Felix Schnoor, Gastautor / 12.10.2013 / 21:45 / 9 / Seite ausdrucken

Was ist mitfühlender Liberalismus?

Felix Schnoor

Auf einen mitfühlenden Liberalismus möchte der designierte FDP-Vorsitzende Christian Lindner in Zukunft setzen, um seine Partei wieder wettbewerbsfähig zu machen. FDP-Ehrenvorsitzender Genscher gibt ihm Recht: Besonders Rösler hätte im Wahlkampf einen zu kalten Eindruck gemacht.

Das Problem an dieser Analyse: Mitfühlender Liberalismus ist kein Liberalismus. Die Stärke des Liberalismus liegt darin, dass er es eben nicht nötig hat, mitfühlend zu sein. Denn er ermöglicht es jedem Mitglied der Gesellschaft – unabhängig von Herkunft, Religion oder Weltanschauung - erfolgreich zu sein.

Dies ist allerdings nicht zu verwechseln mit Chancengleichheit. Der Ökonom Friedrich August von Hayek dazu: „Wirkliche Chancengleichheit würde [...] verlangen, dass die Gleichheit vor dem Gesetz durchbrochen wird, da die Menschen von der Natur und ihrer Umgebung sehr unterschiedlich ausgestattet werden.” Natürlich hat der Sohn eines erfolgreichen Unternehmers in der Regel bessere Chancen, irgendwann einmal erfolgreich zu sein, als ein Arbeiterkind. Ersterer startet schließlich mit mehr Kapital. Die entscheidene Frage lautet jedoch: Hat das Arbeiterkind in der Welt des Liberalismus schlechtere Chancen, als in einem anderen System? Hat das Arbeiterkind abslolut schlechtere Chancen, weil ein anderes Kind relativ bessere Chancen hat? Die Antwort lautet zweimal ganz klar “nein”. Das Arbeiterkind hätte in der Welt des Liberalismus sogar bessere Chancen, als in unserem jetzigen System. Und zwar gerade, weil der Liberalismus NICHT mitfühlend, sondern neutral ist.

In einem rein marktwirtschaftlichen System muss sich niemand gut stellen mit dem Staat oder mit sonstigen Eliten. Es zählt lediglich die Leistung. In dem Moment, in dem ein Unternehmer darauf verzichtet, den Besten (oder die Beste) einzustellen und stattdessen vielleicht den Sohn eines hochrangigen Politikers einstellt, wäre er gegenüber seinem Konkurrenten im Nachteil und liefe Gefahr, mittel-bis langfristig aus dem Markt verdrängt zu werden.

In einem Mischsystem aus Kampitalismus und Sozialismus (nichts anderes wäre mitfühlender Liberalismus), kommt es viel mehr darauf an, die richtigen Leute zu kennen. Und die besseren Kontakte hat meistens, wenn nicht sogar immer, der Unternehmersohn.
In einem solchen Mischsystem geht es um die Vergabe von Subventionen, um das Kreieren von Steuerschlupflöchern und Regulierungen. Letztere helfen grundsätzlich eher den großen Konzernen, als den kleinen und werden häufig von den großen Wirtschaftsverbänden ausgearbeitet, um sie dann von der Politik unter dem Label “dem Allgemeinwohl dienend” in Gesetze umzuwandeln.

Poltiker haben nicht die Aufgabe mitfühlend zu sein, da Mitgefühl immer willkürlich und subjektiv ist. Staatliches Mitgefühl ist nicht vereinbar mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.

Mitgefühl sollte im Rahmen der Familie, der Nachbarschaft und der Freundschaft gelebt werden, da es etwas persönliches ist. Wer Mitgefühl verstaatlichen will, pervertiert nicht nur diesen Begriff, sondern ist auch ein Sozialist. Und wer diesen Vorgang dann auch noch Liberalismus nennt, ist entweder ein Dummkopf oder er versucht die Menschen gezielt zu manipulieren. Ganz sicher ist so ein Mensch kein Liberaler. Und ganz sicher würde dieses Verständnis von Liberalismus die FDP noch überflüssiger machen, als sie es momentan ohnehin schon ist.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Jan Korbelik / 12.10.2013

Danke, Felix, auf den Punkt gebracht. Und FDP hat’s nicht verinnerlicht - sic transit gloria FDPendi :D

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Felix Schnoor, Gastautor / 06.11.2020 / 12:00 / 39

Wie Achgut.com das US-Briefwahl-Desaster voraussah

Dieser Beitrag erschien auf Achgut.com zum ersten Mal am 8. August 2020. Und er zeichnet das Szenario der US-Wahl, vor dem wir heute stehen, exakt…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 18.08.2020 / 12:00 / 44

Worum geht’s eigentlich bei der US-Briefwahl?

„Es ist keine Lüge, wenn man selbst dran glaubt“ – das war das Lebensmotto George Costanzas aus der Sitcom Seinfeld. Er war ein Meister des…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 14.03.2020 / 06:05 / 76

Coronavirus: Beten mit Scholz

Von Felix Schnoor. „Regierung sagt unbegrenzte Kredite zu“, so liest man aktuell auf allen Nachrichtenportalen. Es geht um die Bundesregierung und die Sprache, die diese…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 18.01.2015 / 10:06 / 3

Der Euro auf dem Weg zur Ramschwährung

Von Felix Schnoor Die schweizer Nationalbank gibt auf. Sie wird den seit über drei Jahren vorhandenen Mindestkurs von 1,20 CHF gegenüber dem Euro nicht weiter…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 22.09.2014 / 08:56 / 13

Der Untergang des Wischiwaschi-Liberalismus

Felix Schnoor Eine Woche ist es nun her, da verteilten die Wähler die nächsten beiden Ohrfeigen an die FDP. Selbst, wenn man die beiden Wahlergebnisse…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 03.08.2014 / 09:10 / 2

Judenrein und dennoch besetzt

Felix Schnoor In der Aktuellen Stunde des WDR wurde am 1. August über den Krieg im Nahen Osten zwischen Israel und der Hamas berichtet. Zunächst…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 12.06.2014 / 14:42 / 11

Taxistreik: Konkurrenz unerwünscht

Felix Schnoor Demonstrationen und Streiks in Berlin, London, Paris und vielen anderen Metropolen Europas und der Welt – die Furcht der Taxifahrer -und unternehmer vor…/ mehr

Felix Schnoor, Gastautor / 11.12.2013 / 15:03 / 1

Verzockt!

Felix Schnoor 168 Millionen Euro an Steuergeldern hat das Land Nordrhein-Westfalen mit griechischen Staatsanleihen verzockt, berichtet der Kölner Stadtanzeiger.  Mit diesem Geld sollten eigentlich spätere…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com