Eine kleine Gemeinde im Zentrum von Südafrika will sich in Sachen Energie nicht mehr auf den Staat verlassen.
Das, was Deutschland noch bevorstehen könnte, ist in Südafrika seit mittlerweile über 20 Jahren Realität: es gibt zu wenig Strom für die stetig wachsende Bevölkerung, und das tägliche Leben wird durch die regelmäßigen Blackouts unangenehm. Obwohl es schon lange bekannt ist, dass die Bevölkerung wächst (auch durch Zuwanderung aus anderen Afrika-Staaten) und gerade die armen Massen, denen man gratis Strom versprochen hat, diesen schon lange einfordern, wurde seit dem Ende der weißen Herrschaft – mittlerweile 28 Jahre her – nur ein einziges neues Kraftwerk gebaut.
Medupi ist mit 4.764 MW (Kohleverstromung) eines der größten Kraftwerke der Welt und brauchte 14 Jahre bis zur Inbetriebnahme. Und – kein Witz – kurz nachdem es 2021 endlich ans Netz ging, gab es eine Explosion, und das neue Kraftwerk war erst mal für eine Weile außer Betrieb. Hinzu kommt, dass demnächst einige Kraftwerke ihre maximale Betriebszeit erreicht haben und vom Netz genommen werden müssen. Auch wird international Druck auf Südafrika ausgeübt, weniger Kohlekraftwerke zu benutzen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Südafrikas Flüsse fließen zu langsam, und wo es möglich war, sind bereits Stauseen mit hydroelektrischen Kraftwerken gebaut worden, diese aber produzieren nur geringe Mengen Strom. Kernkraft ist in den Händen der korrupten und unbedarften Regierung ein Risiko und Russland als Partner bei der Errichtung von Kernkraftwerken auch nicht gerade vertrauenserweckend. Es gibt zwei kleine Kernreaktoren, die noch aus den 1970ern stammen. Gas und Öl gibt es in Südafrika nur in sehr geringen Mengen, und Fracking wird weitgehend abgelehnt und bekämpft.
Die Unterversorgung im Land (verschlimmert durch den Verfall der Infrastruktur) führt schon seit geraumer Zeit zu aggressiven Protesten bis hin zum Abbrennen von öffentlichen Gebäuden und sogar Lynchmorden an verantwortlichen Lokalpolitikern. Leider ist Eigeninitiative, gerade als Gemeinschaft, nicht weit verbreitet. Es wird demonstriert, man bekommt neue Versprechen der Politiker und hofft auf Besserung, aber es wird dennoch nur schlimmer.
Weil es nicht genug Strom für alle gibt, bleibt nur noch load shedding (Stromzuteilung), also pro Haushalt nur ein paar Stunden Strom pro Tag. Der Autor konnte dies zur Genüge miterleben. Für die Betriebe, gerade die Strom-Großverbraucher wie Bergwerke und Gießereien, ist dies ruinös. Für den normalen Einwohner ist es sehr lästig, wenn zum Beispiel ab 18 Uhr, wenn man gerade von der Arbeit heim kommt und den Feierabend genießen will, kein Strom mehr da ist und man sich mit Kerzen, Gaskocher oder Dieselgenerator behelfen muss. Strom in Südafrika, einstmals der billigste weltweit, gehört mittlerweile mit zu den am teuersten. Zur Zeit ist Winter in Südafrika, und zu allem Überfluss läuft gerade ein landesweiter Streik bei Eskom, der staatlichen Stromgesellschaft. Deshalb wurde Phase 6 load shedding angekündigt, was bedeutet, dass es mehr als 9 Stunden pro Tag keinen Strom gibt, mit Unterbrechungen von bis zu 5 Stunden am Stück.
Solarenergie sinnvoll – anders als in Deutschland
Mit einiger Verzögerung besann man sich auch auf die verstärkte Nutzung von Wind- und vor allem Solarenergie. Gerade Letzteres ist im sonnenreichen Südafrika sinnvoll – anders als im wolkenreichen Deutschland. Eskom ist allerdings schon seit Jahren derart heruntergewirtschaftet und von Korruption durch ANC-Kader (African National Congress, die seit 1994 ununterbrochen regierende Partei Nelson Mandelas) zerfressen, dass man es hauptsächlich privaten Entwicklern überließ, Solarkraftwerke zu bauen. Der Staat versprach finanzielles Entgegenkommen und Eskom versprach Abnahme in sein Netz – aber wie so oft blieb es bei den Versprechen, und etliche private Entwickler haben ihre Investition in den Sand gesetzt. Für die meisten Haushalte ist Stromautarkie mittels eines eigenen Solarstromsystems mit Batterien viel zu teuer. Eskom will dies auch gar nicht, weil die Energiegesellschaft damit ihr Monopol verlieren würde. Es wurde sogar eine extra Steuer auf Sonnenkollektoren angedacht, um eine solche Energie-Selbstständigkeit von Privatleuten gezielt zu verhindern! So funktioniert Sozialismus in der Praxis.
Mittlerweile hat allerdings auch der Präsident Südafrikas, Cyril Ramaphosa, eingesehen, dass es so nicht weitergehen kann und ernannte in einem seltenen Fall von Pragmatismus diesmal keinen ANC-Kader, sondern mit Andre de Ruyter einen im Energiegeschäft sehr erfahrenen und marktwirtschaftlich denkenden Mann zum Manager von Eskom. Ramaphosa wurde allerdings prompt von linksradikalen Kräften für diese „rassistische Anstellung“ eines Weißen kritisiert. Unter de Ruyter findet ein Umdenken statt, er will Privatinitiative fördern statt sie zu bekämpfen und besann sich darauf, das Eskom etliche hundert Hektar unbenutzer Fläche auf seinen Kraftwerksgeländen hat, wo Sonnenkollektoren installiert werden können. Ob de Ruyter das bereits sinkende Schiff Eskom allerdings wieder flott bekommt, ist zu bezweifeln. Auch werden ihm aus Missgunst viele Steine in den Weg gelegt, wie eben der zur Zeit stattfindendende Streik, der eine Machtdemonstration der beiden Großgewerkschaften NUM (National Union of Mineworkers) und NUMSA (National Union of Metallworkers South Africa) ist. Das Monopol von Eskom hätte schon längst abgeschafft werden müssen, denn dadurch wurden Dekaden verschwendet, in denen bereits durch Privatinitiative mehr Energie geschaffen werden konnte.
Die Energiekrise könnte auch auf der lokalen Ebene angesprochen werden. Anders als im dicht bevölkerten Deutschland ist in Südafrika viel brachliegende Fläche verfügbar, wo Solarfarmen entstehen können. Die meisten Städte und Gemeinden sind allerdings vom ANC regiert, und dort besteht kein Interesse an Selbstständigkeit oder einer Verringerung der Abhängigkeit vom Staat, zumal die Korruption dafür sorgt, dass überhaupt kein Geld für Projekte wie Solarfarmen verfügbar ist.
Oranias Sonderweg
Eine löbliche Ausnahme bildet die Buren-Gemeinschaft Orania, die sich selbst verwaltet und als Aktiengesellschaft funktioniert. Energie-Unabhängigkeit wurde bereits vor 20 Jahren besprochen, war aber damals noch Zukunftsmusik. Zu uneffektiv und teuer waren damals die Sonnenkollektoren, zu günstig noch der Strom von Eskom. Vor etwa sieben Jahren bot ein Entwickler den Bau einer Solarfarm an, wenn die Gemeinde feste Preise und Abnahmekontingente akzeptieren würde – dies wurde aber abgelehnt und sich weiter auf Eskom verlassen. Allerdings verfügte die Gemeindeverwaltung als ersten Schritt, dass bei Neubauten nur noch solarbetriebene Warmwasseranlagen installiert werden durften. Mehrere Jahre von load shedding sowie die technologische Entwicklung der alternativen Energie haben inzwischen zu einem Umdenken geführt. Eine Gesellschaft, bestehend aus privaten Investoren, dem Gemeinderat, der Stiftung Orania Beweging (die durch Spenden von außerhalb zum Aufbau der Gemeinschaft beiträgt) und einem lokalen Entwicklungsfonds, baute eine 840-KW-Solarfarm, die mittlerweile 30 Prozent des Stroms der Gemeinde produziert. Vor allem die lebenswichtige Pipeline, mit der sämtliches Wasser für das Dorf und die umliegenden Felder aus dem Oranjefluss gepumpt wird, ist nun nicht mehr von den Launen der Eskom abhängig.
Das Projekt ist in drei Phasen konzipiert, um letztendlich die schnell wachsende Gemeinschaft mit ihren 2.500 Einwohnern energieautark zu machen und sogar überschüssige Energie an Nachbargemeinden zu verkaufen. Der Gewinn aus der bestehenden Phase 1 wird für den Bau der nächsten Phase benutzt, wo dann auch an der Speicherungskapazität mittels Batterien gearbeitet wird. Die Gemeindeverwaltung hat auch den privaten Verkauf von selbsterzeugter alternativer Energie möglich gemacht und verrechnet den selbstproduzierten Strom mit der monatlichen Stromrechnung. Das hat zum Beispiel den Autor ermutigt, auf seinem Ferienhaus Sonnenkollektoren zu installieren, die die monatliche Stromrechnung vermindern und sich langfristig auszahlen.
Was Orania anders und deshalb erfolgreicher als andere Gemeinden macht, ist der Wille zur Selbstständigkeit und jahrelange Erfahrung, dass man vom Staat nichts zu erwarten hat. Und selbstverständlich praktisch keine Korruption.