bereit sind und waren, jede Moral über Bord zu werfen. Die Verwendung des Adjektivs nationalistisch anstelle von vielleicht national oder patriotisch zeigt, wie leicht man auf die Termini der rotgrünen Meinungsdiktatur hereinfällt.

Christian Geller / 26.10.2020

Die Minderheit könnte nicht über die Mehrheit herrschen, wenn sich mehr Leute bequemen würden zu wählen. Und wer meint, die CDU wäre eine konservative Partei, hat den Schuss sowie nicht gehört!

Rupert Reiger / 26.10.2020

Schopenhauer zur Moral: Legale Handlungen können aus egoistischen Triebfedern hervorgehen, aber nicht echt moralische. Dogmen sind zwar geeignet, Legalität zu erzeugen, aber nicht Moralität. Angenommen, dass der Glaube an Götter, deren Wille und Gebot die sittliche Handlungsweise wäre, und welche diesem Gebot durch Strafen und Belohnungen, entweder in dieser, oder in der anderen Welt, Nachdruck erteilten (Matthäus 6.4: dein Vater im Himmel sieht was du Wohltaten im geheimen tust, wird dich „belohnen“), allgemein Wurzel fasste und die beabsichtigte Wirkung hervorbrächte; so würde dadurch zwar Legalität der Handlungen, selbst über die Grenze hinaus, bis zu welcher Justiz und Polizei reichen können, zu Wege gebracht sein; aber Jeder fühlt, dass es keineswegs Dasjenige wäre, was wir eigentlich unter Moralität der Gesinnung verstehen. Denn offenbar würden alle durch Motive solcher Art hervorgerufene Handlungen immer nur im bloßen Egoismus wurzeln. Dagegen ist das Kriterium der Handlungen von echt moralischem Wert die Ausschließung derjenigen Art von Motiven, durch welche sonst alle menschlichen Handlungen hervorgerufen werden, nämlich der eigennützigen im weitesten Sinne des Wortes. Abwesenheit aller egoistischen Motivation ist also das Kriterium einer Handlung von moralischem Wert .. es lässt nicht jenes selbst zu, das im Mitgefühl sich gefiele (Gutmensch). Anmerkung zu Schopenhauer: Alle, die ihr Handeln gutmenschlich mir Moral rechtfertigen, sollten in sich gehen, ob sie dadurch nicht entweder ihrem Machtbedürfnis im System der Gewählten oder ihrem Neid Vorschub leisten. Das wäre nach Nietzsche sogar erlaubt, nur nicht die Lüge.

Peter Holschke / 26.10.2020

Klar, die Elite kämpft um ihre Legitimität. Weil sie unterbewusst wahrnimmt, dass sie schmarotzt. Aber der Begriff ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ohnehin nur ein Kampfbegriff. Wird die Elite zu fett, zu frech, zu fordernd, zu nutzlos, wird sie davon gejagt, insofern sie die Wende verpaßt. Nicht Neues unter der Frau Sonne.

Barbara Mann / 26.10.2020

“Die narrative Konstruktion, Personalisierung und Moralisierung machen in ihrem Zusammenspiel blind für die Wahrnehmung komplexer Kausalverhältnisse und Korrelationen.” - Bravo, jene, die im unteren Arbeitssegment des Lohn-Dumpings mit Nicht-Deutschen um den schmutzigen Job kämpfen müssen, werden begeistert sein, wenn sie solche Sätze lesen.

Dr. Stefan Lehnhoff / 26.10.2020

In Berlin konnte man am Wochenden wider beobachten, dass man selbst den Satz, für eine Meinung kommt man (noch) nicht ins Gefängnis, nicht mehr zu 100% gelten lassen kann. Vielleicht ist der kriminelle Corona Wahnsinn - wenn er dann als solcher von bereiten Schichten erkannt wird - die letzte Chance das Problem friedlich zu lösen. Ansonsten wird es heissen schöne neue Welt oder bewaffneter Widerstend. Wöhrend rechtschaffende Bürger wie ich noch Sorgen haben, bei eienm Brandanschlag auf das RKI könnte jemand zu Schaden kommen oder es könne der Sache schaden, ist es durchaus möglich, dass wir bald bedauern, dass gewisse Leute dabei nicht zu Schaden gekommen sind. Das ist wohl der Grund, warum ich töglich hier Briefe schreibe (ich habe das bis Anfang diesen Jahres nie getan, denn erstens war ich übezeugt, die Leute sind zu blöd, um gerettet zu werden und zweitens habe ich gehofft, schon sehr alt zu sein, wenn es dann ganz schlimm kommt) und anders tue, um Widerstand zu leisten - hier ist vielleicht unsere letzte Chance. Wiegt Euch nicht inSicherheit oder bettelt gar Politiker um scheinbare Sicherheit an, - wer, wie das Thomas Jefdferson gesgt hat, der Sicherheit der Freiheit den Vorzug gibt, wird am Ende beides verlieren.

Harald Unger / 26.10.2020

Wir gehen als der in Echtzeit best analysierte Untergang einer Hochkultur in die Geschichte ein. Ein Meer an Analysen, deren gemeinsames Merkmal das hermetische Verbleiben an der Oberfläche der Dinge ist, die bis ins letzte Detail ausgeleuchtet werden. Analysten, bis ins Mark eingeschüchtert und eingehegt vom wirkmächtigsten aller Tabus dieser Gegenwart: Nicht als VTler in Bann und Acht zu fallen. - - - Niemals darf die Frage gestellt werden, woher das kommt und wohin das geht. Niemals. Obwohl sie sich vor aller Augen und Ohren spreizen und feiern, bleiben die Drahtzieher, Finanziers und Epizentren ungenannt und nicht existent. Dem Oberflächenanalyst ist alles, was sich außerhalb des direkt Beobachtbaren abspielt, eine Terra Incognita. - - - Man kann die Zurichtung der Sprache, wie die auch die übrigen Zurichtungsmethoden, als zerstörende Herrschaftsinstrumente zur endgültigen Eliminierung der Freien Westlichen Bürgergesellschaften, bis zu ihnen zurückverfolgen. Sie machen ihren absoluten Herrschaftsanspruch in aller Offenheit und Öffentlichkeit geltend, während ihr Reichtum ins Unermessliche steigt. Doch den Analysten ist das alles ein namenloses Sosein, für das sie keine Worte finden.

Hans Reinhardt / 26.10.2020

Dekadenz ist die faulige Frucht von zuviel Wohlstand und am Ende wollen die wohlstandsverwahrlosten Früchtchen, all die Gretas, Luisas und Carlas uns diktieren wie wir zu leben haben. Schillernd vor Dummheit verwechseln sie Eloquenz mit Wissen, zu Tode gelangweilt von ihrer eigenen nutzlosen Existenz werden sie nicht eher Ruhe geben bis sie unser aller Lebensgrundlage vernichtet haben und wenn sie mit ihrem abgesägten Ast abstürzen fallen sie weich auf Papis Millionen. Ihre Anhänger werden aber nicht soviel Glück haben, sie werden sich jammernd die Augen reiben und keine Mutti wird sie retten. Das war’s dann. Wer zu lange auf der Sonnenseite des Lebens weilt, dem verbrennt sie das Hirn.

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