Der Opel stellt die Spitze der muffigen deutschen Eiche-Natur-Fliesentisch-Gemütlichkeit in seiner automobilen Form dar. Am Steuer sitzen ebenso biedere Fahrer. Immer. Wer ein Tempolimit will, muss diese Marke subventionieren!
Ricarda Lang möchte „wegkommen von russischen Fossilen“. Sie möchte das „ohne Denkverbote diskutieren“ und schlägt dabei (Überraschung! Überraschung!) ein „temporäres Tempolimit“ vor, dessen zeitliche Begrenzung ich, so wie ich die Grünen kenne, auf die gleiche Zeitspanne wie die Sektsteuer zur Finanzierung der Kaiserlichen Marine schätzen würde. Die Schiffe liegen auf dem Grund der Doggerbank, die Steuer hat zwei Weltkriege und mehrere Regierungsbeteiligungen der „Steuersenkungspartei“ FDP erlebt. Ein zähes, zeitlich begrenztes und zweckgebundenes Luder, diese „Schaumweinsteuer“.
„Ohne Denkverbote“ ist immer gefährlich, denn das könnte auch dazu führen, alle Verweigerer ins Lager zu packen, aber bitte: Da wir „ohne Denkverbote diskutieren sollen“, hier kommt mein Vorschlag: Subventioniert Opel so hart, dass Dacia kaufen zum Luxus wird. Denn es gibt seit dreißig Jahren keinen Menschen unter 60 mehr, der je den Satz „So einen Opel, den fände ich toll!“ ausgesprochen hätte. Es ist nicht nur die Marke, die für ein Tempolimit sorgt – es sind vor allem die Opel-Fahrer, die unter den Autofahrern so etwas wie der Freistaat Bayern sind: Alle Regeln werden noch einmal verschärft umgesetzt.
Betrachten wir uns zunächst einmal die Marke mit dem langsamsten Blitz der Welt: Angefangen hat Opel einst als ganz passabler Nähmaschinenhersteller im trauten Jahre 1862. Leider hat sich daran bis heute im Grunde nichts geändert. Danach baute Opel Fahrräder, und wäre der Werkstattbrand von 1911 nur ein bisschen konsequenter gewesen, dann würde Opel noch heute neben passablen Nähmaschinen auch passable Fahrräder bauen. War er aber nicht. 1899 stellte Opel sein erstes hässliches Auto vor, nachdem sich die Nachfrage aber auf die Firmenchefs beschränkte, stampfte Opel die Produktion wieder ein. Die Franzosen konnten das besser.
Die gleiche Modellpalette wie alle anderen, nur in Gähn
Ich will hier keinen Abriss über die Firmengeschichte schreiben, nur so viel, dass Opel das erste Fahrzeug mit geschlossener Karosserie baute, in dem man auch im Stehen fahren konnte und das in seiner Hässlichkeit später nur noch von Fiat mit dem „Multipla“ übertroffen wurde. Nachdem der „Opel Blitz“ nicht entscheidend zum „Endsieg“ beitragen konnte, baute Opel von 1947 bis 1980 ganz flotte Wirtschaftswunderautos mit hübschem Design und außerdem Kühlschränke, das Design ihrer Autos ab 1990 vorwegnehmend. Immerhin bescherte Opel mit dem Kadett den Konkurrenten zum Golf und mit dem Manta den natürlichen Fressfeind des Ford Capri. Danach kam der Corsa als Konkurrenz zu den ebenfalls stinklangweiligen Fiestas (lang ausgesprochen: „Fiiiieeesta“ und nicht „Fi-es-ta“) und Polos, und wurde neben dem aufgepimpten Kadett zum Lieblingswagen aller Langsamfahrer. Danach war Sense.
Seit 1990 hat es Opel nicht mehr geschafft, ein einigermaßen schönes oder wenigstens innovatives Auto zu bauen, und es grenzt an ein wirtschaftliches Wunder, dass die Marke bis hierher überlebt hat. Was aber auch zutrifft, ist, dass Opel sich damit ein furchtbar langweiliges und biederes Image geschaffen hat, an dem seine ebenfalls langweiligen und biederen Käufer wie Fliegen auf der Windschutzscheibe kleben bleiben (außer bei Opel: Die Marke und ihre Kunden sind so langsam, dass die Fliegen Zeit zum Ausweichen haben). Der Astra mit Wackeldackel und MamiHu („Mann mit Hut“), den serienmäßig mitgelieferten gehäkelten Klorollenmützen im Fonds und den „Huk-Coburg – 60 Jahre unfallfrei!“-Aufklebern stellt die Spitze der muffigen deutschen Eiche-Natur-Fliesentisch-Gemütlichkeit in seiner automobilen Form nach.
2017 kapitulierte General Motors bedingungslos und schwatzte die toastbrottrockene Langweilermarke irgendwie den völlig überraschten Franzosen der PSA-Group auf, die sonst so aufregende Marken wie Citroen, Peugeot oder Vauxhall führt und sich somit im Bau hässlicher Allerweltsautos und deren Vermarktung an entkoffeinierte Filterkaffeetrinker in Stützstrümpfen auskennt. Opel hat dabei die gleiche Modellpalette wie alle anderen Hersteller auch, nur in Gähn. Allerdings konsequent ohne Sportwagen. Der bis 1997 gebaute Calibra (im Volksmund: „Kolibri“) war der bisher letzte traurige Versuch einer Imageexhumierung. Die Firma, die einst das erste Raketenauto weltweit baute, schafft es heute sogar ihren innovativen Modellen wie dem „Rocks“ ein Aussehen zu verpassen, für das die Designer von Rollstühlen achtkantig aus ihren Betrieben geschmissen würden.
Lastenradfahrer zum Überholen animieren
Apropos: Damit wären wir beim Gros der Opel-„Fahrer“. „Fahrer“ ist hier ein Euphemismus, es müsste „Opel-Träger“ heißen und böse Zungen wie meine behaupten, die Sicherheitsgurte eines Opel dienen in der Hauptsache dazu, sich das Vehikel auf den Rücken zu schnallen. Bei den Geschwindigkeiten, die die Opel-Fahrer an den Tag legen, sind Sicherheitsgurte in etwa so sinnvoll wie FFP2-Masken auf einer geostationären Weltraumstation. Oder der fünfte Gang in einem Opel-Schaltgetriebe. Opel-Fahrer sind in der Regel sehr vorsichtig und unsicher, und wenn sich auf einer Landstraße mit 70 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung eine Autoschlange mit ca. 40 km/h bewegt, dann befindet sich an deren Spitze entweder ein übermotivierter Traktorfahrer oder der stolze Besitzer eines Opels, der Lastenradfahrer zum Überholen animiert. Völlig unabhängig vom Modell.
Da gurkt er oder sie dann vor sich hin, um innerorts spontan und zur Überraschung der hinter ihm Fahrenden auf 30 runterzubremsen. Was Opelfahrer übrigens vorzugsweise auch auf den Beschleunigungsstreifen von Autobahnen tun, denn jede Geschwindigkeit über 90 Stundenkilometern macht dem klassischen Opelfahrer Angst. Er befürchtet dann, nicht ganz zu Recht, vom Anpressdruck der Beschleunigung durch den Fahrersitz in den Fonds gedrückt zu werden, wo er eigentlich besser aufgehoben wäre. Oder dass ihm der Hut wegfliegt. Sicher ist sicher, und immerhin fährt er ja seit 102 Jahren unfallfrei. Dass er hinter sich eine Schneise der Verwüstung durch Auffahrunfälle und Staubildungen zurücklässt, interessiert ihn nicht.
Ein Opel-Fahrer tut eben mehr, als sich nur an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten: Er erzieht und zwingt durch sein Verhalten auch die Mitverkehrsteilnehmer, es ihm gleichzutun. Somit dürfte er auch zu der Spezies gehören, die ebenfalls Maske trägt, wenn sie allein im Auto sitzt, worüber ich persönlich sehr gerne einmal eine Studie lesen würde. Übrigens ebenso wie eine Statistik, welche Fahrzeugmarke die meisten Heck-Auffahrunfälle verzeichnet.
Deswegen, um den Kreis zu schließen: Liebe Grüne, subventioniert Opel und wir brauchen keine Tempolimits mehr. Je mehr Opels mit ihren typischen Fahrern durch die Gegend gondeln und gurken, desto mehr schmerzt es Putin (und mich) und desto eher erfährt die rasante Geschwindigkeit von 130 km/h die ihr gebührende Bewunderung, sobald die Straßen während der Sonntagsmessezeiten und nachts ab 21.00 Uhr opelfrei sind. So geht „Politik ohne Denkverbote“, die den schönen Schein der Freiheit wahrt! Man könnte ja 220 km/h fahren – wenn nicht gerade ein Opel unterwegs wäre.
(Weitere unfallfreie Artikel des Autors gibt’s unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.