Thilo Sarrazin / 22.06.2023 / 10:00 / Foto: Blu-news.org / 159 / Seite ausdrucken

Warum die AfD im Aufwind ist

Der SPD hat es offenbar nicht geholfen, dass sie sich im Sommer 2020 vom Migrations- und Islamkritiker Thilo Sarrazin getrennt hat. Er hatte immerhin ein Konzept.

Grundsätzlich habe ich Sympathien für eine konservative Partei, die fest in der Demokratie verankert ist, aber Fragen von Identität und Tradition wichtig nimmt und sich deshalb auch gegenüber ungeregelter Einwanderung kritisch verhält. Wäre ich Schweizer Staatsbürger, so würde für mich die SVP jederzeit zu den wählbaren Parteien gehören.

Gründung und Aufstieg der AfD in Deutschland hatte ich zunächst mit einigen Hoffnungen verbunden. Unter der Parteivorsitzenden Angela Merkel gelang es nämlich der Union immer weniger, auch das konservative Potenzial der Wählerschaft ausreichend anzusprechen, und auch die SPD entfremdete sich immer mehr vom wertkonservativen Teil ihrer Wählerschaft.

Leider hat sich die innere Entwicklung der AfD seit ihrer Gründung von den ursprünglichen Intentionen der Gründergeneration deutlich entfernt. Deshalb haben sich Persönlichkeiten wie Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, Joachim Starbatty, Frauke Petry oder Jörg Meuthen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unter Protest von der AfD gelöst. Der Verfassungsschutz beklagt eine Radikalisierung der Partei. Auf mich wirkte in den letzten Jahren besonders der Flirt mit "Impfskeptikern", "Coronaleugnern" und "Putin-Verstehern" befremdlich bis abstoßend. Auch ist es aus meiner Sicht gefährlich, wenn man demokratische Prozeduren und Institutionen generell verächtlich macht. 

Trotz dieser problematischen Aspekte hat die AfD seit der Bundestagswahl im September 2021, bei der sie mit 10,3 Prozent abschnitt, in den Umfragen einen stetigen Aufstieg genommen. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend lag sie bei 18 Prozent, damit erstmals gleichauf mit der SPD und deutlich vor den Grünen. Die Ampel-Koalition brachte es nur noch auf einen kombinierten Stimmenanteil von 40 Prozent und wäre damit weit entfernt von einer parlamentarischen Mehrheit. 

Die offene Flanke der etablierten Politik

Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme, die sicherlich auch geprägt wurde von der Kakophonie rund um die Heizungspläne des grünen Wirtschaftsministers. Aber man muss dabei stets im Hinterkopf behalten, dass rund 25 Prozent der Wähler sich grundsätzlich vorstellen könnten, AfD zu wählen. Bei den Motiven der AfD-Wähler spielen Klimapolitik und Wirtschaftslage eine wesentliche Rolle. Weit an der Spitze steht aber für 68 Prozent der AfD-Wähler die Unzufriedenheit mit der Zuwanderung und der Migrationspolitik, und hier ist auch die eigentlich offene Flanke der etablierten Politik in Deutschland: 

Die deutsche Wirtschaft geht gegenwärtig durch ein Konjunkturtal, aber sie wird sich irgendwann vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 auch wieder besser entwickeln. Die grün-rot-gelbe Klima- und Energiepolitik mag falsch sein, aber sie folgt immerhin einem Konzept, und dem Ärger über radikale Heizungspläne kann man durch volksnahe Kompromisse leicht die Spitze nehmen.

In der Migrations- und Zuwanderungsfrage steht dagegen der etablierten Politik ihre eigene Ideenlosigkeit, ihre Verdrängung der Wirklichkeit und ihre Angst vor Entscheidungen im Wege. Dabei sitzt leider die CDU/CSU als größte Oppositionspartei aufgrund ihrer Ängstlichkeit und Konzeptionslosigkeit mit im Regierungsboot. Deshalb ist sie auch bei allen Umfragen im 30-Prozent-Turm eingesperrt. Die Linkspartei wiederum ist durch Sahra Wagenknecht, die in Migrationsfragen eher AfD-Positionen vertritt, so tief gespalten, dass sie gegenwärtig wohl nicht mehr in den Bundestag käme. 

Sarrazin hatte ein Konzept

Der SPD hat es bei der Wählerzustimmung offenbar nicht geholfen, dass sie sich im Sommer 2020 vom Migrations- und Islamkritiker Thilo Sarrazin getrennt hat. Ich hatte immerhin ein Konzept. Die Fragen, die ich ansprach, und die Vorschläge, die ich machte, werden bis heute in der etablierten Politik nicht diskutiert. Aber sie werden allesamt auf den Tisch kommen, wenn mit einer Reform der Asyl- und Migrationspolitik wirklich ernst gemacht wird.

Das geht nur mit einer in der Europäischen Union abgestimmten Politik, die unerwünschte und ungeregelte Zuwanderung wirksam beschränkt und die Gewährung von Asyl nur noch für das klassische politische Asyl zulässt. Dabei sind zahlreiche schwierige Fragen zu lösen, z.B. wie man illegale Einwanderer, denen kein Asylanspruch zuerkannt wurde, wieder in ihre Herkunftsländer zurückführen kann bzw. wie man verhindern kann, dass sie überhaupt erst einreisen.

In allen ostdeutschen Ländern ist die AfD mittlerweile die stärkste oder zweitstärkste Partei. Deshalb ist es kein Zufall, dass der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) jüngst gefordert hat, Deutschland solle die Einreisen von Asylbewerbern künftig auf 200.000 jährlich begrenzen. Maßnahmen, die in diese Richtung führen, hat er nicht vorgeschlagen. Dazu möchte er eine Kommission einrichten, deren Mandat auch Vorschläge zu Gesetzesänderungen einschließlich einer Änderung des Grundgesetzes umfassen solle. Eigene Vorschläge hat der sächsische Ministerpräsident also nicht. Er folgt der alten Regel „Wenn ich nicht mehr weiter weiss, gründ´ ich einen Arbeitskreis“. Das wird weder in der Sache noch politisch reichen. Weiterhin wartet Deutschland in der Migrationspolitik auf handlungsstarke Politiker, die ein realistisches Konzept haben und dieses auch durchsetzen.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: Blu-news.org CC BY-SA 2.0, Link">via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dirk Ahlbrecht / 22.06.2023

Wie man angesichts einer stetig steigenden Übersterblichkeit (35.641 Sterbefälle mehr in D per Stichtag zum 11.06.2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2016 bis 2019 - und 7.646 Sterbefälle mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres) in seinem Beitrag von sog. Impfskeptikern daherredet, bleibt rätselhaft. Mit den Etatisten ist es halt wie mit allen Ideologen: Der Angebetete (wie in diesem Fall) kann selbst damit beginnen die eigenen Leute zu vergiften - man hält auch weiterhin in Treue fest zu ihm…

Franz Klar / 22.06.2023

@Gunter Frank : “Sie offenbaren diesbezüglich die gleiche Realitätsverleugnung, die sie zu recht den Einwanderungsideologen vorwerfen” .  2020 gab es trotz >Killervariante<  und noch ohne >rettende Schutzimpfung<  kaum Übersterblichkeit , danach trotz >hochwirksamer Vakzine< und >milder Omikronvariante<  steigende Sterbezahlen ... wenn ein ehemaliger Tabellenfresser noch Jahre später so schräg liegt , stellen sich doch auch medizinische Fragen ...  Kann es sich hier um Impfnebenwirkungen handeln ?

Josef Gärtner / 22.06.2023

Soso,  auf Herrn Sarrazin wirkt es also"befremdlich bis abstoßend”, wenn eine Partei, also hier die AfD, sich um Volksgesundheit und Grundrechte Gedanken macht, und dabei zu Auffassungen kommt, die außerhalb SEINES “Meinungskorridors” liegen. Nun, - eine derartige überhebliche und undemokratische Sichtweise wie von Ihnen hier Herr Sarrazin, die finde ich nun wieder abstoßend bis ekel erregend! Und Ihr Vorwurf, die AfD hätte “demokratische Prozeduren und Institutionen generell verächtlich gemacht”, da hätte ich mal gerne konkrete Fakten. Meine Wahrnehmung ist eine andere.  Da waren und sind es die sogenannten etablierten Parteien, die sich hier speziell im Bundestag daneben benommen haben. Sei es, dass sie mit langjährigen Gebräuchen gebrochen haben zur Ausgrenzung und Verunglimpfung einer gegnerischen Partei , wie bei Wahl zum BT-Vizepräsidenten, albernes Gebrüll,  Reaktionen auf den Wunsch zur Zwischenfrage (“Nein! Bei ihnen lasse ich die nicht zu!”), oder bewusstes Zurschaustellen von Desinteresse. Hab ich die Tage noch gesehen bei einer Rede einer AfD-Abgeordneten! Die Kamera zeigte uns dabei 4 weibl. Abgeordnete im Plenum. Zwei unterhielten sich angeregt wie auf einem Marktplatz, Eine las ein Buch, und die vierte schien zu schlafen. Wenn ich als Bürger und Wähler ein derartiges Verhalten von diesen, sorry “Tussies” sehe, - und es ging immerhin um das Thema Altersarmut, da kann ich wirklich nicht mehr an eine funktionierende Demokratie glauben. So ein Verhalten macht diese Institution erheblich mehr verächtlich als jede noch so polemische Äußerung.

R.Camper / 22.06.2023

Meine Antwort voriges Jahr, auf einen Beitrag von Herrn Sarrazin, wurde nicht veröffentlicht, vielleicht sogar zu Recht. Ich hatte etwa geschrieben, dass man merkt aus welchem Stall ( SPD) Herr Sarrazin kommt, und ob eventuell in der “Achse” demnächst auch Beiträge von J. Wissler oder R. Lang zu lesen sein werden. OK, ich hatte damit gerechnet, dass es nicht veröffentlicht wird, sorry war wirklich ein bisschen übertrieben. Allerdings hat der Autor, außer in der Zuwanderpolitik, oft eine gegenteilige Meinung zu den meisten “Achse” Beiträgen, oder eben zu den “Achse” Lesern, wie aus den heutigen Kommentaren auch zu entnehmen ist.

Michael Hinz / 22.06.2023

Mein Großvater sagte - damals gab es noch keine Grünen - #Die Espede ist die gefährlichste Partei.#

T. Schneegaß / 22.06.2023

Heute auf Freie Welt: Lauterbach, SPD, begrüßt den Vorschlag, die AfD zu verbieten, bevor diese, wie weiland die NSDAP, die SPD verbietet. Die SPD (ich verallgemeinere jetzt genau so, wie man mit der AfD verfährt) spricht sich also dafür aus, bereits in der Gegenwart DIE politischen Methoden der NSDAP zu kopieren, die sie böswillig und anlasslos in Zukunft der AfD einfach unterstellt. Selbsentlarvender, wer hier und heute in faschistischer Tradition “demokratische Prozeduren und Institutionen generell verächtlich macht”, geht es wohl kaum. Herr Sarrazin, ich hatte mal große Achtung vor Ihnen.

Ilona Grimm / 22.06.2023

@D.Katz: >>Auf mich wirkte in den letzten Jahren besonders der Flirt mit „Impfskeptikern“,  “Coronaleugnern“ und „Putin-Verstehern“ befremdlich bis abstoßend. << Und Tschüss. - - Ging mir genauso; habe ich ja auch geschrieben. Bei der Gelegenheit: Gestern habe ich mich im Adressaten geirrt (die Erderhitzung ist schuld); angesprochen war Andrea Nöth (an Sie), die sich geärgert hat, weil ich ihr mit meinem „Bibelkram“ (den Sie „religiotischen Kram“ nennen) den Spaß am Thema vermeintlich vorsätzlich verhunzt habe, um mir Bonususpunkte fürs Paradies zu erwerben. (Ich gehöre nicht zu den Zeugen Jehovas!) Danke, dass Sie mir bescheinigen, die Tassen noch im Schrank zu haben. Ja, ich bin intelligent genug bin, in den Himmel kommen zu wollen, um mein ewiges Leben nicht in ewiger Qual im feurigen Pfuhl verbringen zu wollen - UND weil ich mich nicht mein Leben lang vor dem Tod fürchten wollte/will.  Geist und Bewusstsein leben auch nach unserem letzten Schnauferer weiter – ob Sie das glauben oder nicht. - Offb 20,15: →Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.← Können Sie durch handfeste Indizien belegen, dass Gott „Schwindel“ ist? Das ist nur Ihr ganz persönlicher GLAUBE! Haben Sie jemals die Bibel gelesen mit dem Ziel, sie verstehen zu wollen? (Wer will, versteht auch!) Haben Sie jemals apologetische Bücher gelesen oder nur die aggressiven der üblichen Christusfeinde? Ernsthafte Christen (die „Wiedergeborenen“ ≠ EKD/Kirchentag) können Ihnen zahllose Indizien dafür nennen, dass Gott kein „Schwindel“ ist. Die Wahrheit werden Sie eines Tages erfahren. Das kann ich Ihnen versprechen, ohne mich damit zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Wollen wir uns mal ernsthaft über das Thema unterhalten? Über ig-dug [at] pm.me können Sie mich erreichen. - - Egalement sans rancune!

Walter Gustav / 22.06.2023

@. Schneegaß / 22.06.2023. Das ist, wenn überhaupt möglich, mehr als richtig, klug und vernünftig. Was sagt uns das über die Mitbürger. Genau. @Paul Ehrlich. Ne, so einfach isses nicht. Sie denken doch wohl nicht 80% schreien Hurra. Aber fragen sie mich nicht nach den Gründen. Mal Kant fragen..

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Sarrazin / 18.03.2024 / 06:15 / 121

Abstieg im Land der Tüftler und Denker

2010 hatte ich in „Deutschland schafft sich ab“ die Fortsetzung des Verfalls der Bildungsleistung prognostiziert. Es kam tatsächlich noch schlimmer. Vor einigen Tagen stieg ich…/ mehr

Thilo Sarrazin / 03.02.2024 / 06:15 / 102

Das Landhaus des Bösen

Nicht immer schärfere Töne gegen die AfD helfen der Demokratie, sondern mehr Erfolge bei dem Thema, das sie groß gemacht hat: Kontrolle der Grenzen und…/ mehr

Thilo Sarrazin / 08.01.2024 / 12:00 / 93

Die SPD im Panik-Modus

Mit der SPD geht es abwärts. Bundesweit liegt sie bei 14 bis 15 Prozent, in den Ost-Ländern noch tiefer, in Sachsen ist sie auf drei…/ mehr

Thilo Sarrazin / 12.12.2023 / 10:00 / 55

Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit

Das Bundesverfassungsgericht hat es der Ampel-Regierung untersagt, die nicht verbrauchten Kreditermächtigungen des Corona-Hilfsfonds auf den Fonds für Energieversorgung und Klimaschutz zu übertragen. Das kann das…/ mehr

Thilo Sarrazin / 09.11.2023 / 06:15 / 72

Die deutsche Staatsraison droht leerzulaufen

13 Jahre nach „Deutschland schafft sich ab“ übersteigt die anhaltend hohe Einwanderung aus der islamischen Welt meine Prognosen von damals bei Weitem. Die daraus erwachsenden Probleme dominieren…/ mehr

Thilo Sarrazin / 26.10.2023 / 12:00 / 102

Die Angst der CDU vor der AfD

Die deutsche Politik ist gegenwärtig weit davon entfernt, sich mit der Problematik des ungebremsten Zustroms über offene Grenzen ernsthaft auseinanderzusetzen. Schon das öffentliche Nachdenken über…/ mehr

Thilo Sarrazin / 11.07.2023 / 06:00 / 154

Migration um jeden Preis

Der Bundesrepublik fehlen Facharbeiter. Deswegen brauchen wir Zuwanderung. Dass die meisten Migranten, die in Deutschland ankommen, weder eine abgeschlossene Schul- noch eine Berufsausbildung haben, müsste…/ mehr

Thilo Sarrazin / 19.05.2023 / 06:15 / 116

Im Land der Tüftler und Denker geht es bergab

Auf die Bildung kommt es an. Ja! Aber das Bildungsniveau sinkt, und die Zahl der Kinder, die Probleme mit Lesen, Schreiben und Rechnen haben, steigt.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com