Felix Schnoor
Auf einen mitfühlenden Liberalismus möchte der designierte FDP-Vorsitzende Christian Lindner in Zukunft setzen, um seine Partei wieder wettbewerbsfähig zu machen. FDP-Ehrenvorsitzender Genscher gibt ihm Recht: Besonders Rösler hätte im Wahlkampf einen zu kalten Eindruck gemacht.
Das Problem an dieser Analyse: Mitfühlender Liberalismus ist kein Liberalismus. Die Stärke des Liberalismus liegt darin, dass er es eben nicht nötig hat, mitfühlend zu sein. Denn er ermöglicht es jedem Mitglied der Gesellschaft – unabhängig von Herkunft, Religion oder Weltanschauung - erfolgreich zu sein.
Dies ist allerdings nicht zu verwechseln mit Chancengleichheit. Der Ökonom Friedrich August von Hayek dazu: „Wirkliche Chancengleichheit würde [...] verlangen, dass die Gleichheit vor dem Gesetz durchbrochen wird, da die Menschen von der Natur und ihrer Umgebung sehr unterschiedlich ausgestattet werden.” Natürlich hat der Sohn eines erfolgreichen Unternehmers in der Regel bessere Chancen, irgendwann einmal erfolgreich zu sein, als ein Arbeiterkind. Ersterer startet schließlich mit mehr Kapital. Die entscheidene Frage lautet jedoch: Hat das Arbeiterkind in der Welt des Liberalismus schlechtere Chancen, als in einem anderen System? Hat das Arbeiterkind abslolut schlechtere Chancen, weil ein anderes Kind relativ bessere Chancen hat? Die Antwort lautet zweimal ganz klar “nein”. Das Arbeiterkind hätte in der Welt des Liberalismus sogar bessere Chancen, als in unserem jetzigen System. Und zwar gerade, weil der Liberalismus NICHT mitfühlend, sondern neutral ist.
In einem rein marktwirtschaftlichen System muss sich niemand gut stellen mit dem Staat oder mit sonstigen Eliten. Es zählt lediglich die Leistung. In dem Moment, in dem ein Unternehmer darauf verzichtet, den Besten (oder die Beste) einzustellen und stattdessen vielleicht den Sohn eines hochrangigen Politikers einstellt, wäre er gegenüber seinem Konkurrenten im Nachteil und liefe Gefahr, mittel-bis langfristig aus dem Markt verdrängt zu werden.
In einem Mischsystem aus Kampitalismus und Sozialismus (nichts anderes wäre mitfühlender Liberalismus), kommt es viel mehr darauf an, die richtigen Leute zu kennen. Und die besseren Kontakte hat meistens, wenn nicht sogar immer, der Unternehmersohn.
In einem solchen Mischsystem geht es um die Vergabe von Subventionen, um das Kreieren von Steuerschlupflöchern und Regulierungen. Letztere helfen grundsätzlich eher den großen Konzernen, als den kleinen und werden häufig von den großen Wirtschaftsverbänden ausgearbeitet, um sie dann von der Politik unter dem Label “dem Allgemeinwohl dienend” in Gesetze umzuwandeln.
Poltiker haben nicht die Aufgabe mitfühlend zu sein, da Mitgefühl immer willkürlich und subjektiv ist. Staatliches Mitgefühl ist nicht vereinbar mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Mitgefühl sollte im Rahmen der Familie, der Nachbarschaft und der Freundschaft gelebt werden, da es etwas persönliches ist. Wer Mitgefühl verstaatlichen will, pervertiert nicht nur diesen Begriff, sondern ist auch ein Sozialist. Und wer diesen Vorgang dann auch noch Liberalismus nennt, ist entweder ein Dummkopf oder er versucht die Menschen gezielt zu manipulieren. Ganz sicher ist so ein Mensch kein Liberaler. Und ganz sicher würde dieses Verständnis von Liberalismus die FDP noch überflüssiger machen, als sie es momentan ohnehin schon ist.