Thomas Rietzschel / 25.08.2018 / 12:00 / 23 / Seite ausdrucken

Wenn der Blitz im Schloss Bellevue einschlägt

Am Mittwoch dieser Woche wurde unser Bundespräsident von einem Geistesblitz getroffen, unter strahlend blauem Himmel im Garten seines Berliner Amtssitzes, Schloss Bellevue. Zur Abwechslung hatte er sich einige Türken aus der Nachbarschaft eingeladen. Es gab Kaffee und Kuchen. Der Gastgeber hielt eine kleine Rede. Er sprach, wie tags drauf unter anderem von der FAZ berichtet, über dieses und jenes, um schließlich zum dem Schluss zu kommen: „Halbe Deutsche gibt es nicht.“

Nicht nur mir mag es bei dieser Steinmeierei, dem schlichten Ausdruck des Banalen, wie Schuppen von den Augen gefallen sein. Hatten wir doch bisher angenommen, es könne auch eine Kreuzung geben: Von den Zehen bis zum Bauchnabel deutsch und von da ab bis zu Schopf türkisch – oder umgekehrt. Je nachdem, in welcher politischen Laune die Zeugung stattfand.

Nun wissen wir, präsidial besiegelt, den Deutschen gibt es nur ganz oder gar nicht. Gut möglich, dass Frank-Walter Steinmeier so nicht verstanden werden möchte. Sein Unbewusstes hat ihm aber Worte eingegeben, bei denen es auf diese Aussage hinausläuft – eine durchaus zutreffende Einsicht.

Alle Menschen werden Deutsche!

Denn ein bisschen deutsch kann man so wenig sein wie bisschen schwanger. Außerdem liegt es bei jedem selbst, ob er sich als Deutscher betrachtet oder nicht.

Und wenn er das will, dann kann er in diesem Selbstgefühl am Rhein wie am Potomac leben, in Indien oder in Australien. Niemand wird dort Anstoß daran nehmen. Das Gefühl einer ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit trägt jeder persönlich in sich. Ob er es pflegen oder verdrängen will, ist seine Sache, solange er sich an die zivilisatorischen Gepflogenheiten seines jeweiligen Aufenthaltsortes hält.

Nur hierzulande beharren die Politiker auf der unseligen Vorstellung, dass alle, die sich dafür entschieden haben, zwischen Rostock und Berchtesgaden, zwischen Aachen und Görlitz zu wohnen, zwangsläufig als Deutsche anzusehen sind. Um dieses vermeintliche Vorrecht genießen zu dürfen, werden sie der teutonischen Gehirnwäsche unterzogen, höflicher ausgedrückt, der Tortur der Integration. Denn um nichts anderes geht es bei der sprachlich verbrämten Eingliederung. Die Zuwanderer – Türken, Afghanen, Syrer – sollen Deutsche werden, koste es, was es wolle. Um sie dazu zu bewegen, werden ihnen Freiheiten eingeräumt, die sich mit dem Freiheitsgebot der bürgerlichen Gesellschaft westlicher Prägung schwerlich vertragen.

Die Spielregeln sind für alle 

Dabei würde es völlig genügen, dass sie sich an die Spielregeln des Landes halten, in das sie umgezogen sind, unabhängig von ihren nationalen, ethnischen oder religiösen Gefühlen. Für hunderttausende von Polen, Chinesen, Japaner ist das selbstverständlich, ebenso wie für die Engländer, die Franzosen, die Spanier und die Italiener, die unter uns zu Hause sind.

Das Heimweh, das sie empfinden mögen, bewältigen sie unauffällig, jeder auf seine Weise. Niemand käme auf die Idee, sie auf Teufel komm raus als Deutsche zu betrachten. Einzig die Moslems, die das partout nicht sein wollen, sollen unbedingt dazu abgerichtet werden.

Diese Rechnung wird aber nicht aufgehen, schon gar nicht bei den überwiegend religiös fanatisierten Zuwanderern, die seit 2015 einströmen. Mit ihrer politischen Umarmung wird bloß ein Druck ausgeübt, der Gegendruck erzeugt. Anders, als von Katrin Göring-Eckardt angenommen, wurden uns diese Menschen nicht „geschenkt“. Wir können mit ihnen nicht machen, was wir wollen, ihnen nur die Grenzen aufzeigen. Wer indes versucht, sie bei Café und Kuchen scheinheilig als „Deutsche“ zu vereinnahmen, möbelt einen Rassismus auf, von dem man lange glaubte, wir hätten ihn im Orkus der Geschichte entsorgt.  

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Leserpost

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Hubert Bauer / 25.08.2018

In den Fernsehbildern habe ich da eine Frau mit großem Kopftuch gesehen. Die hätte man mal fragen sollen, wer ihr Präsident ist. Eine wahrheitsgemäße Antwort hätte Herrn Steinmeier wohl überrascht. Aber zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, mein Präsident ist er auch nicht wirklich.

Joachim Lucas / 25.08.2018

Wenn es sich in Herrn Steinmeier so anfühlt, als könne man religiös aufgeladene Türken und andere Moslems mit Kaffeekränzchen auf deutsch polen und sie für Werte begeistern, die größere Teile der Deutschen inzwischen sebst verachten, täuscht er sich gewaltig. Eine so sich selbst geringschätzende Kultur wie die deutsche hat keine Anziehungskraft. Ihre Schwäche erzeugt Verachtung, würde mir umgekehrt genauso gehen. Ohnehin verstehen sie europäische Kultur und deren zivilisatorische Errungenschaften nicht. Die Versuche Kemal Atatürks in den 1920iger Jahren, die Türken zu säkularisieren sind kläglich gescheitert. Herausgekommen ist wieder der alte Osmane samt Allüren, auch wenn er statt Pluderhosen heute Jeans oder Anzug trägt.

Werner Arning / 25.08.2018

Das schätzen Steinmeier und Co. möglicherweise völlig falsch ein. Die Migranten kommen nicht, um Deutsche zu werden. Auch wenn die Steinmeiers und KGEs glauben, das sei doch als das höchste Glück auf Erden anzusehen. Und dass die Leute jetzt „uns“ gehörten,  wir haben sie doch schließlich „geschenkt“ bekommen, stimmt eben auch nicht.  Sie gehören uns nicht, sie glänzen auch nicht wie Gold. Sie gehen vielleicht einfach nur dort hin, wo es die beste Versorgung gibt. Wenn es diese in einem anderen Land geben würde, wären sie eben dort hin „geflüchtet“. Sie kommen nicht wegen des tollen Grundgesetzes oder unserer vorbildlichen Demokratie, sondern wohl eher wegen der schnöden Knete. Da können die Steinmeiers und KGEs noch so mit dem deutschen Pass winken. Dieser interessiert die Migranten wahrscheinlich zunächst mal gar nicht, es sei denn, er zahlte sich aus. Ein bisschen Realismus würde unseren Politikern so gut zu Gesichte stehen. Und eine etwas bessere, vielleicht bescheidenere Selbsteinschätzung.

Andreas Rochow / 25.08.2018

Der Meister der Platitüde hatte sein Coming Out bereits als gescheiterter schwadronierender Friedensstifter von Kiew im AA, nämlich als Außenminister. Dieses Amt soll seinen Inhabern nach jeweils kurzer Amtszeit zu besonderer Beliebtheit beim Volke verholfen haben. Und ehe der ruhende (sic!) Sozialdemokrat, der Genosse Frank-Walter Steinmeier, sich so richtig beliebt machen konnte, beförderte ihn eine demokratisch handverlesene Bundesversammlung zum ersten Mann im Staate! Mit der Kaffeetafel im Garten von Bellevue und der Rede im Stile eines pensionierten Märchenonkels bewies er jetzt, dass sein Amt durch niemand anderen als durch ihn selbst missbraucht und beschädigt wird. Und wer deutsch ist, liegt in seinem Gutdünken! Seinem deutschen Volk fühlte er sich bereits vor vielen Jahren, damals noch in subalterner Funktion im AA (Ukraine Visa-Affäre) tätig, nicht verpflichtet und gelangte damit auf eine deutsche Karriereleiter, die Historiker einst genau so schwer erklären können, wie jene seines damaligen Ministers.

Werner Brunner / 25.08.2018

Nimmt eigentlich irgendein klar denkender Mensch diesen Komiker noch ernst ? Wenn ja , bitte ich um eine Begründung !

Marcel Seiler / 25.08.2018

Herrn Steinmeier mag der Repräsentant der deutschen politischen Klasse sein, aber er ist kein Repräsentant Deutschlands. Ich würde mir schon einen Bundespräsidenten wünschen, den man ernstnehmen kann. Herrn Steinmeier kann man nicht ernstnehmen. Leider.

Silas Loy / 25.08.2018

Warum soll es keine halben Deutschen geben, wenn es einen Doppelpass gibt? Für ganze Deutsche braucht es den ja nicht. Der Apparatschik von Bellevue macht hier ausserdem die Rechnung ohne den Wirt. Neulich erst war Özil bei ihm, der Typ mit den zwei Präsidenten. Einen davon nimmt der Özil aber wahrscheinlich gar nicht erst für voll. Er sieht sich wohl auch kaum als halber Deutscher, das wäre für ihn nämlich herabwürdigend, er ist nämlich keiner von der Sorte dieser Rassisten, die ihm die Schuhe geleckt haben.

S. Salochin / 25.08.2018

Frank W. Steinmeier ist eben ein bisschen ... schlicht. Weil ihm nach der Schröder-Ära nacheinander eine Reihe viel zu groß geratener Ämtern in den Schoß gefallen sind, ist er seit Jahren in der Not, diese ohne jede eigentliche Begabung ausfüllen zu müssen, redet zwangsläufig meist nur Blech. Seine Ansichten sind Schablonen, seine Haltung ein hohler Resonanzraum des Herrschenden. Steinmeier, der in Absprache mit dem ebenfalls stets deplazierten S. Gabriel Bundespräsident, dieser selbst dafür ja Außenminister wurde,  ist auf diese Weise ein Menetekel für den verwahrlosten Zustand unseres Staatswesens und unserer Demokratie. Kaffee und Kuchen sind eigentlich aber sein geistiges Äquivalent - streng genommen könnte ihm dafür aber (kulturelle Diskreminierung) bereits ein Parteiausschlussverfahren drohen.

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