Claudio Casula / 19.08.2022 / 16:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 50 / Seite ausdrucken

Wirr, wirrer, Lauterbach

Das zunehmend erratische Agieren und Kommunizieren Karl Lauterbachs wirft allerlei beunruhigende Fragen auf. Nach den letzten Ausfällen droht das Vertrauen in die Gesundheitspolitik vollends erschüttert zu werden.

Es fällt immer schwerer, den konfusen Aussagen unseres Gesundheitsministers irgendeinen logischen Gehalt abgewinnen zu wollen. Nicht nur, dass er mit Verweis auf mögliche Virusvarianten im Herbst den Coronamaßnahmen-Ausnahmezustand perpetuiert. Kürzlich fiel er wieder mit mehreren Aktionen auf, die Zweifel an seiner Eignung für sein Amt nähren.

Am 4. August teilte das Gesundheitsministerium mit, dass Lauterbach – der nach eigener Aussage viermal geimpft ist – positiv auf das Coronavirus getestet worden sei und er sich in häusliche Isolation begeben habe. Dort twitterte der Erkrankte munter weiter: „Die Symptome sind noch leicht. Zur Vermeidung von Komplikationen nehme ich Paxlovid.“ Sehr viel Vertrauen scheint der Minister den von ihm angepriesenen Impfstoffen nicht zu schenken, die doch vor schwerem Verlauf schützen sollen – die letzte Verteidigungslinie, nachdem alle anderen Positionen von „steriler Immunität“ über „jahrelangen / jahrzehntelangen Schutz“ bis hin zur Behauptung, sie seien „nebenwirkungsfrei“, geräumt werden mussten. Aber auch Paxlovid ist von Pfizer, da konnte der gelernte Gesundheitsökonom, der eher wie ein Pharma-Vertreter auftritt, der Versuchung nicht widerstehen, die Werbetrommel zu rühren. Für ein Medikament, von dem er für viele Millionen Euro eine Million Packungen bestellt hat (von denen 230.000 im Februar 2023 ihr Verfallsdatum erreichen und vernichtet werden müssen), von denen bisher aber erst 30.000 verschrieben wurden und für deren direkte Abgabe an den Apotheken vorbei er Ärzten künftig eine Prämie von 15 Euro zahlt.

Den ständigen Balanceakt, einerseits Corona als tödliche Bedrohung darzustellen und gleichzeitig die Pfizer-Produkte als effektive Mittel anzupreisen, bekommt er schon lange nicht mehr hin, stürzt dabei regelmäßig ins Sägemehl. To have the cake and eat it – schwierig! Am 9. August versuchte Lauterbach es wieder und ließ die Öffentlichkeit wissen: „Langsam geht es aufwärts. Aber COVID ist keine Kleinigkeit. Trotz 4 Impfungen und Paxlovid hatte ich stärkere Symptome als erwartet. (…) Hoffe, die Genesung ist bald komplett.“

Einen Tag später erschien er wieder zur Kabinettssitzung. Das war ein Fehler, denn laut Berliner Infektionsschutzverordnung ist eine vorzeitige Beendigung der zehntägigen Isolationspflicht nur dann erlaubt, wenn der Infizierte seit mindestens 48 Stunden symptomlos ist. Was er, wie der Tweet vom 9. August beweist, offensichtlich nicht war. Der frühere Berliner Abgeordnete Marcel Luthe erstattete Anzeige gegen Lauterbach.

Wann war die letzte Impfung?

Den nächsten Bock schoss der Gesundheitsminister wenig später. Auf einer Pressekonferenz hielt er seinen digitalen Impfpass samt QR-Code in die Kameras, woraufhin einige pfiffige Zeitgenossen das Zertifikat gleich per CovPassCheck überprüften. Und siehe da: Die dritte und letzte vermerkte Impfung datiert von Mitte November 2021, lag zu diesem Zeitpunkt also satte 271 Tage zurück.

Dabei hatte Lauterbach doch behauptet, er habe sich bereits vier Injektionen abgeholt, die letzte im März, wie das Ministerium mitteilte. Warum er es binnen fünf Monaten nicht geschafft haben soll, sein Impfzertifikat zu aktualisieren, bleibt das Geheimnis des Ministers. Dessen Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz ja auch noch vorsieht, dass, wer ab 1. Oktober ohne Maske ein Restaurant oder eine Freizeiteinrichtung betreten will, ein Impfzertifikat vorzuweisen hat, das maximal 90 Tage alt ist. Womit Lauterbach en passant zugibt, dass die „wahrscheinliche“, wie er gern dazusagt, Wirkung des Impfstoffes doch arg begrenzt ist.

Kritik daran, dass Maskenpflichten für jene ausgesetzt werden sollen, die frisch genesen sind oder deren jüngste Corona-Impfung weniger als drei Monate zurückliegt, wies Lauterbach zurück: Daraus lasse sich keinesfalls eine Aufforderung zum Impfen im Dreimonatsabstand ableiten. Das sei medizinisch unsinnig, davon rate er „absolut" ab.

Um es zusammenzufassen: Der Gesundheitsminister hält sich weder an die offizielle Quarantäneverordnung, noch wird er selbst den Ansprüchen gerecht, die er an Andere stellt. Ansonsten: einmal Hü und einmal Hott, wie gehabt.

„Da sind einige jetzt schon bei der siebten, achten Impfung...“

Und nun zum jüngsten verstörenden Ereignis in seiner bizarren Amtszeit. In der Bundespressekonferenz berichtete der Minister von schwerstkranken (Krebs-)Patienten, denen man bereits „sieben oder acht“ der Corona-Impfungen verpasst habe, wobei die bei Tierversuchen beobachteten Nebenwirkungen bei diesen nicht aufgetreten seien. Hört sich glatt so an – vorausgesetzt, der Sachverhalt ist nicht Lauterbachs Fantasie entsprungen –, als würde hier die Kurierfreiheit durch die Vielfachvergabe des „Impfstoffs" an Menschen auf eine Weise überstrapaziert, die dem Grundgebot ärztlichen Handelns „primum nil nocere" krass widerspricht. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich die BPK in der ARD-Mediathek an. 

Die entsprechende Passage finden Sie ab Minute 42:45; für Menschen, die das Gestammel einfach nicht mehr ertragen, wofür der Autor volles Verständnis hat, wurde sie unter großen Schmerzen transkribiert:

„Vielleicht zu diesem Punkt. Ich möchte Herrn Kollegen Sander nicht nur recht geben, ich möchte auch auf eine Gruppe hinweisen, die epidemiologisch ganz gut untersucht wird, nämlich diejenigen, die deutlich mehr Impfungen benötigen, damit die Impfwirkung dargestellt werden kann. Also Leukämieerkrankte zum Beispiel, bestimmte Krebserkrankungen, Autoimmunerkrankungen, dort wird ja mit mehr Impfungen gearbeitet. Da sind einige jetzt schon bei der siebten, achten Impfung, die werden natürlich sehr genau überwacht, weil wir da sicher sein wollen, dass wir nicht also in einen Schaden hineinkommen. Auch dort haben sich die also theoretischen also meines Wissens nur im Tierexperiment also beobachteten also, äh, sagen wir mal, ich nenne es mal so, Gefahren durch vieles Impfen, diese Gefahren haben sich dort auch nicht bestätigt.“

Morgen jährt sich übrigens die Verkündung des Nürnberger Kodex zum 75. Mal

Foto: Stefan Klinkigt

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Thomas Szabó / 19.08.2022

Verstehe ich das richtig? Bei Tierversuchen traten Nebenwirkungen auf, aber man impft trotzdem munter bei Menschen weiter?

H. Krautner / 19.08.2022

“Wirr, wirrer, Lauterbach”.                        Ich habe Angst, diesem Mann einmal nachts alleine auf der Straße zu begegnen.

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