Chaim Noll / 30.07.2018 / 16:00 / Foto: Freud / 28 / Seite ausdrucken

„Rassismus“ – Ein Wort wird verbraucht und verbrannt

Rassismus gibt es wirklich. Es gibt Menschen und Gruppen, die andere allein dafür verachten, dass sie anderer Hautfarbe sind oder anderen Völkern angehören. Das ist zweifellos dumm, ein Zeichen von Beschränktheit, es verhindert Austausch, Kooperation und Entwicklung. Jeder vernünftige Mensch begreift: Rassismus schadet. Er mag kurzzeitig dem Selbstgefühl aufhelfen, doch zugleich verhindert er Chancen. Deutschland hat ein besonderes Problem mit Rassismus, nachdem die Nazis mit ihrer Rassentheorie einen gescheiterten Eroberungskrieg und die versuchsweise Vernichtung oder Versklavung anderer Völker begründet haben.

Seither ist Rassismus in Deutschland eine schreckeinflößende Vokabel. Sie erinnert an das Desaster des deutsch-nationalen Größenwahns. Rassismus ist für Deutsche assoziativ verknüpft mit der beispiellosen Niederlage 1945, mit zerbombten Städten, Millionen Toten, verlorenen Gebieten. Ein deutsches Spezifikum, das erklären hilft, warum „Rassismus“ zu einem Terminus geworden ist, der das ganze Land in Tage und Wochen währende angsterfüllte, nicht selten hysterische Kontroversen stürzt.

Ein Fußballspieler genügt. Er begründet seinen Austritt aus der deutschen Mannschaft, die in der letzten Weltmeisterschaft gescheitert ist, raffiniert mit „Rassismus“. Damit hat er geschickt das alte Trauma ins Spiel gebracht: die assoziative Verknüpfung von Rassismus und Scheitern. Kein Wunder, er ist, obwohl Kind türkischer Eltern, in Deutschland geboren und aufgewachsen, er kennt sich bestens aus mit den psychischen Problemen der Deutschen. Indem er die Schreckvokabel „Rassismus“ ins Spiel bringt, spekuliert er auf den bedingten Reflex, der die Impulse deutscher Selbst-Bezichtigung in Gang setzt, die Mühlen des ewigen Themas „deutsche Schuld“. So dass man am Ende ganz vergisst, dass er, der an den Niederlagen beteiligte Fußballspieler, eigentlich mehr Schuld am Scheitern der deutschen Mannschaft trägt als die von ihm angeklagte Gesellschaft.

Ein hohles, doch großformatiges Mordinstrument

Ein Wort wird verbraucht und verbrannt: „Rassismus“ ist inzwischen kein mit nachvollziehbarem Inhalt erfüllter Begriff mehr, sondern ein hohles, doch großformatiges Mordinstrument. Jemand stellt fest, dass Lappländer in der Regel etwas ruhiger und langsamer wirken als Süditaliener – Rassismus. Der Journalist einer Lokalzeitung erwähnt anlässlich der neuesten Vergewaltigung im Stadtpark, der Verdächtige sei von Zeugen als Mann dunkler Hautfarbe beschrieben worden – Rassismus. Die israelische Polizei räumt ein nach bürgerlichem Landrecht illegales Beduinenlager, weil eine Straße durch die Wüste gebaut werden soll – Rassismus. Ein Wissenschaftler referiert über den expansiven Charakter des frühen Islam – Rassismus.

Einmal habe ich auf einer Lesereise in Deutschland ahnungslos das aus meiner Kindheit vertraute, eigentlich liebevoll gemeinte Wort „Negerkuss“ für eine Süßigkeit verwendet – nur mit Rücksicht auf meinen Gast-Status blieb es bei Ermahnungen und der Einschärfung der neuen, politisch korrekten Vokabel. Wobei es weniger unsere dunkelhäutigen Mitbürger sind, die den Gebrauch dieses Wortes zum rassistischen Skandal erklären, als eine Gemeinde von Wortwächtern und Gedankenpolizisten, denen jeder Anlass recht ist, ihre Mitmenschen zu erziehen und mit Verboten zu belegen.

Bei Lichte besehen, galt die Ablehnung des Fußballspielers nicht dem Umstand, dass er von Geburt Türke ist – das war seit 29 Jahren bekannt und hatte niemanden gestört. Sondern seiner kürzlich erfolgten Wahlkampfhilfe für einen türkischen Despoten. Seine plötzliche Unbeliebtheit hat also politische, nicht „rassistische“ Gründe. Egal. Prompt beginnen die Prozeduren der Selbst-Beschuldigung in deutschen Medien. Auch die türkischen melden sich zu Wort, dann der neue Sultan. Der Anlass war ihm gerade recht, die heutigen Deutschen trotz ihrer Bemühungen um grenzenlose Offenheit „faschistisch“ und „rassistisch“ zu nennen.

Großzügiger Umgang mit einem überaus disponiblen Wort

Sie können sich damit trösten, dass er am gleichen Tag Israel den „am meisten rassistischen Staat der Welt“ genannt hat. Das zeigt nicht nur, wie großzügig er mit diesem überaus disponiblen Wort operiert, wie er es austeilt gegen jeden, der ihm politisch im Wege steht. Es zeigt auch, dass man sich heute, wenn man von dieser Seite „faschistisch“ oder „rassistisch“ genannt wird, in bester Gesellschaft wiederfinden kann.

So hat das Wort „Rassismus“ durch übermäßigen Gebrauch mehr und mehr seinen Sinn eingebüßt. Es wird in Fällen angewandt, wo es offensichtlich das Thema verfehlt. Ein bekannter Fall von kollektiver Gehirn-Blockade ist die Beschuldigung aller, die den Islam kritisieren oder ablehnen, als „Rassisten“. Ist es so schwer zu begreifen, dass der Islam keine Rasse ist, sondern eine Religion? Muslime leben auf allen Erdteilen, es gibt sie in jeder Hautfarbe, in Dutzenden Ethnien. Deshalb kann, wer den Islam nicht mag, als alles mögliche bezeichnet werden, als Religionskritiker, Religionsverächter, Atheist, notfalls als „islamophob“, aber nicht als „Rassist“. Und dennoch lesen wir täglich in den Zeitungen, Ablehnung des Islam wäre „Rassismus“ oder würde wenigstens dorthin tendieren.

Um den Fußballspieler muss man sich keine Sorgen machen: Sein genialer PR-Coup hat ihm das Wohlwollen seines Sultans beschert, er wird sich, auch wenn er nicht mehr Millionen durch Fußballspielen verdienen kann, in dessen Reich großer Beliebtheit und Gnade erfreuen. Dieses Reich erstreckt sich inzwischen bis Köln und Berlin, wo der Herrscher demnächst zum Staatsbesuch anreisen wird. Er fordert höchste Ehren, rote Teppiche und ein Staatsbankett, und er wird die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, seine treuen Untertanen zu weiterem Kampf gegen „Rassismus“ aufzurufen.

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Frank Holdergrün / 30.07.2018

Dass der Rücktritt ein genialer PR_Coup war, würde ich bezweifeln. Einzig der lahme Frosch selbst, wie ihn Basler bezeichnet hat, scheint diese Auto-Motivation gebrauchen zu können. So kann er in den kommenden Spielen gegen die bösen Vorwürfe von Hoeness anlaufen und Arsenal London zu neuen Höhen führen. Der tiefe Özil-Fall im Sommer 2018 wird ganz andere Dinge freisetzen, die das Management dieses Balltreters nicht bedacht hat.  Ehrliche Diskussion über den Islam gehören ebenso dazu wie massive Demos gegen den Führer aus Ankara bei seinem baldigen Staatsbesuch in Deutschland. Hier hat sich eine ganz neue Debatte entwickelt, die kein Blatt mehr vor den Mund nimmt. Entsprechen doch die haltlosen Rassismus-Vorwürfe Özil’s exakt dem gleichen Handlungsmuster der Vorwärtsverteidigung einer Kultur & Religion, die an sich selbst keine Kritik zulassen möchte. Gibt es in Berlin im September Demos gegen und pro Erdogan? Wie gehen diese Gruppen aufeinander zu, wie könnte man die entstehenden Reibereien auf der Straße kennzeichnen:? als erste Schritte in einen dramatischen Konflikt der Bürger gegeneinander?

Gisela Tiedt / 30.07.2018

Vielleicht liegt die Ursache für Özils Unbeliebtheit nicht so sehr in seinem politischen Fehltritt.  Der ist nur der geeignete Anlass, um ihn zu kritisieren und zu schmähen. Die eigentliche Kränkung ist viel älter und geht tiefer, gemeint ist die dezidierte Ablehnung, die Nationalhymne mitzusingen. Das konnte man aber nicht so heftig kritisieren, ohne in die nationalistische Ecke gestellt zu werden. So ist auch Wulff nicht wirklich über irgendwelche Geschenkannahmen gestolpert, die waren nur der Anlass. Stürzen ließ in der Satz vom Islam, der zu Deutschland gehöre.

Robert Jankowski / 30.07.2018

Angesichts des Bevorstehenden Besuchs des Sultens darf man gespannt sein, ob er von Mutti zumindest einen kleinen Klaps auf den Popo bekommt. Apeasement Politik vom Allerfeinsten ist das, was uns da erwartet. Es ist, wie Vera Lengsfeld schon schrieb: Deutschland ist ein Koloss auf tönernene Füßen und der Sultan wird uns weiter versuchen auszuhöhlen, während die geistige, linke Elite Dlands weiter in humanistischen Wolkenschlössern lustwandelt. Man sollte es mal so deutlich sehen: es wird ein kultureller Krieg gegen uns geführt und ein verbündeter ist Erdogan definitiv schon lange nicht mehr!

Arne Brandt / 30.07.2018

@Chaim Noll: Und genau das ist die falsche Reaktion. Sie beklagen - zu Recht - die ungerechtfertigte Anwendung eines Buzzwords, das nur noch dazu dient, die gewollten Assoziationen herzustellen & Aggressionen zu rechtfertigen. & die Schlussfolgerung, die sie ziehen ist: Alle sollen verbal abrüsten & Worte wieder in ihrer ursprünglichen Bestimmung benutzen. Wird natürlich niemand machen, denn es geht ja gerade darum, Agitprop zu betreiben. Was also ist zu tun? Na, natürlich zurückschlagen! Der IS richtet Völkermorde an, ist antisemitisch & damit selbst nach klassischer Definition rassistisch. Gleiches gilt für die Hamas. Erdogan unterstützt oder toleriert den IS, weil der die Kurden vernichtet. Özil ist ein Bewunderer Erdogans. Die Grünen mögen Özil. Die RAF hat gemeinsame Anschläge mit der Hamas begangen. Ergo: Linke sind Rassisten. Wamm, das hat gesessen ;) Das Problem ist, dass Sie einfach zu ehrlich sind & deshalb werden sie jede Debatte verlieren.

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