Anabel Schunke / 13.07.2019 / 06:20 / Foto: Achgut.com / 59 / Seite ausdrucken

Warum der Bürger nicht mehr an Gerechtigkeit glaubt

Ali B. ist verurteilt. Der Mörder der 14-Jährigen Susanna Feldmann bekam die Höchststrafe. Das Gericht erkannte darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld an. Eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ist demnach ausgeschlossen. Zudem erklärte die Kammer den Vorbehalt der Sicherheitsverwahrung. Sollte es für B. nach der Haft keine positive Prognose geben, bleibt er weggesperrt. 

Als Außenstehender könnte man jetzt so etwas wie Genugtuung empfinden. Der Rechtsstaat hat in diesem Fall – wie sonst so oft gefordert – seine volle Härte gezeigt. Aber genauso wenig wie Susannas Mutter Genugtuung oder so etwas wie Gerechtigkeit empfinden kann, kann es der Zuschauer von außen. Weder erweckt das Urteil Susanna wieder zum Leben, noch kann es darüber hinwegtäuschen, dass vorherige Fehler diese Tat erst ermöglichten. Der Fall Ali B. beginnt nicht mit dem Mord an Susanna und kann somit auch nicht mit einem Urteilsspruch enden. 

Bereits in einem früheren Text zum Thema verwies ich auf den Umstand, dass der Mord an Susanna Feldmann zu verhindern gewesen sei, wenn Ali B.s Abschiebebescheid nicht zweieinhalb Jahre auf einem Behördenschreibtisch vor sich hin gerottet wäre. Den Umstand, dass er nach geltendem Recht gar keinen Asylantrag in Deutschland hätte stellen dürfen, kann man erwähnen, das ist nach nun fast vier Jahren des andauernden Rechtsbruches jedoch müßig.

Ali B. hätte nicht auf freiem Fuß sein dürfen

Dass in Bezug auf Asyl und Einwanderung mittlerweile weitgehend eine, von großen Teilen der Bevölkerung zumindest akzeptierte, wenn nicht sogar begrüßte Anarchie in Deutschland vorherrscht, kann jedoch nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass der Rechtsstaat auch fernab des Asylrechts in weiten Teilen nicht mehr funktionsfähig ist. Hierfür spielt es in der Tat keine Rolle, ob Ali B. Ausländer oder Deutscher ist. Ob er nach geltendem Recht hier sein dürfte oder nicht. Gemessen an seinen Straftaten hätte er bei einem funktionierenden Rechtsstaat zum Zeitpunkt von Susannas Ermordung nicht auf freiem Fuß sein dürfen. Zwei Verfahren gegen B. wurden aus Mangel an Beweisen eingestellt. Zwei Verfahren liefen zum Zeitpunkt der Ermordung von Susanna noch. Darunter eines wegen des Vorwurfs eines bewaffneten Raubüberfalls und eines wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Bereits 2018 soll B. darüber hinaus ein erst 11-jähriges Mädchen in einer Asylbewerberunterkunft vergewaltigt haben. Belastbare Hinweise ließen sich angeblich nicht finden. 

Dass Delikte unterhalb von Mord und Totschlag in Deutschland immer häufiger nicht mehr mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt werden, ist ein Umstand, auf den Richter und Oberstaatsanwälte seit Jahren immer wieder hinweisen. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, beschrieb diesen Umstand in seinem Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“. Markus Lanz diskutierte jüngst mit dem Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel über den Personalmangel und die damit einhergehende Überlastung der Justiz. Der Tenor ist bei beiden derselbe: Während Ordnungswidrigkeiten wie Bußgelder aufgrund automatisierter, unkomplizierter Verfahren verfolgt werden und man sich zumindest auch bei Mord angesichts der Schwere der Tat bemüht, die Taten angemessen und mit nicht allzu großer zeitlicher Distanz zu ahnden, fallen andere Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung und Co. aufgrund fehlender Kapazitäten zunehmend hinten herunter. Und selbst bei Totschlag oder Pädophilie werden mutmaßliche Täter mittlerweile wieder auf freien Fuß gesetzt, wenn die Verfahrensdauer die gesetzlich vorgegebene Grenze übersteigt.

Für jeden Einzelnen, der zum Beispiel einen Fahrraddiebstahl oder eine Körperverletzung zur Anzeige bringt, bedeutet das angesichts der zunehmenden Sinnlosigkeit solcher Anzeigen eine immense Frustration, die oftmals mit einem wachsenden Vertrauensverlust in den Rechtsstaat einhergeht. Im Prinzip weiß der Bürger, dass er sich das Ganze auch schenken kann. Zeitgleich liest er in der Zeitung oder online von Intensivtätern, die nach Taten wie Vergewaltigungen oder schweren Körperverletzungen zunächst wieder freigelassen werden. Während er brav seine Knöllchen bezahlt, verticken Dealer im Görlitzer Park weitgehend unbehelligt Drogen. 

Die Freiheit genutzt, um die nächste Tat zu begehen

Für Mordopfer wie Susanna Feldmann und ihre Familie geht eine solche Nachlässigkeit des Rechtsstaates jedoch weit über das Level der Frustration hinaus. Für sie bedeutete die Nachlässigkeit in Bezug auf den Kriminellen Ali B. letztlich den Verlust des eigenes Lebens beziehungsweise den Verlust eines geliebten Menschen. Selbst wenn man mit der Kanzlerin konform geht und behauptet, Grenzen seien nicht zu schützen und Einwanderung demnach nicht zu kontrollieren, kommt man nicht umhin, zu konstatieren, dass der Mord an Susanna zu verhindern gewesen wäre, wenn Kriminalität unterhalb von Mord noch angemessen und schnell geahndet werden würde.

Das Problem ist nicht, dass die Gesetze nicht da sind, sondern dass Verfahren aufgrund von Überlastung vorschnell eingestellt werden und Täter Bewährung bekommen, wo es eigentlich längst Knast geben sollte. Ali B. hat seine Freiheit genutzt, um Susanna zu töten. Der im Fall des totgeschlagenen Schülers Niklas freigesprochene Walid S., um dem nächsten Opfer gegen den Kopf zu treten und seinen Tod billigend in Kauf zu nehmen. Diese Taten stehen am Ende und nicht am Anfang einer langen Karriere als Straftäter. Ihre Verurteilung wiegt nicht auf, was zuvor versäumt wurde. Ihre Verurteilung bringt keine Gerechtigkeit mehr.

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Ilona G. Grimm / 13.07.2019

Sollten wir uns nicht endlich auch mal gelbe Westen besorgen statt nur ins immer gleiche Lamento mit geringfügigen Variationen einzustimmen?? Meinetwegen auch schwarz-weiß karierte oder gestreifte Westen, jedenfalls als Protestwesten erkennbar.

Richard Loewe / 13.07.2019

Ich erinnere mich an einen anderen islamischen Moerder und Vergewaltiger in Freiburg. Dem haben die Eltern vergeben. Das sind merkelsche Helden: die eigene Tochter wird bestialisch ermordet und man foerdert (mit Geldspenden!) den Import weiterer Vergewaltiger und Moerder. Gerechtigkeit wird nur noch als Hinnehmen verstanden. Dass ohne Strafe Gerechtigkeit als Konzept sinnlos ist, verstehen die Menschen nicht mehr. Die Ladenburgers standen unter Schock, aber 87% der Waehler haben diese Ausrede nicht.

marie witte / 13.07.2019

Die Erodierung der rechtlichen Ordnung des Gemeinwesens nimmt immer mehr an Geschwindigkeit zu. Das Resultat wird eine Zerstörung eines funktionierenden Staatsgebildes sein. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als dass es sich um eine gezielte destruktive Massnahme handelt, deren tiefere Intention den meisten Bürgern zumindest bisher verborgen bleibt. Als absehbare Konsequenz dieser Entwicklung ist der Bürgerkrieg oder ein vergleichbarer Zustand zu befürchten. Es zeichnet sich mir ein trauriges Bild für die Zukunft der jungen Generation. Bei denen, die diese fatale Entwicklung herbeigeführt bzw.  (mit)zu verantworten haben oder sich vielleicht -?- externen Einflüssen nicht entziehen konnten-?-, wäre das Auftreten dissoziativer Störungen nicht wunderlich. Auch unbeherrschbare Körperreaktionen , wie sie bei hochrangigen Persönlichkeiten der Politik zu verzeichnen sind, können in diese Kategorie gehören…???...Dieser Assoziation kann man sich schwer entziehen.

herbert binder / 13.07.2019

Richtiggehend typisch für unsere deutsche Justiz. Auf der einen Seite (vermeintliche?) Schlafmützigkeit, soll heißen, man greift, mehr oder weniger absichtsvoll, gar nicht erst ein (Stichwort: Personalmangel - ob echt oder nur vorgeschoben, sei dahingestellt), läßt Termine verstreichen, oder im Kittchen ist kein Zimmer frei u.ä. Bagatellen. Andererseits wird, wie bei unserem Protagonisten, dem Delinquenten die ganze Prächtigkeit eines Richtergebisses gezeigt (vulgo: die Zähne). So ein armer Kerl, war wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Deshalb, und irgendwie instinktgeleitet, vermag ich an Ihrem “bleibt weggesperrt”, (das klingt fast schon triumphierend)...na ja,...allein mir fehlt der Glaube. Man sollte bekanntermaßen eine Flinte nicht, vor allen Dingen nicht zu früh, ins Korn werfen. Irgendein Rabatt muß doch in unserer opferverachtenden (Opfer - was soll das überhaupt sein?) juristischen Gemengelage noch rauszuschlagen sein. Vor allem mit fähigeren, natürlich steuergestützten Anwälten. [Mir zerreißt es das Herz]

Frank Dom / 13.07.2019

M. E. müsste sich jeder Migrations-Entrepreneur vor Gericht wegen Beihilfe zu den einzelfälligen Straftaten verantworten, allen voran Frau Dr. Merkel.

Christina S. Richter / 13.07.2019

Liebe Frau Schunke, Ihr Artikel ist mal wieder ein Volltreffer, danke - auch die zahlreichen Kommentare hierzu seitens der AchseGemeinde. Grandios und unheimlich passend zur politischen Lobby hierzulande unlängst bei Tichy die Karrikatur des BP in Kaisergestalt. Wir persönlich führen seit 14 Jahren - obwohl die Rechtslage klar ist - einen Rechtsstreit mit politischem Hintergrund. Aufgrund gesundheitlicher+finanzieller Einbußen haben wir uns seit längerem zum Aussitzen entschieden. Das Sprichwort: “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus” in diesem seit Jahren verfilzten Rechtssystem aktueller denn je. Auf allen Ebenen DDR 2.0 live…traurig aber wahr. Als Einzelner ist man machtlos.

Jürgen Albrink / 13.07.2019

“Im Prinzip weiß der Bürger, dass er sich das Ganze auch schenken kann.” Und dann tritt der Innenminister wieder vor die Presse um die neue PKS vorzustellen mit der Erfolgsmeldung, dass doch die Kriminalität weiter zurück gegangen wäre. Und die rot/grünen lästern über den “Normalbürger” der den Rückgang nicht nachvollziehen kann. Macht er doch im Alltag im Umgang vor allem im täglichen Umgang mit Migranten andere Erfahrungen. Das sind aber Dinge die nicht zur Anzeige gebracht werden und somit in keiner Statistik auftauchen.

Heinz Becker / 13.07.2019

1. Mythos Rechtsstaat: Der gemeine, schon laenger hier lebende Buerger meint, der Rechtsstaat haette als vornehmste Aufgabe die Schaffung von Gerechtigkeit. Dem ist in der Rechtstheorie mitnichten so. Vereinfacht qualifiziert ein System als Rechtsstaat das Vorhandensein von Ressourcen und gesetzlichen Regularien, die es dem Rechtssubjekt THEORETISCH ERMOEGLICHEN, seine rechtlichen Interessen zu wahren. Nach dieser Definition sind natuerlich viele Staatengebilde der Vergangenheit und Gegenwart als Rechtsstaat zu definieren. In der BRD der Merkel-Zeit ist das Rechtssystem ueberwiegend auf Interessensicherung der Rechtsbrecher ausgerichtet. Unabhaengig davon ist der Begriff der Gerechtigkeit sehr subjektiv gepraegt. 2. Exkurs: Staatsrechtliche Definition eines Staates: Hier sind drei Aspekte massgebend, die saemtlich, also kumulativ vorhanden sein muessen, um in diesem Sinne von einem Staat sprechen zu koennen: Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsautoritaet. Kurz gesagt geht es bei Volk und Staat um klar abgrenzbare Begriffe, die nicht voelliger Beliebigkeit unterworfen sein koennen, sowie bei der Staatsautoritaet nicht nur um deren theoretisches Vorhandensein, sondern auch deren reale Umsetzung. Der Leser mag fuer sich entscheiden, was hiervon fuer die BRD - noch - zutrifft. Die o.a. 3-Elemente-Lehre von Jellinek ist allgemein anerkannt und bedingt bei Wegfall eines dieser drei konstituierenden Elemente den Untergang des betreffenden Staates als eigenstaendiges voelkerrechtliches Subjekt. 3. Mythos Ueberlastung der Justiz: Der Volljurist mit Praedikatsexamen - also das, was Maas und Kahrs zB. nicht geschafft haben -  verzichtet mit seinem Eintritt in den Staatsdienst auf lukrativere Verdienstmoeglichkeiten in der freien Wirtschaft. Dies muss durch privilegierte Arbeitszeitgestaltung ausgeglichen werden. Praxistipp: Versuchen Sie einmal, einen Richter oder Staatsanwalt vor 9 und nach 13 Uhr im Buero zu erreichen - viel Spass.

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