„Nazis raus“-Button fürs Dirndl?

Das Dirndl ist zur Oktoberfestzeit gerade wieder hoch im Kurs und gerät – es konnte nicht anders kommen – jetzt ins übliche Nazi-Geschrei. Das Niveau der Beiträge zum Thema liegt deutlich unter dem Boden einer ausgetrunkenen Maß, deshalb hier ein paar sachdienliche Hinweise zum Thema Dirndl und Parteibuch.

Erinnern Sie sich noch an Rainer Brüderle? Er war von 1983 bis 2011 der FDP-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz und von 2011 bis 2013 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2011 war er Bundesminister für Wirtschaft und Technologie im zweiten Kabinett von Angela Merkel. Am bekanntesten aber wurde er dafür, dass er im Januar 2012 zu der damals 29-jährigen „Stern“-Autorin Laura Himmelreich sagte: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ 

Der Spruch von Rainer Brüderle sorgte damals für einen handfesten Sexismus-Skandal. Heute aber sieht das ganz anders aus. Elf Jahre nach Brüderles Dirndl-Kommentar wünscht sich wieder ein Mitglied des Bundestages, jemanden in einem Dirndl zu sehen. Diesmal ist es jedoch kein Mann von der FDP, der sich das wünscht, sondern eine Frau von den Grünen. Ihr Name ist Katrin Göring-Eckardt.

„Hätte dich gern im Dirndl gesehen“, sagte Katrin Göring-Eckardt am 17. September 2023 via X zu Georgine Kellermann, nachdem Kellermann (she/her) erklärt hatte, das Oktoberfest nicht besuchen zu wollen. Es gab keinen Skandal. Die Zeiten und die Geschlechter ändern sich.

Kennen Sie Laura Sophie Dornheim? Sie ist ebenfalls Mitglied bei den Grünen und zudem die Leiterin des IT-Referats der Stadt München als „Chief Digital Officer“, so nennt man das jetzt, vermutlich weil man in der Sprache nicht gendern muss. Am 16. September 2023 veröffentlichte sie ein Foto auf X, auf dem rund dreißig Menschen zu sehen sind, die in einem Oktoberfestzelt feiern. Dazu schrieb sie: „Brauche einen „Nazis raus“ Button fürs Dirndl.“

Welche Person auf dem Foto ein Nazi sein soll oder ob vielleicht sogar alle auf dem Foto abgebildeten Personen Nazis sind, erklärte sie nicht. Im Vordergrund groß abgebildet ist ein lachender Mann sowie ein weiterer Mann, der lässig seine Hand in der Hüfte hat. Sind das zwei Nazis? Ebenfalls gut auf dem Bild zu erkennen sind mehrere Männer im Trachtenanzug und eine Frau, die auf ihr Handy schaut. Sind das die Nazis? Nicht ganz so gut zu erkennen, weil er nach unten schaut, ist ein Mann, bei dem es sich um einen bayerischen Politiker handeln könnte. Ist das der Nazi?

Man weiß es nicht. Spannend ist es jedoch, dass ausgerechnet die Frau, die in München für den Bereich der Digitalisierung in leitender Position Verantwortung trägt, recht sorglos mit den Persönlichkeitsrechten und Daten von über zwei Dutzend Menschen umgeht. Man fragt sich, was genau sie zu dieser Position qualifiziert hat, aber wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir es. Es ist einfach nur ein (ge)schlechter Witz.

Ein Modephänomen, das in der Stadt aufkam

Kennen Sie Johann van de Bron? Er betreibt einen Blog unter seinem Namen, auf dem er am 22. Januar 2023 Folgendes schrieb: „2023 soll hier nun – so sagen es meine Neujahrsvorsätze – endlich ein Blog entstehen, um mal ein paar längere Texte zu schreiben. Ich werde das auf Twitter und Mastodon dann ankündigen. Stay Tuned.“

Seitdem hat er nichts mehr auf seinem Blog veröffentlicht. Dafür ist er recht umtriebig auf X. Dort schrieb er zum Beispiel im September 2023: „Zur Erinnerung am Beginn des Oktoberfestes. Beim Dirndl handelt es sich nicht um eine traditionelle Tracht, sondern um ein, von der NS Frauenschaft entworfenes, völkisches Cosplay, dass die Gebärbereitschaft der nationalsozialistischen Frau repräsentieren soll.“

Bei so vielen Aussagen rund um das Dirndl stellt sich Frage, woher das Dirndl eigentlich kommt. Die Erfindung des Dirndlkleides fand im späten 19. Jahrhundert statt und war ein Modephänomen, das in der Stadt aufkam. Es stellte weniger die Art und Weise dar, wie sich Menschen im Dorf kleideten, sondern vielmehr wie sich die Städter die dörfliche Mode vorstellten, nämlich „natürlicher“ als die Künstlichkeit der Stadtmode. Mit dem Dirndl kam der Trend auf, sich modisch von Etikette und Strenge zu befreien und sich in einer bäuerlichen Tracht zu kleiden, die auf romantisch verklärte Art eine Natürlichkeit betonen sollte. 

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, mit der Gründung des Deutschen Reichs, setzte sich das Dirndlkleid in der städtischen Oberschicht durch. Maßgeblich beteiligt waren daran die jüdischen Brüder Moritz und Julius Wallach aus Westfalen, die in München im Jahr 1900 das Trachtenhaus Wallach gründeten. Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes im Jahr 1910 statteten die Brüder Wallach den Landestrachtenzug kostenlos aus. Dies führte zum Durchbruch des Dirndl im Oktoberfest.

Als ab den 1930er auch noch die Operette „Im weißen Rößl“ weltweit berühmt wurde, in dem nicht nur die Rössl-Wirtin im feschen Dirndlgewand zu sehen ist, wurde das Dirndl weltweit bekannt. Im nationalsozialistischen Deutschland war das Musical wegen seiner jüdischen Mitautoren verboten und wurde als „entartet“ gebrandmarkt, aber in London brachte es das Stück im Jahr 1931 auf 651 en suite gezeigte Vorstellungen, und in New York wurde im Jahr 1936 „The White Horse Inn“ 223-mal am Broadway gespielt. Das heißt nicht, dass das Dirndl nicht auch im Nationalsozialismus weiter benutzt wurde. 

Unter den Nazis „Chief Tracht Officer“

Kennen Sie Gertrud Pesendorfer? Sie war unter den Nazis „Chief Tracht Officer“, obwohl damals nannte man das „Reichsbeauftragte für Trachtenarbeit“. Sie entfernte den geschlossenen Kragen, verschlankte die Silhouette, kürzte die Rocklänge und legte die Arme frei. Pesendorfer schuf zudem die eng geschnürte und geknöpfte Taille, die bis heute stilbildend für zeitgenössische Dirndlformen ist und die weibliche Brust stark betont. Pesendorfers erklärtes Ziel war es, die Tracht zu befreien von – wie sie es nannte – „Überwucherungen“ durch die katholische Kirche, durch Industrialisierung und „artfremden Einflüssen“. Sie wollte, dass das „Wurzelechte“ hervortritt. Was das Wurzelechte sein soll, bleibt bei ihr ebenso schleierhaft wie die Vorstellung, was bei Laura Sophie Dornheim ein Nazi sein soll.

Pesendorfer wurde, obwohl sie keine fundierte Ausbildung hatte, zur Geschäftsführerin des Tiroler Volkskunstmuseums ernannt. Was genau sie also für ihre Position als Leiterin befähigt hat, bleibt schleierhaft, vermutlich war es einfach auch nur ihre Nähe zur richtigen Partei. Man kann also sagen, Kleider machen Leute und die richtigen Parteibücher machen Experten. 

Foto: Montage Achgut.com/pixabay

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W. Renner / 19.09.2023

Ich vermisse den Not-Aus Button für die gesamte Regierungsbrut.

Waltraud Magstadter / 19.09.2023

Der biologische Vorteil von rotgrünen “Inter*Nationalsozialist*innen”: geringe Fortpflanzungswahrscheinlichkeit wegen Abtreibung, Östrogen-Soja, Hormon-Transerei und Unterleibsbeschnippselung. Nur das Gesunde wird überleben und gedeihen. So wird dank Dialektik aus linkem Wahn ungewollt rechte Ordnung.

B. Zorell / 19.09.2023

Harald Hotz / 19.09.2023   Ich wähle die AfD als Wächter, ob die CDU/CSU ihr Versprechen hält. Ich möchte nicht wie 2010/11 über den Löffel balbiert werden, als diese ihr Versprechen, nie Schulden anderer Staaten zu übernehmen, hoch und heilig brach. Und es gibt viele, die so denken. Diesen Verrat wird die Union ewig bereuen.

Andreas Kollmann / 19.09.2023

Zu Frau Dornheim als (später erfolgreiche) Bewerberin um die Stelle als IT-Referatsleiter in München (und ihren Konkurrenten) schrieb die BILD am 22.06.2022: “ER war IT-Chef von Siemens mit 2200 Mitarbeitern. SIE leitete ein Team von 30 Leuten in einem Start-Up. Trotzdem soll Laura Dornheim (38) neue Münchner IT-Referentin (300 Millionen Budget, 10.000 Euro Monatsgehalt) werden. Die Grünen-Fraktion schlägt sie als Nachfolgerin von Thomas Bönig vor. (...)”

B. Zorell / 19.09.2023

Ich bin gespannt, wer dieses Mal die Direktmandate im Münchner Zentrum gewinnt. Damals war es die .SDA. (wegen der Preissn).

Jürgen Fischer / 19.09.2023

@aaron treppe, treffender kann man die Dornheim kaum beschreiben.

A. Ostrovsky / 19.09.2023

@Jörg Themlitz : >>@A. Ostrovsky: Sie glauben ja gar nicht, wie Sie ? da in Sachsen in der Falle sitzen.<<  Jetzt begreife ich erst, wie verworren die Lage ist. Die Ludmilla kannte ich mal, aber heilig war an der nichts. Ja, Ottendorf-Okrilla klingt gefährlich. Ich gebe zu, dass auch ich irrtümlich glaubte, Halbpreuße zu sein, bis ich begriffen habe, dass die frühere Provinz Sachsen nur preußisch besetzt war, aber die Einwohner keine Preußen sondern anhaltinische Sachsen. Bei mir ist ein Viertel Franzos dabei und ich sage immer ein Zwölftel Indianer, obwohl es beim alten Mendel keine Zwölftel gibt. Vermutlich kulturell angeeignet. Also ich könnte, wenn ich wöllte, die ganz große Zange ansetzen, spare mir das aber mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die Sorben eine Minderheit sind. Da muss man auch Empathie mitbringen. Die reden ja auch so seltsam, das ist ja schon schlimm genug. Übrigens wurde mir glaubhaft versichert, dass sich Sorben und Tschechen untereinander sehr schlecht verständigen können. Da wird doch der Hradschin etwas relativiert, denke ich. Damals haben sie alle irgendwie gesprochen, aber die wenigsten sorbisch, das steht fest. Gut ostseeisch vielleicht. Meine Großgroßtante kam von der Kurischen Nehrung, die hatte sowas leicht russisches in der Sprache, während das Sorbische doch eher genauso breit ist, wie das Sächsische. Aber wie gesagt, wenn sie zwei Viertel Preuße sind, ist mir vieles klar. Nur eins bleibt noch ungeklärt: Warum wollen die Sorben immer die Sachsen regieren?

Klaus Keller / 19.09.2023

An Karl Napp: Es gibt noch die Variante direkte Demokratie mit Volksentscheiden. Das macht auch nicht jeden Schweizer froh, ist aber immer noch besser als das was in Deutschland angerichtet wurde.

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