Nach Korruptionsvorwürfen gegen seine Frau wollte Spaniens Ministerpräsident Sanchez zuerst zurücktreten. Nun tut er es doch nicht. Was steckt dahinter?
Letzte Woche wurde eine Beschuldigung der Anti-Korruptionsorganisation Manos Limpias (Saubere Hände) gegen Begona Gomez, die Ehefrau des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, bekannt. Es soll um Einflussnahme zum Vorteil bestimmter Firmen gegangen sein. Gomez ist neben ihrer Rolle als First Lady, die das Rampenlicht meidet, Unternehmensberaterin, und war zeitweise geschäftsführende Direktorin des Afrika-Zentrums an der Hochschule für Wirtschaft. In dieser Position soll sie Gefälligkeitszahlungen einer Fluggesellschaft angenommen haben, als diese die Regierung um ein Rettungspaket ersuchte. Die Justiz nahm Anfangsermittlungen auf.
Nach der Korruptionsnachricht kündigte Sanchez über die sozialen Medien an, dass er seinen Rücktritt erwäge und erbat sich ein paar Tage Bedenkzeit.
Heute (Montag) erklärt er dann den Rücktritt vom Beinahe-Rücktritt. Alles bleibt also wie gehabt: Sanchez wurstelt weiter mit seiner wackligen Koalition aus linken, linksradikalen und separatistischen Parteien. Nach Darstellung von Sanchez tritt er jetzt, nach kurzer Abwesenheit und bangem Warten seiner Anhänger, aus den Kulissen als der Anführer gegen eine „reaktionäre Bewegung“. Vom Gejagten zum Jäger, sozusagen. Die einschlägigen Medien, auch in Deutschland, spielten das Spiel gerne mit. Anstatt die Stichhaltigkeit der Anschuldigungen zu untersuchen, reicht es, Manos Limpias als „rechts“ zu etikettieren und ihnen damit alle Glaubwürdigkeit abzusprechen.
Wenn jemand mit Rücktritt droht, ist das normalerweise eine Effekthascherei, um seine Untergebenen zu Treueschwüren zu bewegen. Im Fall von Sanchez waren dies die Demonstrationen tausender Unterstützer in mehreren Städten übers Wochenende, die dann angeblich den Ausschlag gaben, weiterzumachen. Wenn er sich dabei schützend vor seine Frau stellt und sie zum Opfer einer rechten Verschwörung macht, dann erntet er natürlich die gewünschten Sympathien. Auch Sanchez beherrscht die Kunst der Linken meisterhaft: einerseits fast sämtliche Macht in den Händen zu halten und die Welt nach ihren Vorstellungen radikal zu verändern, und sich andererseits geschickt als tapfere Rebellen gegen eine böse, rechte Verschwörung zu stilisieren.
Ein neues Amt in Brüssel?
Da Sanchez, ähnlich der deutschen Ampelregierung, als Regierungschef ziemlich erfolglos ist und außer immer neuen Beglückungen der woken Blase nichts Handfestes wie Steuererleichterungen, Wirtschaftswachstum oder eine effektive Bekämpfung von Massenmigration und Kriminalität zu bieten hat, muss er sich in der Rolle als Siegfried gegen rechts inszenieren. Gerade jetzt vor der Europawahl. Und, wenn man Gerüchten glauben darf, sogar mit dem Auge auf höhere Weihen in Europa, wenn seine zusammengeflickte Regierung in nicht allzu ferner Zukunft auseinanderbrechen wird.
Dass die Opposition, egal ob rechts oder links, normalerweise alle legalen Mittel anwendet, um die Regierung in ein schlechtes Licht zu setzen und idealerweise zu Fall zu bringen und Neuwahlen zu erzwingen, ist nichts Neues und auch nichts Verwerfliches. Die rechten Oppositionsparteien PP (Partido Popular, Volkspartei) und Vox sind Manos Limpias dankbar für das gefundene Fressen. Natürlich muss an den Anschuldigungen auch etwas dran sein. Es kann aber davon ausgegangen werden, das Manos Limpias sich so eine Beschuldigung nicht ausdenkt. Die Organisation besteht seit 1995 und hat schon mehrere Korruptionsklagen gewonnen. Nach Sanchez‘ Ankündigung, nicht zurücktreten zu wollen, legte der Generalsektretär von Manos Limpias, Miguel Bernad, nach und kündigte Beweise an, die nicht nur Gomez, sondern Sanchez selbst betreffen.
Ob es zu einer formellen Klage wegen Korruption reicht, werden die Gerichte feststellen müssen. Die übliche Reaktion des Beschuldigten ist es, die Anschuldigungen zurückzuweisen. Einen Rücktritt erwägt man nur, wenn man in die Enge getrieben ist und sich ertappt fühlt. Warum kündigte Sanchez einen möglichen Rücktritt an, wenn er und seine Frau sich angeblich nichts vorzuwerfen haben?
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.