Alexander Gutzmer / 29.04.2014 / 22:32 / 14 / Seite ausdrucken

Schuld am FC Bayern-Desaster: die 17 anderen Bundesliga-Clubs

So fühlt er sich also an, der Boden der Tatsachen. Real Madrid hat Fußball-Deutschland demonstriert, dass sich die Grundkoordinaten des Clubfußballs mitnichten fundamental verändert haben in den letzten Jahren. Es ist wie meist: Bayern München spielt oben mit, aber nur einigermaßen. Der Rest der Bundesliga nicht. Gar nicht. Und die Bundesliga ist auch weder „die stärkste Liga der Welt“ noch ausgeglichener als die Ligen in England oder Spanien. Dem momentanen Trend zur deutschen Selbstüberschätzung zum Trotz.

Wer ist Schuld am Reinfall von München? Guardiola? Vielleicht ein wenig. Weil er Ballbesitz mit Torgefahr verwechselt. Schweinsteiger, Lahm? Sicher auch. Aber vor allem: die anderen 17 Bundesligaclubs. Weil sie in dieser Saison in dramatisch wettbewerbsfeindlicher Weise ihre Spiele gegen den FC Bayern abgeschenkt haben. Der Club war gefühlt seit Spieltag drei Deutscher Meister. Jeweils mit amüsiertem Lächeln durften die Bayern Tor um Tor schießen. Es herrschte die gepflegte Langeweile. Der Guardiola-Club hat in dieser Saison nie auch nur im mindesten Wettkampftemperatur aufgenommen.

Wie auch. Wenn es völlig okay ist, 0:3 zu verlieren; wenn Teams wie Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern gar Spieler schonen, weil sie sowieso keine Chance erwarten, dann ist es für die Bayern schwer, eine solche Saison ernst zu nehmen. Die Bundesliga hat es sich kuschelig einfach gemacht mit den Bayern. Für Spieler und Trainer sämtlicher Clubs diente die vermeintliche Überdominanz der Münchner als bequeme Ausrede, sich mal für ein Wochenende keinem Gedanken an echten Wettbewerb aussetzen zu müssen. Die Medien haben sekundiert, indem sie Bayern feierten und den Verlierer mit Samthandschuhen anfassten. „Finden Sie die Bayern auch so toll?“, wurden die gefragt, nicht „Warum haben Sie verloren?“ Diese Haltung hat letztlich alle verwirrt – vor allem die Bayern selbst. Die Klatsche heute Abend war die Quittung. Die Folgen sind für die gesamte Liga übel.

Schön wäre es also, wenn das Gefasel von der Übermannschaft aufhört. Dass sie das nicht ist, haben wir gerade gesehen. Als Alternative wäre ich ernsthaft für die Einführung einer europäischen Clubliga. Da herrscht dann nämlich ein richtiger, ernsthafter, interessanter Wettbewerb. Und zwar an jedem Spieltag.

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Leserpost

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Christian Weyland / 30.04.2014

Ooooch…. Buhuuuu…. die bösen bösen Konkurrenten. Haben den Orks das Triple versaut. Ich habe mich über Ihren feinsinnig-ironischen Beitrag sehr gefreut, Herr Dr. Gutzmer. Vielen Dank! Allerdings: Eintracht Frankfurt hat nicht 0:3 verloren, sondern 0:5 ... und hat eigentlich nur diejenigen Spieler geschont, welche kurz vor einer Sperre standen, um sie dann gegen die Abstiegsmitbewerber einsetzen zu können. Sorry dafür. Uns steckt halt keiner ein paar Fantastilliarden jährlich in den Arsch, damit wir uns aus den Besten der anderen Clubs eine dritte und vierte Mannschaft zusammenpopeln können. Wir müssen mit den Ochsen pflügen, die wir haben ;-) Wenigstens hat Würschtl-Uli jetzt keinen Termindruck mehr. Man muss sich auch freuen können für so einen ehrenwerten Mann.

Georg Thomas / 30.04.2014

Ich stimme Ihrer Analyse zu, nur dass ich das Problem “Guardiola” stärker gewichten würde, als Sie es tun. Der spanische Trainer hat die Bayern-Elf dazu konditioniert, sich selbst in das Korsett einer fußballerischen Monokultur einzuschnüren. Die taktische Variabilität, die man unter Heynckes noch beherrschte, ist soweit wegkonditioniert, dass die Mannschaft nicht einmal mehr in der Lage ist, Konterfußball zu spielen. Natürlich bei der enorm hohen Qualität des Bayern-Kaders kann man trotz einer Behinderungs-Erkrankung vom Typ Ballbesitz-über-alles den heutigen deutschen Spitzenfußball (1.Bundesliga) noch dominieren - nicht aber auf internationalem Niveau die erste Geige spielen. Wenn selbst (nach internationalem Maßstab relativ schwache) deutsche Mannschaften ihren Defätismus gegenüber Bayern ablegen, erweisen sich die Guardiola-Geschädigten als besiegbar (siehe FC Augsburg). Guardiola ist ein Relikt, er verließ Barcelona am Rande des Burn-Outs und tauchte in New York für ein Jahr unter, nur um das obsolete Tiki-taka (errinert sich keiner mehr an die Zerlegung des FC Barcelona durch den FC Bayern im letzten Jahr?) nach München einzuschleppen. Man darf gespannt sein, wie lange die Bayern-Verantwortlichen brauchen, bis sie ihren schweren Fehler einsehen und sich von Guardiola trennen. Für eine Rückkehr zum variantenreichen Fußball braucht man freilich keinen Guardiola, selbst wenn dieser sich dahingehend einsichtig zeigen würde. Er müsste sich ja selbst erst dekonditionieren.

Vaclav Endrst / 29.04.2014

Schuld sind immer die andere. So ist das halt in gewissen Kreisen. Als ich gefragt wurde vor dem Spiel Bayer -Real, habe ich das Desaster vorhergesagt. Die Spieler des Bayern München sind zwar erfahren aber leider auch alt. Sie haben gegen die jüngeren Spieler des Real gerade aus diesem Grund gar keine Chance gehabt.

Andreas Glaesel / 29.04.2014

Das eigentliche Problem ist weder eine deutsche Selbstüberschätzung, noch die Schwäche der anderen 17 Bundesliga-Vereine, sondern die Tatsache, dass es im Fußball haargenauso wie in Politik und Wirtschaft läuft. Die dummen Deutschen halten sich an die Regeln, während die, nennen wir sie mal vereinfachend “Südländer”, sich darüber totlachen. Real bekommt jedes Jahr auf´s Neue mit gefühlt 1 Milliarde Euro Schulden eine Lizenz, während der MSV Duisburg wegen fehlender fünf Millionen in Liga 3 zwangsabsteigen muss. Würden europaweit gleiche Maßstäbe angelegt, gäbe es einen Verein namens Real Madrid schon lange nicht mehr. DAS wäre die Grundvoraussetzung für einen richtigen, ernsthaften, interessanten Wettbewerb. Dann klappt´s auch mit der Titelverteidigung in der Champions League…

Roland Wolff / 29.04.2014

Gut analysiert! Das die Bundesliga die stärkste Liga der Welt ist, fand ich auch nach letzter CL-Saison falsch. Immer dieses “himmelhochjauchzend oder zutodebetrübt”. Mein Gott, es gibt ein Uefa-Ranking, da sind wir auf Platz 3, so sieht es aus. Ich gebe ihnen recht: wie manch ein Bundesligist seine spiele gegen die Bayern hergeschenkt hat, das war schon etwas unangenehm. Ebenfalls peinlich dann die Empörung derselben Teams über die Aufstellung der Bayern nach der gewonnenen Meisterschaft im März und das Gerede von Wettbewerbsverzerrung. Ich finde, die Europaleague zeigt viel mehr als die CL, dass es der Bundesliga noch an Qualität in der Breite fehlt. Dort konnte sich schon seit ein paar Jahren kein Team mehr übers Achtelfinale hinaus qualifizieren. Ich will aber auch nichts schlechtreden: bayern und dortmund haben madrid und barca vor gut einem jahr regelrecht abgeschossen, das war schon eindrucksvoll. Aber ebenso eindrucksvoll mit betonung auf “druck”, wie Real heute aufgetreten ist. Jetzt hoffe ich auf ein städtetreffen im finale, denn die mourinhos maurer, die will ich nicht sehen.

Caroline Neufert / 29.04.2014

Na, schon während der zweiten Hz geschrieben ? Und mal wieder, typisch deutsch, die Schuld auf die anderen schieben. Die armen Bayern haben verloren, weil sie, ach, nie in der Liga gefordert wurden, ach Gott, ach Gott ... wir (Sie) können ja spenden, die Millionen, die dem FCB nun verloren gehen ...  Hoeness (traurig für ihn) wird morgen vorzeitig seine unnötige Strafe antreten. Ich hab das Spiel (beim Italiener) gesehen und die Bayern haben (leider) besch. gespielt, keine Angriffe, geschweige die Abwehr, diese hatte nur Zweitliga - Niveau (Lobeshymnen auf Dante diese Woche in der Welt ????) und dann noch Neuer - o.W.. Das mit fehlender Praxis/Herausforderung zu legitimieren, ist peinlich (von Ihnen) !!! Jeder Champion, ob im Fußball, in der Musik, Malerei, Journalismus etc. muss sich a) selbst fragen wie stark sein jeweiliger Wettbewerb ist und b) sich selbst motivieren können ...

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