Wenn der linke Block aufmarschiert, um das Vorrecht auf die Demokratie zu beanspruchen, nimmt man es mit den Spielregeln der Demokratie nicht so genau. Jubelnd wird an den Pranger gestellt, wer es wagt, von dem gleichen Grundrecht freier Meinungsäußerung mit abweichender Überzeugung Gebrauch zu machen.
Dann gibt es, um wieder einmal Andrea Nahles, die Vorsitzende einer politischen Randgruppe namens SPD zu zitieren, was "auf die Fresse“. Stinkbomben werden zum Gaudi geworfen. Die Verteidiger der totalitären Demokratie feiern sich ausgelassen – „friedlich“ mit Kind und Kegel. Bei fetzigem Rock lassen sie es sich mit gut Gyros und Baklava gutgehen, wie dieser Tage in Darmstadt.
Kaum hatte die AfD vor Wochen angekündigt, in der dortigen Orangerie ihre Eröffnungsveranstaltung zum hessischen Landtagswahlkampf auszurichten, formierte sich ein „breites Bündnis“ von „rund 30 Initiativen“, Jusos, Grünen, Kirchen und Gewerkschaften. Für die selbe Zeit wurde am selben Ort, im Park vor der Orangerie, ein „Fest der Vielfalt“ organisiert. Der AStA versprach den Bürgern „Musik, Kinderprogramm, Speisen & Getränke sowie Informationsstände“. „Für Familienfreundlichkeit ist gesorgt“, versicherten die Veranstalter: linker Wahlkampf in den Zeiten des Hedonismus.
Mit Buttersäure in den Kampf
Für den knalligen Auftakt sorgten indes Unbekannte, als sie schon zwei Tage vor dem Termin Fenster der Orangerie einschlugen, um eine Stinkbombe mit Buttersäure in den von der AfD angemieteten Festsaal zu werfen. Auf einer Schmiererei am Jüdischen Friedhof war zu lesen: „Keine AfD, Orangerie 22. 8.“ Auch die Polizei bekam vorsorglich ihr Fett ab. Wieder einmal hieß es: „Deutsche Polizisten schützen Faschisten.“ Tatsächlich mussten die Beamten nachher erst einmal die halbe Innenstadt absperren.
Im Zentrum, auf dem Luisenplatz, hatte sich, so das Darmstädter Echo, „gegen 16.00 eine Mischung aus Alt und Jung, mit Fahrrad, Kinderwagen, Bollerwagen, Rollator oder Rollstuhl“ vereint. Mit ihrer „Portestdemo“ legten sie für Stunden den Verkehr lahm. Pendler mussten Umwege in Kauf nehmen, während die Demonstranten, nach Schätzungen der Polizei etwa 3.500, zur Orangerie spazierten.
Dort angekommen, pünktlich zum Veranstaltungsbeginn der AfD, „feierten“ sie fröhlich weiter, viele mit gezückter Trillerpfeife. Hunderte skandierten „Nazis raus!“ und „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“. Was die Redner, unter ihnen Alexander Gauland, drinnen im Saal sagten, war draußen nicht zu hören. Spielte auch keine Rolle, da von vornherein feststand: „Ganz Darmstadt hasst die AfD“. Eine Aussage, die insofern erstaunte, als die Stadt ein paar mehr als 3.500 Einwohner zählt, derzeit bald 160.000, rund 45 mal so viele, wie sich vor der Orangerie versammelt hatten.
Aber wer wollte schon kleinlich nachrechnen, wenn es um das große Ganze geht, um die Selbstbehauptung der linken Demokratie. Auch der Grüne Jochen Partsch wollte das nicht. Obwohl als Oberbürgermeister von Amts wegen zur Neutralität verpflichtet, hat er es sich nicht nehmen lassen, das „Fest der Vielfalt“ zu eröffnen. „Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Hetze haben keine Chance in Darmstadt, und das wird auch so bleiben“, rief der OB in die Menge. Dass es nur die AfD sein könne, die das ändern wollte, musste er nicht erwähnen. Es verstand sich für die Versammlung von selbst.
Wenn alle einer Meinung sind, ist es das Fest der Vielfalt
Der Applaus war dem Redner sicher, als er der immerhin demokratisch legitimierten Partei, abermals ohne Nennung ihres Namens, das „völkische Leitbild der Nazis“ unterstellte. Wie wenig diese Wortwahl mit seiner ausdrücklichen Warnung vor Hetze und „einer Verrohung der Sprache“ als Beginn allen Unheils zusammenpasste, mag dem Bürgermeister in der Hitze des Sommers entgangen sein. Überhaupt scheint ihm, und nicht ihm allein, so manches entgangen zu sein.
Zum Beispiel, dass unter dem Rest seiner Kommune, unter den Zehntausenden, die nicht zum „Fest der Vielfalt“ gekommen waren, Tausende sein könnten, die demnächst die verhasste Partei der „Rechtspopulisten“ wählen, nur weil sie es leid sind, sich ihre Gesinnung vorschreiben zu lassen.
Eine kaum zu überschätzende Gefahr angesichts dessen, wofür die AfD stehen soll, vielleicht sogar steht. Wer kann das schon wissen, wenn er den politischen Gegner von vornherein ausgrenzt, ihm kein Gehör schenkt, weil er ihn nicht für satisfaktionsfähig hält. Sich einzuigeln ist aber keine Lösung. Die es versuchen, wiegen sich in einer trügerischen Sicherheit. Am Ende sitzen sie ihrer eigenen Verblendung auf.
Jedenfalls war es bisher noch immer der politische Hochmut der herrschenden Eliten, dem in der Demokratie ihr Fall unversehens folgte. Mit einem „Fest der Vielfalt“, bei dem es in Wahrheit um die ideologische Gleichschaltung geht, ist dagegen nichts auszurichten, weder in Darmstadt noch sonst irgendwo. Mehr und mehr erinnert einen dieses multikulturelle Feiern an das Singen der verirrten Kinder im Wald.