Thilo Schneider / 14.08.2018 / 06:20 / Foto: pixabay / 62 / Seite ausdrucken

Wehrpflicht für Schneeflocken – warum nicht?

Ich war dort. Ich kann mitreden. Grundwehrdienst beim FschJgBtl. 272 in Wildeshausen und dann bei der LLSanKp 250 in Calw. „Geschadet hat das nicht“, außer, dass mir 18 Monate Lebenszeit fehlen, in der ich so wichtige Sachen wie „ein G3 zerlegen“ (gerne auch mit Schuhbeutel über dem Kopf, es könnte ja stockdunkle Nacht sein, wenn „der Iwan“ angreift), „mit einer Panzerfaust auf Sperrholzscheiben schießen“ und „Bemalen von LKW mit Tarnfarben nach vorgefertigtem Muster“ gelernt habe.

Ein paarmal gab es auch recht amüsante, wenngleich unkomfortable und schweißtreibende Räuber-und-Gendarm-Spiele namens „Manöver“ (bei denen ich einmal von einem Baum fiel und ein anderes Mal bäuchlings in Schweinepisse in Deckung ging) und ein paar meiner Ansicht nach ungerechte Anpfiffe von Leuten, die mir im Zivilleben heute die Ware über den Scanner ziehen oder den Hof pflastern. Aber deren Schulterklappen waren eben höher als meine.

Ansonsten saß ich herum oder verbrachte meine Zeit mit irgendwelchen Sinnlos-Aktionen wie „saubere Gewehre putzen“ oder Waschräume reinigen. Reinlich ist er, der deutsche Soldat. Oh, und den LKW-Führerschein hat mir der deutsche Steuerzahler auch spendiert, was mich wenigstens ein bisschen für die damals noch 18 Monate entschädigte. 

Nein, ich war nicht gerne bei der Bundeswehr. Ganz und gar nicht. Wahrscheinlich, weil ich zu meiner eigenen Überraschung eher Anti-Soldat war, und im Ernstfall wäre ich sicher einer der ersten Toten gewesen. Ich habe da echt Glück gehabt. 

Ich wurde mit ein paar Leuten eingezogen, von denen einer ein Hardcore-Kiffer und „Legalize“-Fan war, der sich selbst als Pazifist verstand. Der hat sich nach drei Monaten auf vier Jahre verpflichtet, weil er Fallschirmjäger „geil“ fand. Ein Anderer hat sich ebenfalls dann in der Sportkompanie verpflichtet, weil er sich gefördert und gefordert sah; wieder ein Kamerad blieb dabei, weil er bei der Bundeswehr seine Liebe zur Elektrotechnik entdeckte und sich dort ausbilden ließ.

Manche kamen das erste Mal von zu Hause raus

Ich, der ich mich ursprünglich verpflichten wollte (auch ich fand Fallschirmjäger „geil“ und freute mich als Geschichtsinteressierter über das überlebensgroße Bild eines WK2-Fallschirmjägers auf Kreta, unter dem in altdeutsch der Satz „Es ist besser, aufrecht zu sterben als kniend zu leben“ stand, was heute zu sofortiger Schnappatmung der Verteidigungsmutti führen würde), stellte nach acht Wochen Grundausbildung fest, dass ich so ein kleines Problem mit Hierarchien habe, erst recht, wenn mein Vorgesetzter wesentlich dümmer als ich ist.

Außerdem stellte ich fest, dass ich lieber Panzer gefahren als die doppelte Entfernung wie ein Panzergrenadier gelaufen wäre, wenn ich doch eigentlich an einem Fallschirm oder in einem Helikopter zu transportieren gewesen wäre. Ich hatte mich nicht freiwillig gemeldet, um Wandern zu gehen. „Meines“ war das demnach nicht, dafür haben sich aber Leute verpflichtet, von denen ich das aufgrund ihrer grundsätzlichen Ablehnung des Militärs eher nicht gedacht hätte. 

Was ist also während der Wehrdienstes passiert? (Fast) jeder meiner Generation hatte wenigstens einmal einen Einblick in eine der wichtigsten Institutionen des Staates und konnte aufgrund dieser Eindrücke und Erfahrungen die Entscheidung treffen, ob er in der Armee eine Heimat findet. Oder, bei Zivildienst, ob ein Pflege- oder medizinischer Beruf für ihn in Frage kommt. Manche kamen das erste Mal von zu Hause raus, andere – wie ich – mussten lernen, sich unterzuordnen, selbst wenn sie sich im Recht glaubten (oder, wie ich, selbstverständlich stets waren), wieder andere, wie mein kiffender Freund, bekamen das erste Mal Struktur in ihr Leben und waren begeistert, wieder anderen eröffnete die Bundeswehr berufliche Chancen, die sie als Zivilisten so nicht ohne weiteres hätten ergreifen können. 

Umgekehrt hatte die Bundeswehr immer auch einen Durchfluss der Bürger, die sie zwei Generationen später zu leiden und zu leiten hatte, somit war ein dauernder Wechsel zwischen Gesellschaft und Bundeswehr gegeben, die Bundeswehr war damit – anders als die Reichswehr oder Wehrmacht – kein „Staat im Staate“, sondern ständiger Teil des Staates.

Dumm wie drei Meter Feldweg, aber stoßfest 

Wir hatten Übungen mit Engländern, rauen Gesellen und echten Kriegern und Landsknechten, die ich nicht gerne zum Feind gehabt hätte. Die waren dumm wie drei Meter Feldweg, aber stoßfest und wasserdicht. Im wahrsten Sinne des Wortes „the scum oft he earth“, wie Lord Wellington einst von seinen Truppen sagte. Aber sie haben Waterloo und El Alamein gewonnen. So hatte und hat auch die Berufsarmee der Engländer etwas für sich, top ausgerüstet, gut bezahlt und bereit, „in the mission“ zu gehen.

Das heutige Problem der Bundeswehr ist doch, dass sie weder Fisch noch Chips is(s)t. Eigentlich soll sie seit Aussetzung der Wehrpflicht eine Berufsarmee sein, befindet sich aber technisch und finanziell noch auf dem Stand der bestenfalls 2000er, und wenn eine Armee drei Panzer braucht, damit wenigstens einer fährt, dann sollte sie statt Ersatzteilen besser weiße Fahnen bestellen. Tatsächlich wäre es also die intelligentere Lösung, die Wehrpflicht (oder alternative Ersatzdienste) wieder einzuführen, wenn tatsächlich Wehrgerechtigkeit hergestellt werden kann. Nur dann können Armee und Gesellschaft zusammenwachsen, und nur dann kann ein dauernder Austausch zwischen Armee und Gesellschaft sichergestellt werden.

Das entscheidet sich nicht an schwangerengerechten Panzern oder WLAN in der Kaserne, sondern daran, dass möglichst viele junge Menschen regelrecht hautnah Kontakt mit der Truppe bekommen. Ja, das „Sabbath-Jahr“ hat sich damit erledigt, man zieht zwar immer noch zu Fuß und mit Rucksack quer durch Deutschland (weil die Schützenpanzer kaputt sind), aber man wird dabei angebrüllt und tut nebenbei noch, Obacht, „Dienst fürs Vaterland“. Und der ein oder andere wird herausfinden, was er wirklich will. Oder wirklich nicht will. 

Sicher, der entsetzte Ruf „Huch, man kann doch niemanden zwingen, 12 bis 18 Monate Lebenszeit zu opfern“, hallt laut durch das vornehmlich linke Lager inklusive einiger Libertärer in der FDP, aber doch: Das kann der Staat. Der zwingt seine Bürger ja auch zu Steuern, GEZ, Schulpflicht und einer Vermieterbestätigung bei einer Wohnsitzummeldung. Alles Unsinn, aber wer aus dem Club austreten will, der kann ja nach Nigeria oder Marokko. Da ist staatlicherseits alles etwas entspannter und lockerer und die freuen sich, wenn sie statt Ab- auch mal Zuwanderung haben. Und auch da würden einige der jetzt entsetzt Aufschreienden wertvolle Erfahrungen fürs Leben (in Deutschland) machen. 

Führt die Wehrpflicht wieder ein. Mama kann ja die Soldat*Innen am Wochenende mit dem SUV am Kasernentor abholen.   

Foto: pixabay

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HaJo Wolf / 14.08.2018

Eine Berufsarmee erfordert ein Nationalbewussrsein (man kämpft für SEIN Land) und Die Überzeugung, dass die eigene Nation jedes Opfer wert ist. Nordvietnam hat nicht wegen der besseren Armee den Krieg gewonnen, sondern wegen der tieferen Überzeugung, das Richtige zu tun. Nationalbewusstsein, Nationalstolz und der Wille, für den Erhalt der eigenen Nation, Kultur, Sprache und Mitbürger zu kämpfen, sind aber in Deutschland von linksgrünem Bessermenschengedankengut abgelöst und als “rechts” kategorisiert worden. Statt dessen schickt man die deutschen Soldaten on Konflikte und Krisengegenden, in denen Deutsche Nicht nur nichts zu suchen haben, sondern auch nichts bewirken. Wir brauchen wiede starkes Nationalbewusstsein und Nationalstolz, wenn wir eine verteidigungsfähige Armee wollen. Der Feind steht heute allerdings nicht mehr im Osten oder Westen, sondern zi einem nicht unerheblichen Teil (von Merkel eingeladen) im eigenen Land und in allen islamischen Ländern. Einem Angriff des Islam sind wir seit Jahren bereits schutzlos ausgeliefert. Islamische Horden würden sogar auf Pferden und mit Krummsäbeln die Bundeswehr überrollen, weil dieser die Motivation und der Kampeswille fehlen. Si vis pacem para bellum!

Robert Jankowski / 14.08.2018

Heutzutage wird jede Anweisung sofort auf die Goldwaage gelegt und diskutiert, anstatt einfach mal die Fresse zu halten und zumachen, was einem gesagt wurde. Diese Erfahrung durfte ich mit diversen Studenten machen, die meinten, dass sie klare methodische Ansagen mit mir diskutieren müssten. Nach dem dritten Tag habe ich sie dann vor die Alternative gestellt: entweder macht ihr, was ich sage oder euer gutbezahlter Studijob war einmal. Nebenbei: Zivildienst mit 16 Monaten Multiple Sklerotiker Pflege, Endstadium versteht sich. Ich ärgere mich manchmal, dass ich nicht die leichtere Bundeswehr gewählt habe.

U. Unger / 14.08.2018

Ich schließe mich Ihrer Meinung an, Herr Schneider. Wir alle wünschen Frieden, aber wer Wohlstand hat und behalten will, der muss auch ein wenig dafür tun ihn behalten zu dürfen. Es gibt leider mehr Menschen, als für eine funktionierende friedliche Gesellschaft zuträglich ist, die Regeln nur einhalten, wenn Sie diese nicht sanktionsfrei brechen können. Auch wenn notorisch Schwerkriminelle und Psychopathen nur einen Anteil von 2- 4 % an der Gesellschaft ausmachen, so stellen diese nihilistischen Darwinisten eine ernste innere Gefahr für jedes Gemeinwesen dar. Dazu kommen die Gefahren von außen, dass jemand der keine militärische Macht hat, in der Geschichte stets gelitten hat. Zur militärischen Macht gehört auch, bei Konflikten hoch effizient zivile Dinge weiter zu führen, um den dringenden Nachschub an Ressourcen liefern zu können. Wer in ökonomischen Fragen präzise Antworten findet, der hat genügend Fähigkeiten die meisten militärischen Probleme zu lösen, die da lauten; Nachschub, Nachschub, Nachschub, technische Verbesserungen. Kampfgeschehen findet nur am Rande statt. Nur wer persönlich Wehrhaftigkeit erlernt, hat, der versteht es Gefahren früh zu erkennen, sich selbst zu schützen, sowie diesen Schutz couragiert Anderen zugute kommen zu lassen. Wir reden an allen Ecken des Staatswesens von Vorsorge, dieses Thema wird sträflich vernachlässigt. Eine allgemeine Dienstpflicht, würde wohl die immer wieder von Bundespräsidenten und anderen bezahlten Rednern eingeforderte Zivilcourage am besten fördern.

Jan van Rushyn / 14.08.2018

Vorsicht mit den Beispielen: einen Hof ordentlich zu pflastern erfordert vorab viel Denkarbeit und dann Präzision.

Elmar Schürscheid / 14.08.2018

Ich war auch dabei, und schon damals gab es 18jährige die noch nicht mal ein Bett beziehen konnten, noch nie Schuhe geputzt hatten und vorher auch noch nie einen Putzlappen in der Hand hatten. Auch die Tatsache dass das Essen nicht immer das tollste war lehrt Genügsamkeit. Ich habe trotzdem 15 Kilo zugenommen. Regelmäßiger Sport tut sein übriges. Ich war zwar recht gut zu Fuß als ich zum Bund kam, aber von der dort erhaltenen Fitness habe ich lange gezehrt. Gemeinschaft und Kameradschaft sind dabei auch keine schlechten Erfahrungen. Es würde manch einem verwöhnten Lümmel mal gut tun zu dienen. Zivildienst als Alternative würde viele einfache Tätigkeiten im sozialen Bereich abdecken. Und wenn, dann bitte auch für Frauen, das klappt in den USA, Großbritannien, Israel, und zig anderen Armeen auch. Aber als erstes müsste der Wehretat mal kräftig aufgestockt werden und das Material auf Vordermann gebracht werden. Bis dahin kann ja schon mal mit Panzern aus Pappe geübt werden.

Nico Schmidt / 14.08.2018

Sehr geehrter Herr Schneider, als ehemaliger Zeitsoldat war ich für Abschaffung der Wehrpflicht und eine hochmotivierte und gut ausgerüstete Berufsarmee. Offensichtlich ist dies momentan aber nicht möglich und ich will nicht zu lange an einer falschen Entscheidung festhalten. Da es Bürgerrechte gibt, gibt es auch Bürgerpflichten. Für die jungen Leute, die sich für die Bundeswehr endscheiden, wird dann die Wehrpflicht wieder eingeführt werden und für alle anderen Männlein und Weiblein ein soziales Jahr. Es wird keinem in Deutschland ein Zacken aus der Krone fallen. MfG Nico Schmidt

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