Niemand kann aus seiner Haut, schon gar nicht Ursula von der Leyen. Kaum dass die einstige Frauen- und Familienministerin 2013 an die Spitze des Bundesministeriums für Verteidigung gewechselt war, tat sie, was ihr als Frau am nächsten lag. Sie kümmerte sich um die Ausstattung der Spinde mit Schminkspiegeln sowie um die Einrichtung von Kindergärten in den Kasernen. Das werden wir ihr nie vergessen. Es war und bleibt ihr Verdienst, die Armee der Lächerlichkeit preisgegeben zu haben. Dafür hätten wir ihr gewünscht, sie wäre nach dem letzten Zapfenstreich abkommandiert worden, an der Gulaschkanone im Feldlager zu dienen.
Die Vorsehung hat es anders gewollt, glücklicherweise. Besteht doch unterdessen gute Hoffnung, dass es der in allen Sätteln gerechten Dilettantin gelingt, die EU ebenso vorzuführen. Nun mag das so schwer nicht sein. Es bedarf dazu einer Einfalt, mit der sich bisher in Brüssel niemand blamieren wollte. Ursula von der Leyen indes tut sich damit nicht schwer. Während der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein gerissener Fuchs, immerhin noch so tat, als ginge es den Berufseuropäern um eine sachlich begründete Politik, scheut sich seine Nachfolgerin nicht, das Nebensächliche zur Hauptsache aufzublasen.
Von Ferne grüßte die Schminkspiegel-Offensive, als sie dieser Tage ihr zukünftiges Kabinett vorstellte. Erstens, rühmte sich die Neue, sei es ihr bei der Auswahl um die hälftige Aufteilung der Posten unter den Geschlechtern gegangen, zweitens um ein ausgewogenes Verhältnis der Parteien und drittens um den Proporz der Nationen. Über die fachliche Befähigung der Gekürten hingegen verlor die Europa-Präsidentin in spe kein Wort.
Mehr Frauen für Europa
Welche Rolle könnte das auch spielen, wenn nur die Paarungen stimmen: 13 Frauen neben 14 Männern. Der Schönheitsfehler des einen männlichen Überhang-Mandates dürfte demnächst kosmetisch korrigiert werden. Von der Flinten- zur Euro-Uschi mutiert, weiß Ursula von der Leyen, was Europa vor allem braucht: mehr Frauen, die sich alles und jedes zutrauen.
Nun fehlt es in Brüssel gewiss nicht an einer Überzahl von Männern, die sich für unfehlbar halten; an Hochstaplern, deren Verrentung längst überfällig wäre. Klügere Köpfe, gleich welchen Geschlechts, sollten aufrücken. Und wenn sich Kandidatinnen finden, denen die männlichen Konkurrenten fachlich nicht das Wasser reichen können, wäre es nur recht und billig, würden durchweg Frauen auf die Führungsposten der Kommissionen berufen. Verstand und Tatkraft sind nun mal keine geschlechtsspezifischen Merkmale.
Dass Ursula von der Leyen gleichwohl – noch vor ihrem Amtsantritt – der Frauenquote vorrangige Bedeutung einräumt, legt die Vermutung nahe, dass sie seit der Übernehme des Verteidigungsministeriums wenig dazu lernte. Welchen Erfolg sie mit dieser modischen Orientierung auf die „Weiberwirtschaft“ haben wird, bleibt abzuwarten.
Schützen, was Europa ausmacht
Der Tatkraft, die sie beweist, lässt aber wenig Raum für den Verstand. Auch die beabsichtigte Installation von acht Vizepräsidenten, darunter drei „executive vice presidents“, die eine „besondere Stellung erhalten“, auch sie verrät eher Hilflosigkeit als Führungsstärke. Wozu eine Kommissarin für „Gleichstellung“ und eine für „Kohäsion und Reformen“. Was genau werden sie bewirken? Welche Aufgaben fallen dem Griechen Margaritis Schinas zu, einem weiteren Vizepräsidenten, von dem es heißt, er solle „schützen, was Europa ausmacht“? Wäre das nicht die Aufgabe aller und die der EU-Präsidenten zuvörderst? Traut sie sich das nicht zu?
Statt mit dem Aufzeigen politischer Perspektiven sucht sich von der Leyen mit Phrasen und der Erörterung organisatorischer Fragen ins Amt zu retten. Nicht in der Welt, sondern in den Amtsstuben ihrer Behörde möchte sie etwas bewegen, den Apparat um seiner selbst willen umkrempeln. In London und jenseits des Atlantiks, in Washington, auch in Peking wird man das nicht ohne ein gewisse Schadenfreude registrieren.
Die Frauenpower der gescheiterten Verteidigungsministerin verheißt wenig Gutes für Europa, einerseits. Andererseits dürfte ihr gelingen, was sie schon als Chefin der Bundeswehr schaffte: die ganze EU-Behörde lächerlich zu machen. Ungewollt könnte sie das teure Schmierentheater als solches entlarven und sich damit doch noch historische Verdienst erwerben. Uschi weckt mehr Hoffnung, als ihr bewusst sein mag.