In der Zeit, die so treffend zwischen den Jahren genannt wird, lässt sich gut spekulieren, was das kommende Jahr wohl so bringen wird. Mein Tipp: 2020 wird das Jahr der politischen Stilfragen. Man wird sich darauf einigen, dass nicht katastrophale Fehler und Opportunismus unserer Gesellschaft schaden, sondern die Art und Weise, wann und wie man daran Kritik übt. Denn wenn der Druck der puren Realität das Märchen von der Willkommenskultur ad absurdum führt, dann bilden Stilfragen die letzte Bastion gegen das ehrliche Eingeständnis eigener, grandioser Fehleinschätzungen. Stilkritik ist die letzte Patrone, mit der der Kater nach der jahrelangen Moralinsause vertrieben werden soll – auf Kosten des letzten Rests an Glaubwürdigkeit.
Erkennbar wird diese neue Taktik in der kürzlich ausgestrahlten Markus Lanz Sendung mit Hans-Georg Maaßen. Diese Sendung veranlasste unterschiedlichste Medien zu einer nachfolgenden Berichterstattung. Neugierig geworden, habe ich mir das Ganze in der Mediathek angeschaut. Eigentlich wundert man sich, dass man noch staunen kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich Fernsehen seit drei Jahren fast komplett meide. Oder ist es tatsächlich neu, dass der Kritik an der Einwanderungspolitik gar nicht mehr widersprochen wird, dafür aber das Desaster, nach dem Motto: Nu isses halt passiert, mit lässiger Nonchalance einfach hingenommen wird? In dieser Sendung schafft es der Moderator tatsächlich, in der ihm eigenen Art, sich nicht etwa über die Tagesschau zu echauffieren, die aufgrund einer einzigen, nicht reflektierten Quelle aus dem linksextremistischen Milieu über Hetzjagden in Chemnitz berichtete.
Verantwortlicher Journalismus sieht anders aus, indem man beispielsweise versucht, die tatsächliche Quelle ausfindig zu machen, wie hier. Ganz zu schweigen jedoch vom Empörungspotential des folgenden inzwischen offiziell bestätigten Sachverhaltes. Man muss es sich noch einmal vergegenwärtigen: Eine Bundesregierung verunglimpft eine ganze Stadt aufgrund von Vorkommnissen, die zu diesem Zeitpunkt niemals stattgefunden haben. Sie nutzte für ihre haltlosen Behauptungen nicht die für sie zur Verfügung stehenden Quellen, wie örtliche Polizeistellen oder den Verfassungsschutz, sondern lediglich den besagten, hochfragwürdigen Antifa-Videoausschnitt aus der Tagesschau.
Verhöhnung von Ursache und Wirkung
In Folge dieser wohlfeilen Regierungserklärung wurde weltweit über Chemnitz als Nazibrutstätte berichtet, in der Hetzjagden auf Migranten stattfinden. Vielfältige negative Folgen wie beispielsweise für die Wirtschaftsansiedlung sind anzunehmen, ganz zu schweigen der Folgen auf die bereits von rechts und links aufgeheizte Atmosphäre nach dem stattgefunden Todesdelikt. Eine Entschuldigung seitens der Regierung an die Adresse von Chemnitz wäre das Mindeste, was eine kritische Presse hätte fordern müssen, und meiner Meinung auch den Rücktritt des Regierungssprechers.
Nicht so bei Markus Lanz, er findet etwas ganz Anderes zum Aufregen: Die Art und Weise, mit der der damalige Chef des Verfassungsschutzes, in seiner Verzweiflung ob der Verantwortungslosigkeit seiner Regierung, die Öffentlichkeit suchte, um die Dinge richtigzustellen (der Amtseid eines Beamten bezieht sich übrigens auf das Grundgesetz und nicht auf den Dienstherrn). Kritik sei zwar erlaubt, aber bitteschön nicht frühzeitig die Dinge klar beim Namen nennen, denn dies spalte die Gesellschaft. Ähnliches Vorgehen beim Thema Mittelmeerdrama. Lisa Marie Kaus beschrieb auf Achgut.com diese Verhöhnung von Ursache und Wirkung bereits als Ausdruck von Macht und Herrschaft. Die strategisch geplante Dramaturgie dieser Sendung lässt nun Rückschlüsse zu auf das, was uns im kommenden Jahr erwarten wird.
Die Last der kognitiven Dissonanz
Es ist ja bedauernswert wie nachvollziehbar, wenn der Zwang, am Märchen der unschuldigen Willkommenskultur immer noch festhalten zu müssen, bei Betroffenen zu einer kognitiven Dissonanz führt und damit zu einer unangenehmen Gefühlslage. Um sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, werden viele dankbar auf den Zug der Stilkritik aufspringen, wie man hier, hier, hier und hier oder hier bereits sehen kann. Und leider auch hier.
Auf diese Weise muss man in Zukunft die katastrophalen Folgen einer falschen Einwanderungs-, Klima-, Energie- oder Sicherheitspolitik gar nicht mehr in Abrede stellen. Sie sind halt da. Auch muss man Statistiken oder Zitate nicht mehr so verdrehen, bis deren Gegenteil herauskommt. Nein, es reicht völlig dem Kritiker seine Art und Weise der Kritik vorzuwerfen, um die moralische Oberhand zu behalten. Denn Kritik am Stil geht immer.
Falls Sie sich also im nächsten Jahr darüber freuen sollten, wenn Ihre Kollegen, Ihre Bekannten oder Ihre Familienmitglieder ganz offen über Nachrichten diskutieren, deren bloße Erwähnung Ihnen noch vor kurzem den Ruf eines Rechtspopulisten und Nazis eingebracht hat, dann freuen Sie sich nicht zu früh. Sollten Sie sich den Hinweis nicht verkneifen können, dass Sie davor schon viel früher gewarnt haben, wird man sich nicht bei Ihnen entschuldigen oder gar Ihre kluge Weitsicht anerkennen. Denn nicht Fehler der Politik und ihre Claqueure seien Schuld an dem wachsenden Schlamassel, der die Bevölkerung in der Tat spaltet, sondern Ihre vorlaute und überzogene Rechthaberei, mit der Sie nur die rechten Ränder gestärkt hätten. Glauben Sie nicht? Abwarten!