Georg Etscheit / 12.07.2023 / 10:00 / Foto: TimsAI / 77 / Seite ausdrucken

Rundfunkbeitrag: Die Bastion hält vor Gericht

Der Ausgang eines aktuellen Rechtsstreits über die Beitragspflicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt einmal mehr, dass der Kampf um den Zwangsbeitrag eher politisch als juristisch ausgetragen werden muss. Ein Prozessbericht aus München.

Wer seinen Rundfunkbeitrag, vulgo Zwangsgebühr, nicht zahlen möchte, weil er oder sie der Auffassung ist, dafür keine adäquate Gegenleistung in Form eines zumindest halbwegs ausgewogenen Programms zu erhalten, wird irgendwann vor einem deutschen Verwaltungsgericht landen. Und die Chance, mit einem Widerspruch zu einem Beitragsbescheid des „Beitragsservice“ von ARD/ZDF und Deutschlandradio Erfolg zu haben, ist gleich null. Klingt unbefriedigend, doch daran gibt es, wie die Dinge aktuell stehen, nichts zu rütteln.

Denn wer brav oder unter Protest seinen Rundfunkbeitrag überweist, hat nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Anspruch auf eine entsprechende inhaltliche Gegenleistung, wie auch immer sie beschaffen sei. Die Zahlung kann nur und ausschließlich dann verweigert werden, wenn der Betreffende keine physische Möglichkeit besitzt, die öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehprogramme empfangen zu können. 

Dazu müsste er oder sie entweder in einem tiefen Tal leben, in das kein öffentlich-rechtliches Sendesignal je hinabreicht. Oder er/sie müsste gleichermaßen taub wie blind sein. Letzteres, so Mechthild Klein, Vorsitzende Richterin am 7. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, „ist hier ja augenscheinlich nicht der Fall“. Verhaltenes Gelächter bei den Zuhörern. Stumm zu sein ist nicht nötig, denn man hat nur zu schauen oder zu hören, aber nicht mitzureden. Das dürfen nur die immergleichen, politisch korrekten Gäste in den Talkshows. 

Ein Prozess in München

Ein Dienstagvormittag in München. Draußen auf der Münchner Ludwigstraße brütet die Sonne, drinnen im vollklimatisierten Sitzungsaal 3 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes wird über die Berufung einer säumigen Beitragszahlerin gegen ein erstinstanzliches Verwaltungsgerichtsurteil verhandelt, in dem die Klägerin bereits abgeblitzt war. Unterstützt wird sie von der bundesweiten Initiative „Leuchtturm ARD“, die etwa mit Mahnwachen vor Funkhäusern gegen „offensichtliche Fehlentwicklungen beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, insbesondere mangelnde Ausgewogenheit; „einseitige Diskursverengung“ und zu große Staatsnähe protestiert und sich „umfangreiche historische Reformen“ der Anstalten zum Ziel gesetzt hat.

Doch beim 7. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, besetzt mit drei hauptamtlichen Richterinnen, beißt der Rechtsanwalt und Buchautor Friedemann Willemer („Vom Scheitern der repräsentativen Demokratie“) auf Granit. Schon in einer ersten rechtlichen Einschätzung zu Beginn macht die Vorsitzende Richterin unmissverständlich klar, dass sich der Senat auf keinerlei inhaltlich-politische Diskussion einlassen will. Das von Willemer in einem halbstündigen Vortrag vehement apostrophierte „strukturelle Versagen“ nicht nur der Programmgestalter, sondern auch der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien könne keine Entbindung von der Beitragspflicht begründen. Oder in anderen Worten: Programmkritik kann die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrages nicht aushebeln. Ausnahmen: siehe oben.

Der Senat sieht auch keine eigene „gerichtliche Aufklärungspflicht“ zu dem von der Initiative und der von ihr unterstützten Beitragsverweigerin vorgebrachten Argumenten, wonach die Meinungsvielfalt in den Programmen der Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr gewährleistet sei. Entscheidend sei, so Klein, die „materiell-rechtliche“ Auffassung des Senats zur Konstruktion des Rundfunkbeitrags, die sich auf entsprechende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts stütze. 

Keine Beachtung für ein Gutachten

Ein eigens von der Initiative in Auftrag gegebenes Gutachten des Münchner Kommunikationswissenschaftlers Michael Meyen, der „die Unausgewogenheit des ÖRR untersucht“ habe und zu „eindeutigen Ergebnissen“ gelangt sei, spielte im Verfahren keine Rolle. Meyen selbst steht an seiner Alma mater, der Ludwig-Maximilians-Universität, derzeit wegen ihm vorgeworfener Sympathien zur „Querdenker-Bewegung“ unter verschärfter Beobachtung.

Nach gut einer Stunde Verhandlung vor vollbesetzten Publikumsrängen im Münchner Verwaltungsgerichtshof blieb kein Zweifel, dass der Senat keinerlei Neigung verspürte, den Kritikern der Öffentlich-Rechtlichen in ihrer derzeitigen Verfassung auch nur einen Millimeter entgegenzukommen. Und so konnte der Rechtsvertreter des Bayerischen Rundfunks (BR) gelassen darauf verweisen, dass „politische Debatten“ über die konkrete Programmgestaltung eben nicht die Beitragspflicht berührten. Wo käme man auch hin, wenn jeder plötzlich auf den Gedanken käme, weil ihm dies oder jenes nicht zusage, einfach seinen Obolus nicht mehr zu entrichten.

Natürlich kann man zumindest theoretisch auf einen Richter treffen, der kurz vor der Pensionierung steht und vielleicht doch einmal ein Zeichen setzen will, selbst wenn das Urteil den weiteren Instanzenweg nicht überstehen sollte. Doch einstweilen hält die Bastion. Immerhin belief sich der Streitwert im vorliegenden Fall nur auf 63,53 Euro, den ausstehenden Rundfunkbeitrag. Die Gerichtskosten seien mithin sehr überschaubar, sagte Richterin Klein, mit einem Anflug von Bedauern. „Wir verdienen hier eben nicht so viel.“ Damit sieht es in den höheren Etagen der Rundfunkhäuser schon ganz anders aus.

Foto: TimsAI

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Gabriele Klein / 12.07.2023

Habe ernste Zweifel an dieser Initiative, denn es geht um nichts Geringeres als Grundrechte u.das Recht frei zu entscheiden, für welche Info Quelle ich meine begrenzten Ressourcen ausgeben will. Es geht auch um das Recht auf Lohn für geleistete Arbeit der vor Einführung d. Quetschgelds vertraglich bar entrichtet wurde und nicht in Form einer zu versteuernden “Seifenoper” i. Gegenzug. Mit dem “Kunstgriff” der Haushaltsabgabe hat sich der Staat zwischen diese vertragliche Abmachung geschoben um einen Teil des Lohns in teils gar noch getürkte rating shows zu verwandeln (Betrug?). Ich sehe ferner meinen Glauben u. Werte schwer verletzt u. erlebe die Israel Berichterstattung als antisemitisch. D.h. es geht u. mehr als nur “ausgewogene"Programme. Anders ausgedrückt: ich lehne jene Prämisse die die Initiative “stillschweigend” unterstellt von vornherein ab, da ich meine Religionsfreiheit mit Füßen getreten sehe. Hätte ich die Wahl, würde ich das Quetschgeld lieber in die “Caritas” “Holocaust”- Katastrophenopfer, Witwen Waisen SOS Kinderdörfer stecken als in Programme wie “Leeroy” wills wissen. Aber die Ressourcen sind begrenzt, was ins Budget von “Leeroy wills wissen” fließt ist für die “Hungernden” nicht mehr da. Man kann sich für dieses Land mit seinen angeblich 25 jährigen Damen aufm ÖR Wickeltisch ihres verpixelten Dads nur noch schämen. Leeroy lässt in der Tat sehr tief blicken…. (Siehe Broder “Fragen Sie Dr.Gniffke”

Knapp, Heinerich / 12.07.2023

Da hatte ich doch Glück, nach 10 Jahre Nichtzahlung , die hatten mich schlicht und einfach nach der ersten Überweisung im Jahre 2012 “vergessen”. Erst mit dem Datenabgleichung der Einwohnermeldeämter kam eine Bot-od. KI veranlasste Nachricht seitens Beitragsservice. Im Anhang ein grottenschlecht gestaltetes Formular zwecks Feststellung der offenen Zahlungen. Natürlich nicht fristgerecht beantwortet, mit solchen Lappalien gebe ich mich nicht ab. Im Gegenteil, den BS mit Fristsetzung aufgefordert, mir die in den Raum gestellte Summe von ca. 750 € aufzudröseln. Natürlich kommt von einem Bot-od.KI basierten Programm keine Antwort. Das wäre doch zu einfach. Habe dann eine Woche nach Fristablauf des BS, telefonisch mit diesem Kontakt aufgenommen, um das Thema telefonisch zu klären.——- Eine Lachnummer vor dem Herrn !  Nach fünfminütigem Gespräch hatte ich den BS-Fuzzi soweit, das er richtig ausfallend wurde. Der Spaß war auf meiner Seite !  Tatsächlich war es so, das er mir nicht erklären konnte.  wie sich der Gesamtbetrag zusammensetzte. Tage später habe ich den ausstehenden Betrag abzüglich meiner Bearbeitungspauschale überwiesen, den Streß mit GV und Knastandrohung etc. tue ich mir nicht an. Das zehrt nur an meiner kostbaren Lebenszeit.

Werner Gottschämmer / 12.07.2023

@Steffen Huebner / 12.07.2023. Kann so schön einfach sein. Kurz und knapp, ansonsten bleibt nur, die da!! ärgern wie und wann es geht.

Rid Banks / 12.07.2023

Deutsches Recht: Bei Gericht wird das Urteil verkuendet, und dann locker und schluserig banal geschwafelt bis die eingeplante Zeit vorbei ist.

Manfred Wetzel / 12.07.2023

Die Öffentlich-Rechtlichen haben auf dem Meinungsmarkt ein marktbeherrschendes Kartell errichtet. Auf allen Sendern findet man die gleichen Nachrichten, Meinungen und Kommentare. Alles was die Öffentlich-Rechtlichen nicht berichten hat nicht stattgefunden. Schlimmer noch, es wird nie stattgefunden haben. Ein Drittel der Öffentlich-Rechtlichen muss weg.

Judith Panther / 12.07.2023

@Marco Schulz - ich wiederhole: Noch NIE GEZahlt und trotzdem keine Mahnungen, keine Gerichtsverfahren, keine Probleme. Aber - hören Sie nicht auf mich. Zahlen Sie weiter. Nicht, daß die Irren-Anstalt womöglich noch PLEITE geht! Was soll der Deutsche dann noch fressen?

Paul Ehrlich / 12.07.2023

Das brave Volk muss rebellisch werden, nicht mehr zahlen weder Demokratieabgabe ein schönes Wort noch Steuern. Aber das wird wohl ein Traum bleiben.

Gabriele Klein / 12.07.2023

@Herr Gründler: So ists, bestens auf den Punkt gebracht. Macht und Polizeigewalt ist Recht. Erst wenn letztere die Hosen gestrichen voll haben u. sich d. Gerichtsvollzieher z.B. in gewisse Migranten Hotspots nicht mehr reintraut könnte es klappen mit der Umsetzung von Artikel 20 (Declaration of Human Rights) Da steht unter Punkt 2: No one may be compelled to belong to an “Association”.  Mir wäre nicht bekannt, dass der Ku Klux Klan sich aus Mitgliedsbeiträgen der dunkelhäutigen Bevölkerung je finanziert hätte. Und so wie der Ku Klux Klan ein solches Recht zum Glück nicht erhielt würde auch ich mir wünschen dass ich nicht analog zur Kasse gebeten werde. Z.B. von einem “Theaterverein” der auf seiner Bühne in Stürmer Manier Haß Tiraden gegen alte weibliche Rentner absetzt um sie pauschal mit Hilfe eines Kinderchors als alte Umweltsäue zu diffamieren. “Soviel meinerseits zur “Ausgewogenheit” des Programms”.

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