Chaim Noll sprach gestern (13.05.2024) auf Einladung des „Arbeitskreises Menschenrechte und Humanitäre Hilfe“ der AfD-Bundestagsfraktion zum Thema „Israel zwischen den Fronten – Nachrichten aus dem Kriegsgebiet“.
Der deutsch-israelische Schriftsteller; Publizist und Achgut-Autor Chaim Noll - 1954 in Ost-Berlin geboren - lebt seit 1995 in Meitar nahe der Stadt Bersheba in der Wüste Negev in Israel.
Im ersten Teil seines informativen Vortrags sprach Noll über die geographische Bedrohungslage Israels in der Region. Trotz Friedensschlüssen mit einigen arabischen Staaten ist Israel noch immer von Feinden umgeben: im Norden, im Libanon, wo die von Iran finanzierte Hizbollah durch regelmäßige Raketenangriffe den Norden Israels unbewohnbar machen will. Ein Krieg gegen die Hizbollah wird in der Zukunft wohl unvermeidlich sein.
Im Nordosten liegt Syrien, das mit Israel noch immer im Kriegszustand ist. Zwar agiert der Staat Syrien kaum noch souverän, aber die Iranischen Revolutionsgarden operieren von dort aus gegen Israel, ebenso wie aus etwas weiter entfernten Irak, wo radikal-islamische schiitische Gruppen einen rechtsfreien Raum geschaffen haben. Mit Jordanien im Osten besteht zwar ein Friedensvertrag, aber palästinensische Banden und Schmuggler, die im Grenzgebiet ihr Unwesen treiben, sind eine Bedrohung für die Sicherheit Israels.
Von Feinden umgeben
Weiter im Osten liegt der Iran, Hauptfeind Israels. Das Land war durch westliche Wirtschaftssanktionen sehr geschwächt, bekam aber im März 2021 von China dank eines Staatsvertrages wieder reichlich Kredit und wurde zu einem der Hauptöllieferanten Chinas und ein Angelpunkt der chinesischen Belts and Roads Inititiative („neue Seidenstraße“). Auch arbeiten die beiden Länder an militärischen Projekten, was eine neue Dimension der Bedrohung für Israel darstellt.
Im Süden ist der Gaza-Streifen, von wo aus Israel täglich mit Raketen beschossen wurde und auch jetzt immer noch wird, trotz des Feldzuges gegen die Hamas-Terroristen. Auch Hamas ist ein Satellit Irans. Weiter im Süden liegt der Jemen, wo die ebenfalls Iran-hörigen Huthi-Milizen Schiffe mit Verbindungen zu Israel beschießen und auch den Einsatz von Mittelstreckenraketen planen.
Den massiven Raketenangriff Irans auf Israel am 14. April hat Chaim Noll miterlebt (Sein Bericht auf Achgut hier). Auch wenn fast alle Raketen abgefangen werden konnten und nur eine Person verletzt wurde, beliefen sich die Kosten der Verteidigung an diesem Tag auf etwa eine Milliarde Euro. Für Israels Rüstungsindustrie hatte die erfolgreiche Abwehr allerdings den positiven Effekt, dass die Überlegenheit israelischer Verteidigungswaffen zu massiven Bestellungen aus dem Ausland führten.
Zum Gazastreifen erinnerte Noll an den hierzulande gern vergessenen Umstand, dass dieser 2005 von Israel in der Hoffnung geräumt wurde, dass die Palästinenser ihre Energie in den Aufbau eines eigenen Staates stecken würden. Stattdessen gab es erstmal einen inner-palästinensischen Bürgerkrieg, in dem die Hamas die Fatah-Anhänger ermordete oder vertrieb. In den 18 Jahren des de facto unabhängigen Gaza-Streifens wurde nichts von Wert geschaffen. Von den Milliarden an Hilfsgeldern, auch aus Deutschland, wurden etwa 70 bis 80 Prozent veruntreut. Die Paläste von Hamas- und Fatah-Funktionären legen davon Zeugnis ab. Die wenigen Schulen und Krankenhäuser wurden nicht von der Hamas-Regierung, sondern von Hilfsorganisationen gebaut, wogegen, wie mittlerweile weltkundig ist, Hamas sich auf den Bau von Raketen, Waffenverstecken und Tunneln konzentrierte.
Der Krieg schweißt Israel zusammen
Innenpolitisch habe der furchtbare Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 allerdings eine neue Einheit und Solidarität unter Israelis im Auge der Bedrohung geschaffen. Die sonst üblichen Spannungen und Konflikte zwischen säkularen und orthodoxen, linken und rechten Juden, sowie mit den arabischen Israelis gehören der Vergangenheit an.
Die Bedrohungslage führte dazu, dass sich Israelis in großer Zahl zum Kriegsdienst oder zu sonstigen Hilfsleistungen angemeldet haben. Sogar die orthodoxen Juden, die Wehrdienst aus religiösen Überzeugungen ablehnen, und arabische Israelis, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, meldeten sich in großer Zahl zum Dienst an und zeigten ihre Solidarität mit ihrem Land.
Man streitet sehr gern in Israel über alles mögliche, aber dies wurde nun zur Seite geschoben und erkannt, wie wichtig Einheit ist. Der unerwartete Angriff hat das Vertrauen in die Technologie, die zur Abwehr eingesetzt wurde und versagt hat, erschüttert. Die Menschen sehen ein, dass sie nur stark sind, wenn jeder selbst seinen Beitrag leistet. Nüchtern wird erkannt, dass der Krieg Teil des Lebens in Israel ist und in Zukunft eher noch stärker bleiben wird. Es gehört zunehmend zum Alltag, dass in der Öffentlichkeit Waffen getragen werden. Der auflebende Patriotismus hat auch den Hedonismus und den Wokeismus in den Hintergrund gerückt.
Für die Linke Israels war der Angriff ein tiefer Schock, denn gerade diejenigen, die immer Versöhnung mit den Palästinensern, Pazifismus und eine Zweistaatenlösung gepredigt haben, wurden als erste angegriffen und ob ihrer Wehrlosigkeit am schlimmsten misshandelt. Es gibt bezeichnenderweise praktisch keine Proteste in Israel gegen den Feldzug der Israelischen Armee im Gazastreifen. Die Linke in Israel ist absolut desillusioniert und fühlt sich auch von den Linken im Westen verraten, die fast alle auf Seiten der Hamas stehen. Auch offenbart sich, wie sehr Judenhass in den Schulen und Kindergärten von Gaza gelehrt wurde, trotz der Bemühungen vieler Israelis, gerade aus den Grenzkibbuzim, ein freundliches Gesicht zu zeigen und zu helfen.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Frage, ob und wie Israel den Krieg gegen die Hamas gewinnen kann, hänge - so Noll - von drei Faktoren ab: der Motivation der Bevölkerung, dem technologischen Vorsprung und der Unterstützung aus dem Ausland.
Um den Konflikt zu lösen, müssen dauerhaft Truppen in Gaza stationiert bleiben, möglicherweise auch unter Beteiligung der Armeen aus den arabischen Staaten, die mit Israel Frieden geschlossen haben. Die Schulen in Gaza müssten grundlegend verändert werden, damit kein Judenhass mehr gelehrt wird. Auch die palästinensische Flüchtlingsorganisation UNRWA (United Nations Relief and Work Agency for the Palestine Refugees in the Near East) dürfe keine Rolle mehr spielen, da diese nachhaltig von der Hamas infiltriert sei.
Deutschland käme hier eine wichtige Rolle zu. Die Bundesregierung zahlte im letzten Jahr insgesamt 530 Millionen Euro an palästinensische Behörden wie die UNRWA, und dieses Geld floss dann zu ansehnlichen Teilen in die Hände der Hamas, die es in den Kampf gegen Israel investierte.
Auch Optimistisches war von Chaim Noll an diesem Abend zu hören: Demographisch beispielsweise sehe es hoffnungsvoll für Israel aus. Als einziges westliches Land nehme hier die eigene Bevölkerung zu. Drei Kinder oder mehr seien die Norm.
Für die Juden in Europa sieht es aus Nolls Sicht allerdings schlecht aus. Der explodierende Judenhass sowohl von Moslems als auch von Linken und die massive Einwanderung von Israel-Hassern mache das Leben in Europa immer unerträglicher und gerade die jungen Leute würden den alten Kontinent verlassen. In den letzten zehn Jahren habe sich die Zahl der Juden in Deutschland halbiert. Man sehe dies in den jüdischen Gemeinden, die immer kleiner und deren Mitglieder immer älter werden.
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.