Herbert Ammon, Gastautor / 07.09.2021 / 14:00 / Foto: Pixabay / 68 / Seite ausdrucken

Wahlomat: Grün gefärbtes Ratespiel

Der von der Bundeszentrale für politische Bildung konstruierte Wahl-O-Mat soll zur „Orientierung“ dienen. Tatsächlich läuft er nach einem grünen Programm ab.

Es hat den Anschein, der von wochenlanger Langeweile bestimmte Wahlkampf nehme in der letzten Phase vor dem 26. September doch noch an Spannung zu. Die SPD darf sich Hoffnungen auf die Regierungsübernahme mit Olaf Scholz an der Spitze machen, in welcher Koalition auch immer. Die von den Umfragen in Depression gestürzte CDU/CSU spielt Kassandra und warnt vor einem fatalen Linksrutsch – als ob in der unendlichen Ära Merkel das gesamte System der Bundesrepublik nicht längst nach „links“ gerutscht wäre. Zur Erläuterung: Auf der staatstragenden Politikwissenschaftsachse Rechts-Links entzieht sich „links“ (wie auch „rechts“) einer klaren Definition. Inzwischen ist „links“ irgendwie identisch mit „grün“ und umgekehrt. Und „grün“ sind heute irgendwie alle, allen voran die CSU unter Markus Söder.

Die Grünen haben sich dank Baerbocks geschöntem Lebenslauf von ihrer Hoffnung, mit Annalena ins Kanzleramt einzuziehen, verabschieden müssen. Wenn sie jetzt – mit absoluter Erfolgsgarantie – „nur noch“ auf Regierungsbeteiligung zielen, so bringt dies auf der Berliner Bühne zwar einige Veränderungen in der Rollenbesetzung, nicht aber im Spielplan. Denn seit langem, erst recht unter Merkels Intendantur, werden in Deutschland nur noch grüne Stücke gespielt.

Der mündige Bürger (m/w/d), der/die/das angesichts der Weltlage, der Energie-, Klima- und Corona- und Geschlechter-, Geflüchteten- und sonstigen Krisen, gewisse Zweifel an der umfassenden Weisheit der grün eingefärbten politischen Klasse hegt, überlegt, welche der grünen Farbabstufungen – mit roten Einsprengseln – er am 26. September wählen soll.

Zur Orientierung könnte ihm/ihr/ihm da der von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) konstruierte Wahl-O-Mat dienen. Laut Selbstauskunft ist der Wahl-O-Mat „keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik“. Es gilt sich also zu informieren. Die Informationen bestehen aus 38 Fragen bzw. „Statements“, die mit „stimme“ zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ zu beantworten sind. Der /die/das Wähler:in kann die Fragen aber auch überspringen, wenn die Fragestellung ihn/sie/es ratlos lässt.

Aus Angst vor AfD-Nähe Aversionen gegen die Brüsseler Bürokratie unterdrücken?

Ob man für die Beibehaltung einer Fallpauschale für stationäre Krankenhausbehandlung eintritt oder nicht? Als Covid-Patient kenne ich mich zwar auf der isolierten Krankenstation aus, nicht aber bei der Kostenabrechnung, die ich per Versicherungskarte bereits bei der Aufnahme für erledigt hielt. Ähnlich steht es mit der Frage nach einer „Umsatzsteuer auch auf digitale Dienstleistungen“. Was und wie, fragt sich der von seiner Steuererklärung geplagte Laie, unterscheiden sich digitale Dienstleistungen von analogen oder handwerklichen Dienstleistungen? Wäre ich FDP-Stammwähler, wäre ich selbstverständlich gegen jede Art von Steuererhöhung.

Dass Steuern auch mit „staatliche Preise“ umschrieben werden kann, erscheint als politbegriffliches Novum: „Der staatlich festgelegte Preis für den Ausstoß von CO2 beim Heizen und Autorfahren soll stärker steigen als geplant.“ Noch eine FDP-Frage: Markt oder der Staat? „Ökologische Landwirtschaft soll stärker staatlich gefördert werden als konventionelle Landwirtschaft.“ Was ist laut Brüsseler Vorgaben echt öko?

Nicht nur ins Herz der „Linke“ und SPD-Wähler zielt die Frage, ob auf „hohe Einkommen wieder“ eine Vermögensteuer gelegt werden soll. Was ist hoch? Eine Frage der Perspektive. Gegen die Manager-Boni in der Finanzindustrie, die keine Industrie ist, sondern ein Milliardenspiel, habe ich tiefsitzende Ressentiments, auch wenn ich die betreffenden Profiteure nicht – nicht einmal nur so als Spaß gemeint – gleich erschießen möchte wie eine „Linke“-Spitzenfrau.

Bei der Frage nach einem „Austritt aus der EU“ leuchtet die Alarmglocke auf. Bloß nicht in die Fänge der AfD geraten! Darf ich auch keine Aversionen gegen die Brüsseler Bürokratie mehr hochkommen lassen? Weder die großkoalitionären Parteien noch die Wahl-O-Maten-Konstrukteure stellen den/die/die Wähler*_Innen vor die Frage, wie es mit der EU weitergehen soll? Noch mehr Zentralismus in Richtung Bundesstaat oder mehr Föderalismus im deutschen Sinne des Begriffs?

Der digitale Wahl-O-Mat läuft nach einem grünen Programm ab

Dass Antisemitismus mit (mehr) Geld zu bekämpfen ist, verdient ein „stimme zu“. Die Frage bleibt: Wie und wohin geht das Geld? Etwa auch an Islamverbände, die künftig „staatlich anzuerkennen“ sind oder auch nicht, oder lieber „neutral“? Die Verbände, selbst der allenthalben hofierte minoritäre ZMD, passen nicht so ganz in unser spezifisch deutsches Verhältnis von Kirche und Staat. „Generelles Kopftuchverbot für Beamtinnen?“ Ja, nein, neutral, Hidschab oder Niqab? Weiterhin Kirchensteuer, implizite demnächst auch für die erwähnten Islamverbände? Wäre ich FDP-Stammwähler (s.o.), wüsste ich eine klare Anwort: Nein! Allerdings zahle ich seit Jahren geduldig meine Kirchensteuer an die Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, mithin auch an die EKD, den gesamtgrünen Wahlverein.

Vom grünen Familiensinn der EKD, personifiziert durch Katrin Göring-Eckardt, inspiriert ist die – als „loaded question“ auf tumbe AfD-Wähler zielende – Frage: „Das Recht anerkannter politischer Flüchtlinge auf Familiennachzug soll abgeschafft werden.“ Nicht minder suggestiv lautet „Statement“ 35: „Asyl soll weiterhin nur politisch Verfolgten gewährt werden.“ Soll heißen: Die wegen Klima, Krieg, Armut, Queerness etc. in die deutsche Willkommenskultur Flüchtenden/Geflüchteten sollen von den hartherzigen Deutschen ausgesperrt werden. Sodann soll noch der Flugverkehr höher besteuert werden oder auch nicht, schließlich die Unternehmen über Homeoffice selbst entscheiden oder auch nicht.

Man muss nicht bis zum Ende der demokratischen Selbstbefragung durchhalten, um zu wissen, dass der digitale Wahl-O-Mat nach einem grünen Programm abläuft. Den politischen Bildungsexperten der Bundeszentrale ist daraus kein Vorwurf zu machen. Was sie eingespeist haben, ist die gesamtgrüne Ideologie der Bundesrepublik im Wahljahr 2021. Mit den drängenden, komplexen Zukunftsfragen wollen die wahlkämpfenden Parteien die Wähler lieber nicht belasten. Ach ja, ob die Bundesbehörden in Zukunft in ihren Texten gendern sollen? Diese Frage wird nach dem 26. September den „Wählenden“ abgenommen.

Sie ist in den Koalitionsverhandlungen zu klären.

Foto: Pixabay

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Dr Stefan Lehnhoff / 07.09.2021

So oder so überflüssig: Die Wahl lautet: Blockflöten, gähriger Haufen oder chancenlos.

Michael Elicket / 07.09.2021

„Deutschland-aber normal“ führt getreu dem einschlägigen Slogan beim Wal-o-Mat eindeutig zur AFD. Ich habe spaßeshalber auch mal die Probe auf“s Exempel gemacht: Kreuzt man bei allen Fragen das an, was einem intuitiv gegen den Strich läuft, spukt das Tool eine nahezu 100% Übereinstimmung mit den GRÜNEN aus. Das Tool ist also korrekt kalibriert.

Gerd Eckerle / 07.09.2021

Was mich am Wahlomat stört ist die Tatsache, dass zum Umgang mit der Pandemie keine Frage auftaucht. Das lässt mich schon misstrauisch werden. Dass die AfD als Partei mit einem Programm, was der CDU vor Merkel entspricht, bei mir auf Platz eins erscheint, verwundert mich nicht. Allerdings erstaunt es mich, dass III. Weg und NPD noch vor der CDU auftauchen. Bin ich nun Nazi? Wohl kaum, denn da CDU und FDP immer weiter nach links gerückt sind, kommen alle anderen Parteien, die diesem Linksschema nicht entsprechen, weiter nach oben. Das ist für mich ein Beleg dafür, dass wir es (schon länger) mit einem Linksstaat zu tun haben. Ich habe lange Zeit die CDU gewählt - nach der Griechenland-Rettung von Merkel war es damit vorbei. Freunde sagen mir, ich solle CDU wählen, um RRG zu verhindern. Angesichts des jetzigen Zustands der CDU und insbesondere der CSU mit dem linksergrünten Söder, erscheint mir das völlig aussichtslos. Die CDU/CSU ist gerade dabei sich selbst zu versenken und den Weg der Demokracia Christriana Italiens zu gehen. Da der Weg vorgezeichnet ist, ist für mich eine Stimme für die Union eine verlorene Stimme. Wer Links will, soll SPD, Linke oder Grüne wählen, wer etwas anderes will, sollte AfD wählen. Die Union hat sich überflüssig gemacht, da Merkel sie in eine beliebige Schwurbelpartei verwandelt hat. Laschet hat zwar heute noch mal in Sachen Abschiebung straffälliger Ausländer rechts geblinkt, aber die Realität ist eine ganz andere und darum ist ein solches Manöver um so lächerlicher und völlig auswegslos, um Stimmen ehemaliger Unionswähler einzufangen.

Christian Speicher / 07.09.2021

Wer Angst vor “AfD-Nähe“ hat, ist sowieso schon body-snatched und verloren. Ich verstehe einfach nicht, warum die einzig gesunde und angemessene „Fuck you“ Reaktion auf aberwitzige „Nazi“ und „Rassist” Attacken so vielen nicht ausreichend naheliegend erscheint. In all derem Namen möchte ich ein herzliches „ Baszd meg, a jó kurva anyádat!“ an die tatsächlichen SA-Nachahmer und selbsterklärten „Antifaschisten“ richten.

Oliver König / 07.09.2021

Ich fand ja auch witzig, dass, wenn man bei Parteien “alle” anklickt, man mal sehen kann., wieviele teils skurile Grüppchen sich da zur Wahl stellen. PS. Mein Ergebnis: 70 Prozent AfD, 68 Prozent Freie Wähler, 61 Prozent CDU, Rest unter ferner liefen.

hans kloss / 07.09.2021

Die Sache wurde schon mehrmals thematisiert. Wenn es um Programme geht sollte der normaler Mensch NPD wählen. Dann die Basis, Freie Wähler und dann AFD. Die Marxisten von der Union, SPD, Linken, Grünen und FDP sind weiter unten. Ich schäme mich nicht mal dass Wahlomat mir NPD vorgeschlagen hat. Heutzutage würde ich den Teufel wählen und diese korrupte Clique abzuwählen oder mindestens nicht für sie zu stimmen.  Verdammte Kinderschänder wie Alpen Adolf - das ist was man wählen kann??? Es ist auch lustig dass man so mit Kanzlerkandidaten schwadroniert, wenn der Bürger keinen Kanzler wählen darf. Das zeigt deutlich auch die größte Schwäche der Parteirepublik - man kann nix bewirken weil die Parteien alles verhindern. Die Leute die SPD jetzt wählen weil Scholz “gut” währe und man so Grün “verhindert”, sind einfach doof: weder verhindert man die grüne Agenda (mit keinem der Altparteien), noch ist Scholz gut. Dazu wenn man SPD wählt kriegt man vlt Scholz aber vor allem SPD und das sind Marxisten die uns versklaven wollen. Hätte ich die Wahl würde ich entweder eine der zwei führenden Damen in AfD wählen oder wenn es nicht anders gehen konnte: Frau Wagenknecht. Wie gesagt aber: die Parteidiktatur macht die Abgeordnete gehörige Sklaven der Parteien. Da kann man nichts erwarten. Selbst von AfD nicht viel, wenn sie mal an der Macht konnten. Einzige Möglichkeit diese Schwäche aus dem System zu löschen, ist die Abwahl der Abgeordneten während der Legislaturperiode zu ermöglichen, auch ohne Gegenkandidatur und für wichtige Themen direkte Abfrage an die Bürger. Das würde zwar mit der Medienlandschaft in D. auch nicht viel helfen aber würde Legitimation stärken.  So wie die Abgeordnete heutzutage sind sind, würde ich Gaspedal drucken hätte ich einer diesen Idioten auf der Straße erkennen. Aus versehen, versteht sich.

C. Baumann / 07.09.2021

Dass der Wahl O Mat nicht ein ultimate Ratio Instrument ist sollte klar sein.Den Beitrag hier halte ich aber für deutlich übertrieben. Wie sonst hätte ich 72

Alexander Schilling / 07.09.2021

So so, die Herrschaften mit den vollen Hosen warnen vor den roten Socken—und blicken dazu wohl angestrengt pfeifend in die endlosen Weiten des Himmels? wohl gar um neugierige Blicke vom eigenen Schuhwerk abzulenken?—“Wenigstens zwölf Jahre anständig gelebt” beliebte seinerzeit einer zu schwadronieren, der post segetem für kurze Zeit noch auf einer Bank Platz zu nehmen hatte, die verdientermaßen härter noch war, als Oppositionsbänke gewöhnlich sind. Und wenn auch das beste Deutschland, in dem die eingangs erwähnten Herrschaften je gelebt haben, in unserem Falle gerade einmal erst knapp zwei Jahre alt ist, belehrt bereits der bloße Augenschein, dass der eine oder andere an die 12-Jahres-Statur bereits heranzureichen scheint…

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