Chaim Noll / 12.10.2019 / 06:12 / Foto: Freud / 151 / Seite ausdrucken

Pathologische Toleranz

Am Freitag, dem 4. Oktober versuchte ein Syrer in Berlin, mit gezücktem Messer in eine Synagoge einzudringen. Um keine Zweifel an seiner Absicht zu lassen, rief er sowohl den mittlerweile aus Dutzenden Terror-Attacken bekannten Schlachtruf Allah hu akhbar als auch Fuck Israel – für die deutsche Justiz kein Grund, den Mann in Haft zu nehmen. „Nun ist er auf freiem Fuß, unauffindbar – und gewaltbereit“, schrieb Filipp Piatov in der Bild-Zeitung, der einzigen deutschen Tageszeitung, die noch wagt, den Kern des Problems zu benennen. „Denn was für jeden Bürger mit gesundem Menschenverstand nach einem versuchten antisemitischen Terrorangriff aussieht, ist für Berliner Behörden leider kein Haftgrund.“

Vier Tage später versuchte ein Deutscher, in die glücklicherweise fest verrammelte Synagoge in Halle einzudringen und erschoss, da seine Sprengkörper nicht funktionierten, zwei völlig Unbeteiligte auf offener Straße. Beide, sowohl der Syrer als auch der Deutsche, hatten sich Tage ausgesucht, an denen in den selten besuchten deutschen Synagogen mit Sicherheit betende Juden, also potentielle Opfer anzutreffen waren: Freitag, 4. Oktober Beginn des Shabat, Mittwoch, 9. Oktober Jom Kipur, der jüdische Versöhnungstag.

Dabei illustriert dieses Doppelereignis, diese prompte Aufeinanderfolge zweier Attacken gegen Juden in Deutschland auf beispielhafte Weise, wie die pathologische Toleranz von deutschen Politikern, Justiz und Medien gegenüber dem muslimischen Judenhass auch jeden anderen Judenhass in Deutschland ermutigt. Was junge Muslime seit Jahren ungestraft tun dürfen, beanspruchen auch junge Neonazis für sich. Dass es deutschen Judenhass gibt und seit Jahrhunderten gab, bestreitet kein historisch kundiger Mensch. Doch seine Wiederbelebung verdankt sich der deutschen Schwäche gegenüber dem Judenhass der ins Land geholten Muslime. Angela Merkel hat die Kohorten der Judenhasser an einem einzigen Tag um mehrere hunderttausend Menschen verstärkt. Wie rücksichtslos das war, wie gefährlich gerade in Deutschland, hat Karl Lagerfeld kurz vor seinem Tod ausgesprochen: „Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.“

"Jude“ ist das verächtlichste Schimpfwort auf Schulhöfen

Heute wachsen deutsche Kinder auf Schulhöfen auf, in denen „Jude“das verächtlichste Schimpfwort ist, mit dem ihre muslimischen Mitschüler operieren. Dagegen geht niemand mehr vor, es wird hingenommen, aus Furcht und Gleichgültigkeit, und alle „Dialogreihen“ und Broschüren gegen Antisemitismus werden dieses Muster in jungen deutschen Köpfen nicht mehr korrigieren: dass Juden verächtliche Wesen sind, zu Recht zum Opfer ausersehen, erst als Mobbing-Opfer in deutschen Schulen, dann auf Straßen, Plätzen und Bahnhöfen, in Synagogen, Restaurants und überall im öffentlichen Raum.

„Die Juden sind schuld“, soll der geistig unterbelichtete Attentäter von Halle in seinem Bekenner-Video ausgerufen haben. Und auch dieses Argument war seit Jahrzehnten – über den Umweg Israel – bei deutschen Politikern und Medien in Gebrauch: Juden und Israel schuld am Scheitern des „Weltfriedens“, an den Raketen aus Gaza, an der katastrophalen Korruption und Misswirtschaft der Palästinenser-Führung, sogar an ihrem durch Verschwendung erzeugten Wassermangel, wie ein gleichfalls unterbelichteter deutscher Politiker, Martin Schulz, in aller Dreistigkeit vor Israels Parlament behaupet hat.

Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Halle sagte in einem Interview mit einer israelischen Zeitung, aus Sicht der Opfer wäre es gleichgültig, ob der Attentäter ein Nazi, ein Linksradikaler oder ein Muslim sei, Bedeutung hätte nur, ob man endlich etwas gegen den Judenhass tut. Die regierenden deutschen Politiker trifft die volle Verantwortung für das, was derzeit geschieht: die allmähliche Verwandlung Deutschlands in ein für Juden unbewohnbares Land. Und wir teilen diese Verantwortung, wenn wir sie davon kommen lassen, mit billigen Betroffenheits-Bekundungen wie bisher jedes Mal.

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Kristna Laudan / 12.10.2019

Betroffen sind die Politiker doch wegen des Angriffs auf die Synagoge, weniger wegen der Opfer, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Die Betroffenheitspolitiker haben die Synagoge besucht (in der niemandem etwas passiert ist), nicht die Angehörigen der Opfer. Das ist für mich ebensowenig nachvollziehbar wie die Tatsache, dass der muslimische Angreifer auf freiem Fuß ist.

Claudia Bender-Jakobi / 12.10.2019

Judenhass gibt es in der Tat in allen politisch-religiösen Richtungen. Auffallend ist, dass er stets in jenen politisch-religiösen Ideologien erblüht, deren Anhänger ein ausgeprägtes Bedürfnis nach identitätsstiftender Abgrenzung gegenüber „dem Anderen“ haben, wobei dieser Andere zugleich unter der eigenen Gruppe stehen muss, damit man selbst damit aufgewertet wird. Dies ist die Grundstruktur, die sich Insbesondere im Nationalsozialismus, im Antikapitalismus und im Islam (im Christentum in Teilen) wiederfindet. Gemeinsamer „Feind“ ist „der Jude“, der angeblich die Strippen zieht und zu Lasten der eigenen Gruppe agiert. Solange die deutsche Politik diesen Zusammenhang nicht erkennt und konsequent gegen Judenhass vorgeht, gleich aus welcher Ecke er kommt, sehe ich schwarz für Deutschland. In Frankreich werden obige Zusammenhänge zumindest diskutiert und es wird darüber gestritten, wie die französischen Medien zeigen. Selbst richtig Rechte wie Eric Zemmour sind dort zitierfähig.

louisa goldbach / 12.10.2019

erstens… einen dank an sie für den artikel… inklusive des erkennens des politisch so gewollten “zweierlei maß” messens/vertuschens zwischen diesem SYRISCHEN berliner attentatsversucher.. und dem DEUTSCHEN rechtsradikalterroristen! und zweitens: genau DAS ist und war es wieder… dieses ewig gleiche stoische stumpfgesicht des bundespräsidenten.. mit seiner ewig gleichen.. uneloquenten ton-und sprach-und mimikattitüde leiert er stockverschluckt seine medienUNwirksame betroffenheit ins mikrofon.. .. und immer und immer wieder reicht es nur zur NICHTSNUTZIGEN LEIEREI…

Marcel Seiler / 12.10.2019

Autor Chaim Noll hat völlig recht. Ich würde mich “als Deutscher” schämen, wenn ich mich als solcher fühlen würde. Aber dies ist schon länger nicht mehr mein Land.

Fritz kolb / 12.10.2019

Jedes Ihrer Wort, Herr Noll kann ich unterschreiben. Die einseitige politische Instrumentalisierung des in der Tat geistig völlig unterbelichteten Täters in Halle war vorhersehbar und ist doch erschütternd. Oder habe ich es verpasst, davon zu lesen, daß sich mehrere Menschenketten aus Anlass des Bahnsteig-Mordes an dem 8-jährigen Mädchen durch einen Syrer gebildet haben und unser B-Präsident dazu eine Trauerrede hielt?

Andreas Müller / 12.10.2019

Herr Noll hat völlig recht hinsichtlich der billigen Betroffenheits-Bekundungen. Das Thema wird jetzt noch hochgezogen, da die Landtagswahl in Thüringen ansteht. In diese peinlichen Zusammenhänge gehört auch, daß der EU-Innenkommissar aktuell sechs europäische Staaten, darunter Deutschland, auffordert, die EU-Binnengrenzkontrollen abzuschaffen.

Emmanuel Precht / 12.10.2019

Der Attentäter ruft die “Juden sind schuld”. Was hätten die Instrumentalisierungsgegner gemacht, wenn er gerufen hätte: “Die AFD ist schuld”? Das hätte die Instrumentalisierungsgegner (Blockflöten) in eine noch schwerere Phase der Kognitiven Dissonanz geführt. Man könnte ihnen nun vorwerfen sich der Argumentation und Wortwahl des Attentäters zu bedienen. Wohlan…

Andreas Rühl / 12.10.2019

Gewiss ist das alles richtig, nur, wie soll die Lösung aussehen? Ich fuerchte, dass ein Täter mit dem Profil des halle-moerders gerade die Juden ins Visier nimmt, weil er damit der deutschen Gesellschaft am meisten Schmerz zufügt. Als er keine Juden toeten konnte, hat er eben einfach jemand anderen getötet. Das Sinnlose dieser Tat ist deren Sinn. Es wird bei Millionen, die in einem Staat leben, immer einen psycho geben, der so etwas macht. Frueher nannte man so etwas das Böse. Niemand kann das verhindern. Gleichwohl ist es richtig, die Haltung der Bundesregierung zu Israel kritisch zu hinterfragen, gegen den antijudaismus der Muslime vorzugehen und denjenigen zu widersprechen, die mit der Behauptung, die Hitler Zeit und damit der Holocaust seien ein fliegenschiss, Deutschland schwersten Schaden zufügen.

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