Georg Etscheit / 10.07.2021 / 06:10 / Foto: Denis Probst / 53 / Seite ausdrucken

Vive la France: Windkraft-Dolchstoß vom Adelsexperten

Der bekannteste Gesellschaftsreporter Frankreichs sollte eigentlich für Präsident Macron eine Liste gefährdeter Kulturdenkmäler erstellen. Doch heraus kam eine wortmächtige Windkraft-Kritik.

Stéphane Bern ist der bekannteste Gesellschaftsreporter des französischen Fernsehens. In etwa ein Pendant zu Rolf Seelmann-Eggebert, Hofberichterstatter vom Dienst bei der ARD. Auch Bern, der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammt, plaudert regelmäßig aus dem Innenleben der europäischen Königs- und Adelshäuser oder er stattet in seiner Sendung „Comment ça va bien“ („Wo es sich gut lebt“) den schönsten Dörfern, Gärten und Villen einen Besuch mit seinem Fernsehteam ab. Wenn es um das französische Kulturerbe geht, hat sein Wort Gewicht. Die französische Ausgabe der Wikipedia nennt ihn eine „emblematische Figur der audiovisuellen Landschaft Frankreichs“.

Im Jahre 2016 hatte Bern eine nach ihm benannte Stiftung für die „Geschichte und das Kulturerbe“ gegründet, die unter dem Dach des Institut de France angesiedelt ist. Ein gutes Jahr später beauftragte ihn der französische Staatspräsident Emmanuel Macron damit, eine Liste gefährdeter, weniger bekannter Kulturdenkmäler des Landes zu erstellen. Dabei mag Macron, der sich gerne einen grünen Anstrich gibt und den Klimaschutz zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit erklärte, nicht damit gerechnet haben, dass sich Bern zu einem der vehementesten und wortmächtigsten Kritiker der Windkraft in Frankreich entwickelt hat.

Bei seinem Kampf scheint er sogar Frankreichs First Lady, Brigitte Macron, an seiner Seite zu haben, die den TV-Journalisten als „neuen Don Quichotte“ bezeichnet hatte, nachdem dieser wieder einmal gegen die „Religion des Fortschritts“ und die „Zerstörung unserer Landschaften“ durch Windräder polemisiert hatte.

Debattenkultur in Frankreich durchaus offener

Während sich Deutschland mehr und mehr in ein gigantisches Windkraft-Industriegebiet verwandelt und es wohl bald keinen Landstrich mehr geben wird, der nicht mit Rotoren vollgestellt ist, hält sich der Windkraft-Terror in unserem westlichen Nachbarland noch in Grenzen. Derzeit drehen sich (bei Wind!) etwa 8.500 Windräder in Frankreich, auf einer Landesfläche wohlgemerkt, die doppelt so groß ist wie Deutschland. Das ist etwa ein Drittel der Zahl der bereits hierzulande installierten Maschinen. Und wenn es nach dem Bundesverband Energiewirtschaft geht, sollen pro Jahr mindestens 1.500 dazukommen, um das ersehnte und vom Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich sanktionierte Ziel der „Klimaneutralität“ zu erreichen.

Sowohl in der deutschen Politik als auch in der Mainstream-Medienöffentlichkeit gibt es eine beinahe undurchdringliche Einheitsfront für den weiteren, massiven Ausbau der Windkraft. Der letzte Kritiker der unfassbaren Landschaftszerstörung durch die Windkraft, dem es immer wieder gelang, die Mauer des Schweigens und der Marginalisierung und Diffamierung von Windkraftgegnern zu durchbrechen, war Enoch zu Guttenberg. Er starb vor drei Jahren.

Da ist die Debattenkultur in Frankreich durchaus offener, was sich schon daran ablesen lässt, dass sowohl Stéphane Bern wie auch Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement Nationale, im „Figaro“ mit großen Meinungsartikel gegen die Invasion der Éoliennes, wie Windräder auf Französisch heißen, präsent waren und auch in anderen nationalen und regionalen Medien regelmäßig über Proteste gegen Windparks berichtet wird. Mit „Vent de Colère“ („Wind der Wut“) und der „Fédération Environnement Durable“ gibt es zwei landesweite Organisationen, die den zahlreichen lokalen Initiativen gegen Windkraftprojekte Rückendeckung geben. Dabei geht es – stärker als in Deutschland – auch um ästhetische Fragen, wie sie nicht nur dem Schöngeist Stéphane Bern am Herzen liegen.

„Desaströses Beispiel Deutschland“

So erregten geplante Windparks nahe dem Städtchen Illiers-Combray unweit von Chartre, das Marcel Proust in seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ verewigt hat und am Mont Sainte-Victoire in der Provence, einem bevorzugten Motiv von Paul Cézanne und die Montagne Sainte-Victoire bei Aix-en-Provence, große Aufmerksamkeit. Auch hier hatte sich Stèphane Bern öffentlichkeitswirksam eingeschaltet. In Deutschland ist der Schriftsteller Botho Strauss einer der wenigen Prominenten, die es schaudert, wenn er die „Auslöschung aller Dichterblicke der deutschen Literatur von Hölderlin bis Bobrowksi“ mitansehen muss. Ansonsten scheint eine stillschweigende Übereinkunft darüber zu bestehen, dass der Tod deutscher Kulturlandschaften eine angemessene Sühne für die Verbrechen der Deutschen mindestens seit der Kolonialzeit ist. Klimaschutz und Energiewende sind zur Religion geworden mit den Windmühlen als ewige, untilgbare Schuld signalisierenden und gleichwohl Ablass verheißenden Totempfählen.

Die Franzosen mit ihrem relativ ungebrochenen nationalen Bewusstsein, so scheint es, haben immer noch Respekt vor und Liebe zu ihrem Kulturerbe, wozu natürlich Frankreichs atemberaubende Kulturlandschaften gezählt werden, die man auch heute noch über weite Strecken kaum beeinflusst von den Hervorbringungen des Zeitalters der Erneuerbaren Energien erleben kann. Doch dies muss nicht so bleiben, ist doch Frankreich ein Bonanza auch für deutsche Windkraftprojektierer, die sich auf das Geschäft im Nachbarland verlegt haben, solange im eigenen Land der Windkraftausbau stockt. Für die Franzosen bedeutet das unter anderem, dass die Wertschöpfung durch den Bau von Windparks im eigenen Land minimal ist. Dänen liefern die Windräder, Deutsche planen sie und Osteuropäer bauen sie, heißt es in der Szene der Windkraftgegner.

Bevorzugtes Ziel von Stèphane Berns Attacken ist die grüne Pariser Umweltministerin Barbara Pompili, die seit 2020 für Macron und dessen Ministerpräsidenten Jean Castex den bislang recht zaghaften Umbau des französischen Energiesystems organisieren soll. Ihr schrieb der wortmächtige Journalist ins Stammbuch, die Windräder seien nichts weniger als „eine Negation der Ökologie“, sie ruinierten die Umwelt und zerstörten das natürliche und architektonische Kulturerbe. Unterstützt wurde Bern, der auch auf das „desaströse Beispiel Deutschlands“ verwies, von Marine Le Pen, die ebenfalls im „Figaro“ schrieb: „Ich sage hier feierlich: Windräder haben keinen Platz mehr in unserem Land, weder zu Lande, noch zu Meer.“

Wankelmütiger Präsident ohne tragfähige politische Basis

Laut dem Gesetz über eine „Transition energetique“, das 2015 nach dem Reaktorunglück von Fukushima noch unter dem Sozialisten François Holland verabschiedet wurde, soll der Anteil der Kernenergie an der Energieerzeugung schrittweise zunächst auf fünfzig Prozent (heute gut 70 Prozent) sinken, Wind und Sonne als Energiequellen dagegen sollen kräftig ausgebaut werden. Erst jüngst forderte Pompili die Präfekte der verschiedenen Landesteile auf, Zonen für den Bau weiterer 10.000 Windräder bis 2028 festzulegen. Für den Teilausstieg aus der Kernenergie müssten noch mehr als zehn von derzeit 56 Reaktoren stillgelegt werden. Bislang gelang es Macrons Regierungen aber lediglich, den ältesten Reaktor Fessenheim im Elsass abzuschalten, mehr eine symbolische als praktisch wirksame Maßnahme. Aber auch der Ausbau der Windkraft hinkt den Zielen hinterher.

Wie ernst es Macron mit dem schrittweisen Atomausstieg und dem gleichzeitigen Ausbau der Erneuerbaren meint, ist unklar. Wahrscheinlich will es sich der wankelmütige Präsident ohne tragfähige politische Basis einfach mit keinem seiner potenziellen Wähler verscherzen und propagiert die Windkraft genauso halbherzig, wie er halbherzig an der Kernenergie festhält: Wind und Sonne gewissermaßen als Trostpflaster für die Öko-Bourgoisie in den Großstädten, die den Komplettausstieg aus der Kernenergie favorisieren, der in Frankreich derzeit freilich kaum vorstellbar ist, zumal die Atommacht Frankreich auch militärisch auf eigene Reaktoren angewiesen ist. Außerdem kann das Land infolge seines hohen Anteils an Atomstrom eine blendende Klimabilanz vorweisen und zudem einen niedrigen Strompreis, der wiederum wichtig ist, wenn es gilt, die Elektromobilität sozial verträglich zu gestalten und nicht erneut Proteste der Gelbwesten zu provozieren.

Zur Front derjenigen, die die Windkraft ablehnen, zählt, anders als in Deutschland, wo nur die AfD grundsätzliche Kritik an der Energiewende übt, auch die traditionelle Rechte. So hat sich die Partei Les Republicains bereits gegen weitere Windparks positioniert. Bei den Regionalwahlen Ende Juni schlugen sich die Republikaner überraschend gut. Erst Ende Mai präsentierte die Partei ein Ökologie-Programm, das im Falle eines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen ein Moratorium für den Bau weiterer Windräder vorsieht, um grundsätzlich über eine andere Energie-Politik nachzudenken.

Hoffentlich bewahren die Franzosen weiter einen kühlen Kopf

Auch der unabhängige Konservative Xavier Bertrand, Präsident der Region Hauts-de-France, gilt als vehementer Kritiker der Windkraft. Er machte die Windmühlen, die in seiner Heimat schon besonders zahlreich sprießen, sogar zu einem zentralen Thema seines Wahlkampfes und gilt nach einem überzeugenden Sieg nun als möglicher Präsidentschaftskandidat. „Die Windräder sind ein Skandal. Sie zerstören die Landschaften und beeinträchtigen das Leben der Anwohner“, twitterte er im März. Bertrand kündigte sogar an, eine „Fédération d‘ associations anti-éoliennes“ (Bundesverband der Anti-Windkraft-Vereinigung) ins Leben rufen zu wollen – mit öffentlichen Geldern.

Während in Deutschland die Klimahysterie mit jedem „Starkregenereignis“ und jeder „Hitzewelle“ immer unwirklichere Dimensionen annimmt, scheint sich in Frankreich noch ein gewisses Maß an Rationalität erhalten zu haben. Gerade lehnte es der von den Konservativen dominierte Senat ab, einer Verfassungsänderung zuzustimmen, in der die Politik dazu verpflichtet werden sollte, den Kampf gegen den Klimawandel („la lutte contre le dérèglement climatique“) zu „garantieren“. Das Wort „garantieren“, so die Begründung der Senatsmehrheit, würde eine unumstößliche Verpflichtung beinhalten und lasse befürchten, dass die Zahl von Umweltklagen „explodiere“. In Deutschland hat das jüngste Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts eine solche Klagewelle bereits in Gang gesetzt. Hoffen wir, dass die Franzosen weiter einen kühlen Kopf bewahren, schließlich ist Deutschland mit jedem zusätzlichen Windrad noch ein wenig mehr auf Atomstrom aus dem Nachbarland angewiesen.

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Leserpost

netiquette:

A. Ostrovsky / 10.07.2021

@Uwe Dippel : Jetzt verstehe ich auch, warum in den letzten Tagen die irren Überschwemmungen überall waren, Gewitter und Hagel. Weil die Wolkenbildung verhindert wird. Dabei sagt Greta doch es liegt am CO2. Jetzt wissen wir jedenfalls, woher das kommt. Wenn ich noch etwas übe kann ich wahrscheinlich bald die Erderwärmung um 1/100 Grad pro Jahr sehen. Ich fange am besten bei den Windrädern an.

A. Ostrovsky / 10.07.2021

@B. Ollo : Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen. Habe ich irgendwo bezweifelt, dass besonders in den neuen Bundesländern überall diese Windräder stehen? Und es sieht “scheiße” aus. Wenn Sie das nicht wollen, habe ich geschrieben, sollen Sie Ihren Strombedarf radikal verringern und ich habe auch Vorschläge gemacht: Fernsehsender abschalten, weil die eh nur Unsinn senden, Propaganda und Hetze. Und Werbung im Internet verbieten, weil ein großer Teil des Energiebedarfs für das Internet von dieser ungewollten ätzenden und oft sogar beleidigenden Blöd-Werbung verursacht wird. Wenn Sie noch Ideen haben, schreiben Sie es doch. Fußballspiele unter Flutlicht verbieten, z.B. Und ja, es ist schrecklich, ich will etwas verbieten, JA, wenn es schadet, soll es verboten werden!

Dietmar Blum / 10.07.2021

@ Dieter Ehrlich / 10.07.2021,  die Anwohner der bekannten Berliner Grünen-Hochburgen lechzen doch sicherlich danach, diese Technik zur Welterrettung hautnah vor der eigenen Nase erleben zu dürfen! Dito die MdBs, die dankbar jeden Schritt zur Energiewende abnicken, vor ihren Zweitwohnungen.

Thorsten Beyer / 10.07.2021

Vielleicht sollte Frankreich das bescheuerte Deutschland einfach annektieren, damit wir nicht zum ökofaschistischen Arbeiter und Bauern Staat degradiert werden, denn Annalenchen und ihre Kumpels ja genauso wollen, wie anderen Mitglieder der CDSCSUFDPSPGrüneLinke-Blockpartei.  Es geht denen ja schließlich um die Rettung der Welt….. Und bevor sie das Land der Deutschen mit ihrer linken/linkischen Dauer-Hysterie (Euro! Fukushima! Flüchtlinge! Klima! Corona!) in den Wahnsinn treiben oder uns zu Tode prügeln, wenn wir über ihre Panik lachen .... da können wir den Laden ganusogut an einen Nachbarn übergeben…. Vielleicht haben wir dann auch bald mehr Pools als Solardächer hier :-).... Immerhin haben die Franzosen den beknackten verwilderten Bayern ja schon mal früher unter Napoleon beigebracht, wie ein moderner Staat funktioniert inkl Verwaltung, Bildung usw usw….Diesmal hat ganz Deutschland fertig. Besser die Nachbarn stoppen den Wahnsinn, bevor die Ökofaschisten sich wieder Stahlhelme aufsetzen…. Vive la France!

PALLA Manfred / 10.07.2021

+ + +  “... und noch mehr ATOM-Strom aus Frankreich ...”  - DAS ist doch der eigentliche SINN dahinter !!! - denn den DEUTSCHEN ist die EINHEIT von den EX-Alliierten NICHT geschenkt worden !?! - NordStream 1 und 2, in den 90ern bereits geplant, soll natürlich “Luft- und Licht-Strom” dynamisch “unterstützen” - evtl. mit LNG aus USA - aber die könnten auch direkt bei “PUTIN” als ZwischenHändler “Gerd”-GAS an die BRD “verticken” !!!  - noch Fragen ???  ;-)

P. Wedder / 10.07.2021

Seit den Bauernprotesten sehe ich die Windkrafträder kritischer als vorher. Dort wies ein Bauer darauf hin, dass Windkrafträder bei der Versandung einiger Regionen keine so unerhebliche Rolle spielen würden. Er verwies auf die Physik. Windkrafträder würden den Schwung aus den Regenwolken nehmen, so dass diese z.B. nicht mehr 50, sondern nur noch 30 km ins Inland kommen würden. Dass dann einige Regionen immer mehr versanden würden, sei keine Überraschung. Vom Schreddern der Vögel und Insekten, dem Infraschall, der auf in der Nähe lebenden Menschen wirkt, den Baumaterialien, die speziell entsorgt werden müssen und der Landschaftsverschandlung rede ich jetzt genau so wenig wie von all den windarmen Zeiten im Jahr.

lutzgerke / 10.07.2021

“Grundsätzlich solle sich in Zukunft jeder Bauer, der geeignete Verhältnisse hat, einen Windmotor anschaffen.” 26.7.1942 mittags, Adolf Hitler, Henry Picker “Hitlers Tischgespräche”, S. 461; Das Buch hat Empfehlungen vom “Spiegel”: “Eine publizistische Weltsensation”, “Die Weltwoche Zürich”, “Kölnische Rundschau”. Man darf da gnadenlos zugreifen. / Windräder sind 1880 erfunden worden. Hitlers Windmotorpläne sind auch an anderen Stellen belegt. / “Eines kann ich den Fleischessern prophezeien: Die Gesellschaft der Zukunft wird vegetarisch sein.” Das klingt militant? Alan Bullock, “Hitler Eine Studie über Tyrannei”, S. 370.  / Was ich sonst so zum Besten gegeben habe, habe ich an anderen Stellen belegt.

Jens Busch / 10.07.2021

„…dass der Tod deutscher Kulturlandschaften eine angemessene Sühne für die Verbrechen der Deutschen mindestens seit der Kolonialzeit ist…“ Aha, so ist das also. Und Auschwitz? Eine Sühne für die Jahre 1917 bis 1924 der jungen Sowjetunion? Ist schon merkwürdig, von welchen Bestrafungs- und Vernichtungsfantasien die Fürsprecher polnisch-jüdischer Edelmenschen beseelt sind. Vielleicht finden sie auch nur Gefallen an dem schmierig-unsympathischen Dauergrinsen des großen Vorbilds, dass sie nicht mehr loslässt. Oder sie finden es einfach klasse, dass da jemand ständig im Schmodder von vorgestern rumwühlt, so wie alle Linken und Grünen. Wollen das aber normale Leute wissen? Nö.

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