Im Sommer 2020 verzichtete man auf das öffentliche Zählen von COVID-Toten. Eine Meldung wie „Auch heute starb in der 1,8-Millionen-Stadt Hamburg kein einziger Patient an COVID-19“ hätte die seit März/April unablässig an die Wand gemalte Gefahr wohl konterkariert, und das Paniklevel musste ja unbedingt gehalten werden. Das änderte sich, als die Zahlen im Herbst/Winter wieder stiegen. Nun wurde ständig auf die steigende Zahl der Opfer verwiesen, bisweilen in den Nachrichten behauptet, am Tag zuvor seien „nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 1013 Menschen an oder mit Corona gestorben“. Was so nicht stimmt, wie Professor Bertram Häussler am 21. Januar in der WELT klarstellte:
„Die Zahlen sind insofern unbrauchbar, weil es eben nicht stimmt, wenn gesagt wird, gestern sind 1013 Menschen gestorben. Es sind 1013 Meldungen; Fälle, die sich über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen erstrecken. Die 1013 Menschen sind also nicht gestern gestorben, ihr Tod wurde nur gestern gemeldet.“ Die Meldungen seien im Durchschnitt drei Wochen alt, bildeten also etwa die Sterbesituation von vor 3-4 Wochen ab.
Der gruselige Bodycount wurde indes auch über den Jahreswechsel fortgeführt. So kann man jetzt behaupten, „im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion“ seien in Deutschland bisher mehr als 50.000 Menschen verstorben.
Altersgruppe der über 80-Jährigen wächst stetig
Jetzt, Ende Januar 2021, sind die Sterblichkeitszahlen 2020 komplett erfasst. Die Billionen-Euro-Frage ist ja die: Gibt es eine (signifikante) Übersterblichkeit im Jahr der großen Corona-Pandemie? Um diese Frage zu klären, beginnen wir mit einem Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Hier fällt auf, dass – in absoluten Zahlen – eine Übersterblichkeit von 4,9 Prozent im Vergleich zu den vergangenen vier Jahren festzustellen ist. Und gerade einmal 2,8 Prozent mehr im Vergleich zum Jahr 2018 (mit einer schlimmen Grippeepidemie), und das bei gestiegener Bevölkerungszahl und veränderten Altersgruppen. Berücksichtigt man, dass aufgrund der Alterspyramide und Altersstruktur in Deutschland aktuell jedes Jahr statistisch ca. 6.000 Menschen mehr sterben als im Jahr zuvor, verändert sich das Bild – jetzt sind es nur noch 3,4% mehr als 2016–2019 und 1,6% im Vergleich zum „Grippejahr" 2018.
Vor einigen Tagen, die Sterbezahlen waren da bis zum 27.12.2020 erfasst, kontaktierte ich Mathias Brandt von der Statista GmBH und fragte noch einmal nach. Er bestätigte die Zahlen, teilte mir aber auch seine Einschätzung mit, dies sei „viel“. Auf meine Nachfrage, wie es denn um die Sterberate stünde (jährliche Sterbefälle je 1.000 Einwohner), um einen Eindruck von den relativen Werten zu bekommen, sandte er mir eine Tabelle zu, der die Zahl der Toten, die Gesamtbevölkerung und die Sterberate für jedes der vergangenen 30 Jahre zu entnehmen war. Die aktuelle Sterberate sei mit 11,69 so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr, meinte Herr Brandt.
Nun muss man wissen, dass die Sterberate in Deutschland von 1960 bis 1985 immer über 12 betrug, später nur selten unter 11; im Jahr der Wiedervereinigung, 1990, lag sie bei 11,6 – ich kann mich allerdings weder an geschlossene Geschäfte, Restaurants und Kneipen, noch an abgesagte Sportveranstaltungen, verbotene Theater- oder Konzertaufführungen, Maskenzwang und Kontaktverbote oder gar an die Einschränkung von Grundrechten im Dutzend erinnern.
Im Grippejahr 2018 lag die Sterberate bei 11,5 und im vergangenen Jahr bei 11,69. Wir haben im Vergleich also auf den ersten Blick eine leichte Übersterblichkeit zu verzeichnen. Nach Berechnung der letzten vier Tage 2020 fiel sie am Ende noch ein wenig höher aus. Was allerdings nicht an den „Corona-Toten“ allein liegen muss. Theoretisch denkbar sind auch, obwohl wahrscheinlich nicht signifikant ins Gewicht fallend, steigende Suizidrate, verschobene Operationen, aus Angst nicht angetretene Arztbesuche oder Vorsorgeuntersuchungen et cetera. Das Statistische Bundesamt stellt denn auch klar: „Über die Häufigkeit einzelner Todesursachen können die Sterbefallzahlen… keine Auskunft geben.“
Vor allem aber wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der Menschen in der Altersgruppe über 80, die nun einmal ein höheres Sterberisiko haben: Seit 2016 ist diese Zahl der Ü80-Jährigen um eine Million gestiegen (von 4,9 auf 5,9 Millionen), und mehr als die Hälfte der Sterbefälle ist dieser Altersgruppe zuzuordnen. (Zur Einordnung: 2020 wurden insgesamt 39.000 Todesfälle „im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung“ gemeldet, wobei nach Definition des RKI jeder als „Corona-Toter“ gezählt wird, der zum Zeitpunkt seines Todes als positiv getestet gilt, unabhängig davon, ob dieser Mensch beispielsweise auch an Krebs litt.)
Tödliche Seuche, kaum Übersterblichkeit
Wie diese Studie von Prof. Dr. Peter Pflaumer, TU Dortmund, zeigt, könnte man die verzerrenden Auswirkungen der steigenden Bevölkerung und die sich ändernden Altersstrukturen zwischen 2017 und 2020 beseitigen, indem die Bevölkerung und ihre Altersstruktur von 2016 angenommen werden – dann ergäbe sich eine standardisierte Todeszahl von 871.197 im Jahr 2020 – die Anzahl der Todesfälle, die eingetreten wäre, wenn keine demografischen Veränderungen stattgefunden hätten. Mit dieser Zahl läge die Sterblichkeit im Jahr 2020 sogar um 2,2 Prozent unter dem Durchschnitt der standardisierten Todesfälle der letzten vier Jahre.
Die 982.489 Sterbefälle, die das Statistische Bundesamt nun für das Jahr 2020 verzeichnet, liegen auch nach Ansicht von Prof. Dr. Thomas Rießinger im Bereich des unter Berücksichtigung der demographischen Veränderungen Erwartbaren, wie er in einem Gastbeitrag vor zehn Tagen bei Boris Reitschuster schrieb.
„Auch wenn sich die absolute Zahl hoch anhört und jeder Einzelfall – heute muss man diese Selbstverständlichkeit immer wieder betonen, um nicht von den üblichen Vorwürfen umtost zu werden – unzweifelhaft traurig und schlimm ist, so handelt es sich doch nur um eine Erhöhung um 1,2%, die man als Übersterblichkeit interpretieren kann. In den Jahren 2015 und 2018 gab es in diesem Sinne Übersterblichkeiten von etwa 1%, und niemand hat das Ende der Welt ausgerufen. Noch deutlicher wird die Größenordnung, wenn man die Zahl der zusätzlichen Sterbefälle pro 10.000 Einwohner bestimmt: die liegt dann bei 1,4 zusätzlichen Toten pro 10.000 Einwohner.“ (pro Jahr! C.C.)
Das Statistische Bundesamt schreibt in seiner aktuellen Presseerklärung selbst:
„Gegenüber 2019 ist die Zahl der Sterbefälle damit um mindestens 42.969 oder 5% gestiegen. Dieser Anstieg ist zum Teil auf kalendarische sowie demografische Aspekte zurückzuführen: 2020 war ein Schaltjahr, sodass sich durch den zusätzlichen Tag ein Anstieg um etwa 3000 Fälle gegenüber dem Vorjahr ergibt. Wenn man außerdem den bisherigen Trend zu einer steigenden Lebenserwartung und die absehbaren Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung berücksichtigt, wäre ohne Sonderentwicklungen ein Anstieg um etwa 1 bis 2% für das Jahr 2020 zu erwarten gewesen.“
Und weiter heißt es:
„Die gestiegenen Sterbefallzahlen im Jahr 2020 sind größtenteils auf eine Zunahme von Sterbefällen in der Altersgruppe der ab 80-Jährigen zurückzuführen. Insgesamt starben mindestens 576.646 Personen in dieser Altersgruppe (+41.152 Fälle oder +8% im Vergleich zu 2019). Die Zahl der ab 80-Jährigen dürfte im Laufe des Jahres nach Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung um etwa 4 bis 5% zugenommen haben.“
Wir sehen: Die absoluten Zahlen mögen die Menschen verunsichern, setzt man sie ins Verhältnis, sieht es schon ganz anders aus. Jedenfalls nicht so, dass es den zum Dauerzustand gewordenen Ausnahmezustand rechtfertigen könnte. Und auch das manipulative Herumreiten auf nackten „Infizierten“-Zahlen ohne jegliche Einordnung ist nur dazu angetan, Ängste zu schüren, die in der Regel übertrieben sind. Insbesondere was den polit-medialen Komplex angeht, ist nur allzu häufig bewusste Irreführung zu konstatieren, die Unfähigkeit, Statistiken zu lesen, kommt als alleinige Erklärung nicht infrage. So problematisch eine COVID-19-Erkrankung für Betroffene auch sein mag: Die erwähnten Zahlen geben die Angstmache im großen Stil einfach nicht her, und die Verweigerung von Grundrechten schon gar nicht, so sieht’s aus.
Man muss schon die Frage stellen: Ist diese Pandemie wirklich die „Jahrhundertkatastrophe", die uns laut Merkel im vergangenen Jahr heimgesucht hat? Rechtfertigt der – ebenso leichte wie und erwartbare – Anstieg der Sterbefälle die erheblichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Kollateralschäden? Mussten deswegen viele Menschen in ihren letzten Stunden ganz allein sterben und andere völlig vereinsamen? Zahllose Existenzen vernichtet werden? Den Kindern Bildung und vor allem auch die Zeit mit anderen Kindern oder ihren Großeltern vorenthalten werden? Das ganz normale Leben von zig Millionen eingestellt werden, ohne Reisen, Familienfeiern, Kino-, Theater- oder Konzertbesuche, Sport, Shopping oder auch nur ein gemeinsames Essen mit Freunden, lauter Dinge, die das Leben erst lebenswert machen?
Früher oder später wird die Frage nach dem Umgang mit der Krise gestellt werden. Und damit auch die nach der Verantwortung. Dass die Medien ein Desaster wie das um die fehlende Impfstoffbeschaffung und den katastrophal unzureichenden Schutz der Risikogruppen nicht mehr schönreden können, kann nur der Anfang sein.
Persönliche Nachbemerkung:
Was das Thema COVID-19 betrifft, ging es mir lange so wie den meisten Menschen: Ich war grundsätzlich vorsichtig, zeigte Einsicht in die „Maßnahmen“, schnallte mir beim Einkaufen und im ÖPNV den elenden „Mund-Nase-Schutz“ um, hielt Abstand.
Allerdings war da immer auch ein latentes Unbehagen. Dass Politik und Medien unisono von der gar schröcklichen Epidemie, ja Pandemie sprachen und Kritiker ihrer mannigfaltigen Verbote in Bausch und Bogen als „Corona-Leugner“, „Aluhut-Träger" und „Covidioten“ abkanzelten, machte mich zunehmend skeptisch. Dann kam der Sommer. Und von Ende Mai bis Anfang November starben in Hamburg, wo ich lebe, immerhin der zweitgrößten Stadt Deutschlands, pro Woche (!) einer bis maximal fünf Menschen an oder mit SARS-CoV-2. In manchen Wochen auch gar keiner. Ich überlegte, wie viele Menschen ich so kenne: Verwandte, Freunde, nahe und entfernte Bekannte, Kollegen, Ex-Kollegen, darunter nicht wenige alte Menschen. Dabei kam locker eine dreistellige Zahl heraus. Und es gab auch nach einigen Monaten keinen einzigen Fall einer Corona-Erkrankung in diesem Kreis, geschweige denn einen schweren Verlauf oder gar einen Seuchentod, der angeblich überall dräute. Als ich ein wenig herumfragte, stellte sich heraus, dass es anderen ebenso ging.
Das war nun eine merkwürdige Pandemie. Als historisch interessierter Mensch wusste ich um diverse Seuchen, die in der Antike und im Mittelalter die Menschen wie die Fliegen sterben ließen. Der Schwarze Tod (1347–1353) löschte ein Drittel der europäischen Bevölkerung aus, wohl um die 25 Millionen Menschen fielen ihm zum Opfer. Und nun erschien ein SPIEGEL-Sonderheft mit dem Titel „Pest, Cholera, Corona: Die größten Epidemien aller Zeiten“.
Dabei war relativ rasch klar, dass das „neuartige“ Virus weit weniger tödlich war als zunächst befürchtet, eben weder Pest noch Cholera, nicht einmal Ebola oder Typhus. Nicht annähernd. Was natürlich nicht heißt, dass Corona harmlos ist. Nur eben in seiner Mortalität kaum schlimmer als ein fieses Grippe-Virus. Weswegen es hauptsächlich sehr alte und schwer vorerkrankte Menschen traf und nicht, wie oft und lange behauptet, unterschiedslos jeden gleich hart erwischen konnte. Und über 90 Prozent der Infizierten hatten keine oder nur milde Symptome. Laut einer Grafik, die auf RKI-Angaben beruht, beträgt der Anteil der Toten im Zusammenhang mit dem Corona-Virus in Deutschland in der Altersspanne von 0–49 Jahren nur 0,9 Prozent. In der Altersgruppe 70+ sind es dagegen 89 Prozent. Die Senioren sterben zumeist in Pflegeeinrichtungen.
Dennoch wurde die allgemeine Angst vor dem furchtbaren Erstickungstod von Anfang an befeuert. Von den Medien, die mangels hoher Sterbezahlen täglich gebetsmühlenartig die Zahl der angeblichen „Neuinfektionen“ herunterspulten und ihre Schauerberichte zuweilen mit Bildern von gestapelten Särgen anreicherten, und auch von der Politik, die immer neue, immer härtere Maßnahmen damit begründete, die Verbreitung des Virus „eindämmen“ zu wollen; sollte dies nicht gelingen, drohe eine Überlastung unseres Gesundheitssystems. (Dass dies nicht einmal aktuell so ist, zeigt ein Blick in das DIVI-Intensivregister, wo für jedermann einsehbar aufgelistet ist, dass es noch reichlich freie Intensivbetten gibt. Derzeit sind es 3.787. Innerhalb von sieben Tagen wäre sogar eine Notfallreserve von 10.408 Betten verfügbar. COVID-Patienten belegen übrigens 21% der Intensivbetten in deutschen Kliniken.)
Ich lernte: positiv getestet ist nicht gleich infiziert; infiziert ist nicht gleich krank; krank ist nicht gleich schwerer Verlauf; und auch schwerer Verlauf ist durchaus nicht immer tödlich. Tatsächlich bleibt das Risiko für gesunde junge und mittelalte Menschen verschwindend gering, und auch alte Menschen überleben eine Infektion, wenn sie einigermaßen fit sind. Das ist vielen immer noch nicht klar. Das Risiko wird grotesk überschätzt, wie selbst der bei der Panikmache fröhlich mitmischende SPIEGEL einmal einräumte:
„Die Befragten gaben im Schnitt an, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 26 Prozent im kommenden Jahr lebensbedrohlich an Covid-19 erkranken.“
Korrektur:
In einer früheren Version des Artikels war irrtümlich von Herrn Mathias Brandt als Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes die Rede; tatsächlich ist er Mitarbeiter der Statista GmBH. Die im drittletzten Absatz verlinkte Grafik ist ebenfalls von Statista (Quelle: RKI), nicht vom Statistischen Bundesamt.