Bayern und Hessen: Plötzlich alles anders?

Wie tief wird Nancy Faeser samt SPD in Hessen abstürzen, wie hoch werden die Prozentzahlen für Markus Söder und die CSU in Bayern ausfallen? Was folgt daraus für Söders Ambitionen auf das Kanzleramt? Welchen Bonus bekommt Aiwanger vom bayerischen Wahlvolk für seinen Umgang mit peinlicher Erinnerung an Gymnasialzeiten?

Der am vergangenen Dienstag, den 3. Oktober 2023, in Hamburg abgefeierte „Tag der deutschen Einheit“ ist bereits vergessen. Das gespannte Interesse des Volkes – im aktuellen Polspeak: „die schon länger hier Lebenden“ –, der Medien sowie der laut 21,1 GG an der politischen Willensbildung des Volkes (= des Souveräns) „mitwirkenden“ Parteien gilt dem Ausgang der Landtagswahlen in Hessen und Bayern am heutigen Sonntag.

Wie tief wird Fußballfan*in Nancy Faeser samt SPD in Hessen abstürzen, wie hoch werden die Prozentzahlen für Markus Söder und die CSU in Bayern ausfallen? Was folgt daraus für Söders Ambitionen auf das Kanzleramt? Welchen Bonus bekommt Aiwanger vom bayerischen Wahlvolk für seinen Umgang mit peinlicher Erinnerung an Gymnasialzeiten? Rutscht die FDP unter die fünf Prozent, und fliegt sie ungeachtet aller liberalitas Bavariae wieder mal aus dem Landtag?

Bedeutsamer noch scheint der Wahlausgang im bis dato schwarz-grün regierten Hessen. Es geht weniger um die Frage, ob Boris Rhein die Koalition mit den Grünen fortsetzen wird oder mit einer – dank Faeser – deutlich geschwächten SPD. Die über Hessen hinausweisende, für ganz Deutschland relevante Frage ist, wie hoch das Ergebnis für die AfD ausfällt. Sollte sie mit der SPD und den Grünen gleichziehen oder sie gar übertreffen, signalisierte dies – parallel zu den Wahlprognosen in den „neuen“ Bundesländern sowie zu den Tendenzen in Baden-Württemberg und Bayern – eine grundlegende Veränderung der deutschen Parteienlandschaft. 

Hinterher will keiner verantwortlich sein

Ein weiterer Indikator für eine Krise des alten Parteienstaates ist – wenn auch außerhalb Bayerns noch unspektakulär – die Annäherung der „Freien Wähler“ an die Fünf-Prozent-Grenze. Sollte Sahra Wagenknecht mit der Gründung einer neuen, linksnationalen Partei hinzukommen, ergäbe sich ein noch bunteres Bild.

Die politisch brisante Frage bleibt der Umgang der „Altparteien“ mit der AfD. Ihr Überleben als „populistische“ Protestpartei verdankt sie der CDU-Kanzlerin Merkel und der Grenzöffnung 2015. „Grenzen kann man nicht schützen“, dixit Merkel, ehe sie einen halbherzigen Deal mit dem türkischen Machthaber Erdogan abschloss. Auch in den Folgejahren wurde das politisch zentrale Thema „Migration“ teils übergangen, teils moralisch überhöht, teils ökonomisch funktional behandelt. Sämtliche, aus der unkontrollierten Einwanderung resultierenden Probleme wurden ignoriert oder der „Aufnahmegesellschaft“ als politische Pflicht auferlegt. Heute sind alle Kommunen „am Limit“. Trotz der unlängst von der EU beschlossenen Maßnahmen zur Sicherung der Außengrenzen ist nicht davon auszugehen, dass sich in Deutschland unter der Ampel-Regierung an der verfahrenen Lage etwas ändern könnte. Gewinner dieser – zum Teil zielbewusst betriebenen – unverantwortlichen Politik war und ist die AfD.

Der „Kampf gegen Rechts“ – nicht nur gegen die AfD, sondern gegen alle Kritiker der grün-roten Einwanderungspolitik – ist seit langem von Gewalttaten begleitet. Soeben – vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern – erfahren wir von der Bedrohung beziehungsweise vom tätlichen Angriff auf die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Geschichte wiederholt sich nicht. Doch unübersehbar mehren sich die Phänomene politischer Gewalt. In nicht wenigen Fällen geht die Gewalt auf das Konto von linksextremen Aktivisten („Antifa“), die ihre Aktionen mit fremdenfeindlicher Gewalt von Neonazis – die es unübersehbar gibt – sowie allgemein mit der Ideologie von „Rechten“ legitimieren. Sie sind Anzeichen für Zustände, die – mutatis mutandis in der als historischer Fortschritt gepriesenen „bunten Republik“ – an „Weimar“ erinnern. Hinterher will keiner von denen, die die Spaltung der deutschen Gesellschaft seit Jahren betreiben, historisch verantwortlich gewesen sein.

Vor den Wahlen entdecken plötzlich alle Parteien, dass die grenzenlose Migration – anders als von Angela Merkel dereinst proklamiert – nicht zu „schaffen“ ist. Ob es für eine Lösung der durch die ungehemmte Immigration entstandenen Probleme nicht bereits zu spät ist, ist eine offene, allerorts gemiedene Frage. Fazit: Die um nur wenige Prozentzahlen schwankenden Wahlumfragen in den Bundesländern Bayern und Hessen verheißen den Wettbüros erfreuliche Umsätze. Weniger erfreulich erscheint die Zukunft unseres Landes in der Mitte Europas.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Herbert Ammons Blog.

 

Herbert Ammon, geb. 1943 in Brieg (Schlesien), ist ein deutscher Publizist, Historiker, Studienrat a.D. Er engagierte sich in den 1980er in der damaligen Friedensbewegung, u.a. als Repräsentant des „Offenen Briefes“ des DDR-Regimekritikers Robert Havemann an den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew. 1981 zusammen mit Peter Brandt Herausgeber des Buches „Die Linke und die nationale Frage“. Mitgründer und Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft e.V. zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa.

Foto: Montage Achgut.com/ Imago (Söder)

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Sabine Heinrich / 08.10.2023

@Claudius Pappe: Geht mir genauso. Aber wehe, ich mache das in Gesprächen zum Thema. Lauteres Schweigen gibt es nicht! Diejenigen braven Bürger, die hemmungslos ab Ende 2020 gegen Corona- Impfskeptiker gehetzt - ja GEHETZT - haben, die sie aus der Gemeinschaft, aus dem sozialen Leben ausgeschlossen, die Freundschaften gekündigt haben - diese braven Untertanen sind zu feige, um Stellung zu beziehen, wählen immer noch überwiegend die Parteien, welche sie zielsicher in den Abgrund führen. Immerhin - und das ist sehr erfreulich: Ein paar Menschen sind endlich aufgewacht - und das macht Hoffnung! - Nebenbei: Mein Mitgefühl mit Läden aller Art, die jetzt pleite gehen - wegen der Coronapolitik - hält sich in sehr engen Grenzen. Warum? Sie haben alle strikt und eiskalt Millionen Menschen den Zugang zu ihren Geschäften verwehrt - z.T. auf gröbste Art: “Kein Zugang ohne…” Ich habe nicht ein einziges Geschäft, keine einzige gastronomische Einrichtung gesehen, in der der Inhaber ein Wort des Bedauerns - was ja nicht strafbar gewesen wäre - dieser 2oder 3G-Regel hinzugefügt hätte nach dem Motto: “Es tut uns leid, dass…” Bei den Montagsspaziergängen habe ich kein mir bekanntes Gastronomen- oder Ladeninhabergesicht gesehen. Die standen in den Eingängen und haben uns mehr oder weniger freundlich bis hin zu abweisend beobachtet. Jetzt wird kräftig gejammert - ich sage nur :“Selbst schuld, Ihr feigen Untertanen!”

Klaus Keller / 08.10.2023

Dirk Jungnickel: Thema rumeiern mit Russen: Wir reparieren die Pipeline, was sonst! Wenn das die Ukraine stört kann sie ja ihre eigene sprengen lassen, wäre meine erste Ansage. Die Israelis bombardieren aus gutem Grund alles mögliche in der Region aber keine russischen Stellungen. Wer Russen und Assad in Syrien schwächt, stärkt den Einfluss der Iraner und damit der Hamas, in Syrien, wäre die zweite Mitteilung zur Außenpolitik. Die Zusammenarbeit mit den Staaten der Subsahararegion würde ich auch nicht aufkündigen nur weil diese dort mit Hilfe Russlands gegen radikalislamische Kräfte vorgehen, wäre die dritte Aussage gegen das herumeiern.

Wolfgang Richter / 08.10.2023

Inzwischen zeigen die Zahlen, daß die Verantwortlichen der aktuellen Politik ziemlich abgestraft wurden, aber halt nicht so, daß es sie beeindrucken würde. Und zusammen mit den C-Parteien können die Etablierten unbeeindruckt weiter werkeln wie gehabt. Genügend Wähler sind offenbar mit dem Dilettantismus im Lande zufrieden, zumindest so zufrieden, daß selbiger in seinem Tun und Treiben bestätigt wurde. Also munter weiter auf der Abwärtsspirale, egal ob bezüglich “Wirtschaft” oder “Soziales Miteinander”. Es geht einer Mehrheit offenbar noch gut genug.

Claudius Pappe / 08.10.2023

Wenn ich ins Stadtzentrum gehe ( egal ob Kein-oder Großstadt ) sehe ich statt glattköpfige Nazis, bärtige, messertragende Einmänner und ihr Familienzusammenführungsgefolge mit und ohne Kopftuch.

Frank Baumann / 08.10.2023

Für mich ist das wie erwartet ein “Weiter so!”. Und dann kommen noch die Briefwahlstimmen. Es ist immer noch nicht bunt und irre genug. Wer hier noch grün wählt, ist intellektuell nicht mehr erreichbar und verloren, bei Präferenz von rot, schwarz und der seit jeher rückgratlosen Sandalenpartei attestiere ich mit Unzurechnungsfähigkeit gepaarte Dummheit.

Jürgen Fischer / 08.10.2023

Nachtrag: Und bitte bitte bitte, liebe FDP, flieg auch in Hessen raus!

Jürgen Fischer / 08.10.2023

Nach den aktuellen Hochrechnungen bin ich jetzt wirklich auf das jeweilige offizielle Endergebnis (also inkl. Briefwahlstimmen) gespannt.

Dirk Jungnickel / 08.10.2023

Köstlich zu erleben, wie nach den ersten Hochrechnungen am Wahlabend die Chefs der mehr oder weniger abgewatschten Genossen - und nicht nur die- , krampfhaft versuchen, die überall siegreiche AfD außen vor zu lassen, sie besser gar nicht zu erwähnen. Das nennt man das “Pfeifen im Walde”....aus panischer Angst nämlich. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Deren außenpolitische Eiereien in Sachen Russenüberfalll auf die Ukraine sind für mich unerträglich !!!!

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