Deborah Ryszka, Gastautorin / 03.11.2020 / 13:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Paris, Nizza, Wien und die „Opferrolle“

Von Deborah Ryszka.

Der ermordete Lehrer in der Nähe von Paris. Drei Tote und sechs Verletzte in Nizza. Dann folgen Proteste einiger Muslime. Wie zum Beispiel in Berlin Neukölln. Aber nicht aus Solidarität mit den Getöteten. Sondern aus Solidarität mit ihren Glaubensbrüdern und gegen eine angeblich islamfeindliche Politik. Gestern wieder vier Tote in Wien. Der Zorn des Islam schlägt wieder mit voller Wucht zurück.

Wiewohl nicht alle Muslime diese Taten begrüßen, scheint das Problem tief im Islam verankert zu sein. Hinzu kommt der gesellschaftliche Trend westlicher Zivilisationen, wo sich jegliche Gruppen als Opfer stilisieren. Frauen verstehen sich als Opfer des „alten, weißen Mannes“. Homosexuelle begreifen sich als Opfer des „alten, weißen, heterosexuellen Mannes“. Muslime sehen sich als Opfer des „westlich-christlichen Mannes“. Offensichtlich leben wir in einer Welt voller Opfer.

Auf genau dieses Dilemma, das Verhältnis zwischen islamischem Opferstatus und der abendländischen Rückgratlosigkeit, geht Klemens Ludwig in seinem Buch „Die Opferrolle“ ein. Mit scharfer Feder analysiert er, warum eben diese pathologische Beziehung ein friedfertiges Miteinander von Christen und Muslimen nicht zulasse. Vielmehr biete es den Nährboden für eine sich ausbreitende Radikalisierung von Muslimen.

Differenziert und nüchtern stellt Ludwig fest, dass Muslime sich in ihrer Opferrolle wohlfühlen. Schuld und Verantwortung nicht übernehmen zu müssen, mache das Leben angenehmer. Man habe etliche Vorteile, und die Konsequenzen müssten andere tragen. Doch „[der] Abschied von der Opferrolle ist gleichzeitig auch ein wichtiger Schritt zu einer umfassenden Emanzipation der islamischen Gesellschaften“.

Ein Leben ohne Polizeischutz sei für sie nicht mehr möglich

Zudem verdeutlicht Ludwig anhand unzähliger Beispiele, wie stark der Islam mit Herkunft und Identität verbunden sei. Das gehe sogar so weit, dass einzelne Imame die Scharia über das Grundgesetz stellen. Mit Integration habe das wenig zu tun. Mit einem friedlichen Nebeneinander noch weniger.

Deswegen ermutigt Klemens die abendländische Kultur, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen und zu ihren Werten zu stehen. Für eine falsch verstandene Toleranz gegenüber dem Islam habe sie nämlich die eigenen Werte der Aufklärung aufgegeben. Warum etwa fielen einerseits muslimische Ehrenmorde vor Gericht unter Totschlag, mit der Begründung kultureller Unterschiede? Andererseits jedoch sei der Bau von Moscheen oder Gebetspausen während der Arbeitszeit gesetzlich verankert?

Die Antwort lautet: Muslimen stünden mehr Rechte zu. Zum einen, weil sie sich als Opfer sehen würden. Zum anderen, weil das Abendland dieses Opfernarrativ unterstütze. Beispiele hierfür gebe es genug. Wie etwa der Staatsbesuch des iranischen Präsidenten Hassan Rohani in Rom Ende Januar 2016. Aus Respekt wurden mehrere nackte Statuen verhüllt, Wein wurde zum Abendessen nicht serviert – auch nicht für Nicht-Muslime. In muslimischen Staaten jedoch gelte der Spruch: „When in Rome, do as the Romans do.“ Dort müssen sich die Gäste den Gepflogenheiten des Gastlandes unterordnen.

Dieses Messen mit zweierlei Maß auf Seiten des Islam lässt für Ludwig nur eine Konsequenz zu. Der Islam möchte seinen Glauben in Europa und in der Welt durchsetzen. Das sehe man etwa hieran, dass eine islamische Minderheit, die sich für eine Liberalisierung des Islam ausspreche, von anderen Muslimen verfolgt werde. Ein Leben ohne Polizeischutz sei für sie nicht mehr möglich. Wie zum Beispiel für die Imamin Seyran Ates.

Ludwig bleibt bei seinen Beobachtungen edel

Wir befinden uns in einem Kampf der Kulturen (Samuel Huntington). Umso mehr, wenn man sich die islamischen Fluchtbewegungen nach Europa vor Augen hält. Mit ihnen etabliert sich weniger ein liberaler, vielmehr ein radikaler, antiquierter Islam mitten in Europa.

Wer meint, das sei eine steile These, der sollte sich näher mit dem Islam auseinandersetzen. „Die Opferrolle“ bietet hierzu einen blendenden Einstieg. Ludwig zeichnet dort nicht nur ein realistisches und differenziertes Bild des Islam als archaische Religion. Vielmehr weist er auch freimütig auf die Selbstaufgabe des Abendlandes hin.

Hierbei beschönigt und bagatellisiert Ludwig nichts. Stets bleibt er bei seinen Beobachtungen edel. So sieht eine gelungene Selbst- und Fremdanalyse aus. Genau so muss ein Sachbuch geschrieben sein. Mit archaischem Zorn hat das mitnichten etwas zu tun.

Klemens Ludwig (2019). „Die Opferrolle – Der Islam, seine Selbstinszenierung und die Werte der Aufklärung“. Stuttgart: LangenMüller, hier bestellbar.

Foto: Pixabay

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Hans-Peter Dollhopf / 03.11.2020

Herr Menzen, Sie stellen fest: “Wenn man sich die ablehnenden Rezensionen bei Amazon durchliest, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren der Autor hätte in ein Wespennest gestochen.” Amazon-Rezensionen werden bereits von Algorithmen des Machine Learning, Deep Learning und künstlicher Intelligenz ausgespien. Da ist gar kein Marktplatz mehr. Markt war gestern. Da ist Tyrannis! Wenn das Volk sich nicht selbstbestimmt die Fertigkeiten der Technologie aneignet, wozu es allerdings eine allgemeine Zuneigung zu Intelligenz, auch der Weibchen in der Partnerwahl, und ein Gemeinschaftsgefühl in Verantwortung für das unmittelbare Individuum haben müsste, wie begabte Helden! wird es durch die kommenden Technologien in den Händen weniger unbezweifelbar auf ewig versklavt werden.

Christel Beltermann / 03.11.2020

Lesen, sich breit informieren, faire Disputationen -  alles gut. Aber so langsam reicht diese Untätigkeit nach grausamen Anschlägen. Zur Abwechslung mal Konsequenz wäre angesagt. Z. B. Abschiebungen von Gefährdern und Kriminellen, Staatsbürgerschaften lassen sich auch (wieder) entziehen, Einreisestop zumindest vorerst. Alles offensichtlich nicht gewollt, eine andere Agenda ist wohl wichtiger. Die Opfer und ihre Familien tun mir sehr leid. Ich wünsche den Angehörigen Kraft und Trost. Es gäbe so viel noch zu sagen, aber ich bin wütend, empört und traurig.

Marc Greiner / 03.11.2020

Man muss das Waffenbesitz- und Tragrecht revidieren. Wir brauchen einen 2nd Amendment wie in den USA. In der Schweiz hatten alle Soldaten ihr Sturmgewehr nach dem Dienst zu hause, samt Munition. Heute werden die meisten Waffen abgegeben, Munition ist glaube ich sogar verboten mitzunehmen. Nützt natürlich viel, eine Waffe ohne Munition wo man erst ins Zeughaus muss um sich einzudecken. Mit Waffen würden die islamisch motivierten Terroristen nicht so ein leichtes Spiel haben. Vielleicht überlegt man es sich hier, im so arrogant auf die “unzivilisierten” Amis herabschauenden Europa, nochmals.

sybille eden / 03.11.2020

Sehr schön alles geschrieben. Hat doch aber Thilo Sarrazin schon vor Jahren dargelegt und vorrausgesagt. Warum wird der von ihnen nicht erwähnt ?

Volker Kleinophorst / 03.11.2020

Wer sich selbst nicht leiden kann, der mag auch niemand anderen. Und: Wenn man überall unbeliebt ist (also bei Ungläubigen aller Art), hat das oft auch einen Grund. Wieso müssen wir unbedingt mit Moslems zusammen leben? Ist das ein Naturgesetz? Gutes Beispiel: Indien. Musste geteilt werden, weil die Molems nicht in einen Staat leben wollten, in dem sie nicht die Mehrheit haben. Also ein hinduistisches Indien und erst ein islamischer Staat aus Ost- und West-Pakistan, nach innerislamischem Krieg heute zwei Staate Pakistan und Bangla Desh. Beide Shitholes erster Ordung. Im wirtschaftlich erfolgreicheren Indien gibt und gab es trotz der Teilung einen großen Moslemanteil, (Aus den Pakistans hatten die meisten Ungläubigen schnell das Weite gesucht). Durch Geburtendschihad und Einwanderung z.B aus Bangla Desh verschieben sich auch in Indien die Größenordnungen, obwohl auch bei Hindus die Geburtenraten recht hoch sind. Jetzt fordern die Moslems in Indien mehr Rechte, mehr Macht, Indien müsse islamischer werden. Wenn es um Dreistigkeit geht, macht den Moslems so schnell keiner was vor. Dieser Aspekt findet in der hiesigen Berichterstattung keine Aufmerksamkeit. Hier faselt man von einen angeblichen Rohing-Dingensvolk (Bangla Deshis) oder von Rassismus gegen Moslems in Indien, die werden da ganz schlimm benachteiligt. Ganz brutal auf den Punkt: Die Uiguren. Bin sonst nicht son China-Mann, aber was die Chinesen mit denen machen, interessiert mich so sehr wie den Durchschnittsmoslem, wenn Ungläubige abgemetzelt werden. Wobei stimmt gar nicht: Ich würde niemals zu irgendwelchen Gräultaten applaudieren. Das ist auch wieder so ein grundsympathischer Wesenszug dieser unverstandenen Friedensfreunde, die nicht einmal sich selber mögen. Es gibt 52 muslimische Staaten auf der Welt, alles Diktaturen die oft Ungläubige terrorisieren. Die können doch wohl mal allein zurechtkommen. PS.: Die Iguren? #WIRHABENPLATZ ist ganz sicher halal.

Dieter Weingardt / 03.11.2020

Würden Sie bitte begreifen, dass es hier nicht um küchenpsychologische Opferrollenspiele geht, sondern der Hass, der Befehl zu töten da sind, weil es der Prophet, weil es der Koran befielt, nicht weil Klein- Ali eine schwere Kindheit und eine problematische Mutter oder Vater- Sohn Beziehung hatte. Das alles vielleicht auch, aber es ist EGAL. Die Lizenz zum Töten entstammt zuallererst der Lehre, nicht der kranken Psyche, GOT IT?

Andy Malinski / 03.11.2020

Der Klügere gibt nach ... bis er selbst der Dumme ist!

Frank Volkmar / 03.11.2020

“Frauen verstehen sich als Opfer des „alten, weißen Mannes“. Homosexuelle begreifen sich als Opfer des „alten, weißen, heterosexuellen Mannes“. Muslime sehen sich als Opfer des „westlich-christlichen Mannes“. Offensichtlich leben wir in einer Welt voller Opfer.” Wobei gerade der das aufgebaut hat in dem sich die Opfer “suhlen” und in das sie sich freiwillig und suchend begeben haben !

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