Mimimi im „mima“

Zum vierten Mal nach 2008/2009, 2012 und 2014 hat sich die im Gazastreifen herrschende islamistische Terrororganisation Hamas entschlossen, Israel massiv mit Raketen anzugreifen – und der jüdische Staat muss einmal mehr seine Bevölkerung schützen. Mit Ausnahmen (BILD, DIE WELT) greifen in den Medien wieder die alten Reflexe, von einer „Gewaltspirale“ ist die Rede und es wird an „beide Seiten“ appelliert, sich zurückzuhalten.

Wer könnte den Schlamassel nun im ZDF-Mittagsmagazin (mima) erklären? Es müsste idealerweise eine Person sein, die unverdächtig ist, der durch und durch antisemitischen Hamas kritisch gegenüberzustehen, die sie im Gegenteil für „demokratisch“ hält und den von ihr gegen Israel ausgeübten Terror als „Notwehr“ und „Widerstand gegen die Besatzung“ umdeuten kann. Das Zweite Deutsche Fernsehen wird in Gestalt der deutschen Politologin Helga Baumgarten fündig, von 1993–2019 Dozentin an der Bir Zeit-Universität bei Ramallah und Verfasserin von Werken wie „Arafat: Zwischen Kampf und Diplomatie“ und „Kampf um Palästina – was wollen Hamas und Fatah?“ In ihrem Buch „Hamas. Der politische Islam in Palästina“ schrieb sie u.a.:

„In den westlichen Medien wird oft suggeriert, dass die Hamas für Gewalt und Menschenverachtung stehe, zum Frieden nicht bereit sei und Israel durch einen islamischen Staat ersetzen wolle. Die Hamas ist aber mehr: Sie vertritt auch ein Programm der sozialen, politischen und ökonomischen Reform und der demokratischen Veränderungen. Sie ist nicht der Friedensfeind schlechthin, sondern bereit zu Verhandlungen. Ihr Ziel ist die Beendigung der israelischen Besatzung, nicht die Zerstörung des Staates Israel.“

In einem Interview mit dem Stern antwortete sie einst auf die Frage, ob sie die Gefahr sehe, dass die Hamas versucht, einen islamischen Gottesstaat zu errichten, wie folgt:

„Nein, das sind eher projizierte Ängste, die aus den im Westen verankerten Vorurteilsstrukturen resultieren. Die Hamas hat in ihren jüngeren Programmen deutlich gemacht, dass sie ein Gemeinwesen für die palästinensische Bevölkerung schaffen will, das auf Demokratie und Freiheit beruht und Chancen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung bietet.“

„Palästinenser regelrecht kaputtbesetzt“

Als Vertreterin solcher Erkenntnisse, die jeder seriösen Einschätzung der mörderischen Djihadisten Hohn sprechen, wird Helga Baumgarten als, na klar, „Nahost-Expertin“ vorgestellt und bekommt fast fünf volle Sendeminuten, um die islamistischen Gotteskrieger von aller Schuld reinzuwaschen und diese den Juden in die Schuhe zu schieben.

Es geht los mit der Frage nach dem „Auslöser der Explosion der Gewalt“. Baumgarten beruft sich auf die linke israelische Tageszeitung Ha’aretz: Es sei eine „Tatsache, dass Israel die Palästinenser seit über 50 Jahren besetzt hält. Keine Gesellschaft, kein Mensch kann so etwas aushalten.“

Nun hat die Politologin ganz sicher vom „Oslo-Friedensprozess“ gehört, der just in jenem Jahr begann, als sie nach „Palästina“ zog, und ebenso von der palästinensischen Selbstverwaltung, aber man ahnt, dass das hier zu einer einzigen absurden Anklage wird. 

Baumgarten beklagt „eine ständige Gewalt gegen die Palästinenser durch die israelische Armee, durch Siedler, ökonomische Gewalt, alltägliche Gewalt, Vertreibung aus den eigenen Häusern, die Enteignung von Land, die Zerstörung von Häusern“ und so weiter und resümiert: „All das hat zu einem Punkt geführt, wo die Palästinenser regelrecht kaputtbesetzt sind und vor einer Explosion stehen.“

Die „Nahost-Expertin“ unterschlägt hier nonchalant den vollständigen Abzug der Israelis aus dem Gazastreifen im Sommer 2005 sowie die Machtergreifung der Hamas und die Vertreibung der rivalisierenden Fatah zwei Jahre später. Seither müssen die „kaputtbesetzten“ Palästinenser eigentlich nur von der Herrschaft der Hamas befreit werden. Baumgarten aber zieht wieder die heißgeliebte Ha’aretz heran, um sich über die „sinnlose, kurzfristige, kontraproduktive Eskalationspolitik der Regierung Netanyahu“ zu echauffieren, und fragt, warum die israelische Polizei „mitten im Ramadan… mit massiver Polizeigewalt in den Haram al-Sharif eindringen" musste.

„Na, weil es gewalttätige Unruhen auf dem Tempelberg gab“, hätte ein richtiger Nahostexperte ihr da geantwortet, aber damit wäre die Moderatorin überfordert. Dennoch wagt sie zur Halbzeit (2:30), Baumgartens Lamento zu unterbrechen. Sie wolle auch mal auf die andere Seite schauen, so seien ja über 1.000 Raketen auf Israel abgeschossen worden. Wie groß denn der Rückhalt sei, den Hamas und Islamischer Jihad unter den Palästinensern haben?

Originelle These: Nach 50 Jahren greifen die Palästinenser erstmals zur Gewalt

Baumgarten, Intifada I und II ebenso unterschlagend wie alles andere, was ihr Narrativ von den friedlichen und ewig unterdrückten Palästinensern ins Wanken bringen könnte: „Die Bevölkerung kommt an den Punkt, wo sie sagt: Wir sind bereit, gegen die Gewalt, die wir seit einem halben Jahrhundert ertragen mussten, Gegengewalt einzusetzen.“ Auch die bekanntermaßen pazifistischsten Menschen auf der Welt, die Palästinenser, haben schließlich irgendwann mal genug von den aggressiven Juden! Daher genössen Hamas und Islamischer Jihad die Unterstützung der Bevölkerung: „Nicht nur ihr dürft uns totschießen, auch wir haben das Recht, uns zu wehren.“

Das wird nichts mehr. Wer wirklich erfahren will, was in Israel und den Palästinensergebieten passiert, ist hier im völlig falschen Film.

Die Moderatorin versucht es noch einmal mit Äquidistanz. Wie man die „Gewalt beider Seiten stoppen“ könne? Ob ein internationales Eingreifen nötig sei? Die USA und Europäer sich stärker engagieren müssten? Unschwer zu erraten, was das 73-jährige Berufsklageweib dazu sagen wird:

Baumgarten: „Was jetzt gefordert ist..., ist massives Engagement seitens der USA, seitens der Europäer und nicht zuletzt seitens Deutschlands…“ Aha! Gerade wir als Deutsche müssen den Juden ins Gewissen reden, wenn ihnen Antisemiten nach dem Leben trachten? Bingo! Wenn man sich als engsten Freund Israels (!) betrachte, solle man mit dem „Tacheles reden“: „Deeskalieren! Geht raus aus dem Haram al-Sharif, redet mit den Palästinensern, nutzt alle Kanäle, um mit Hamas zu reden, das war immer wieder möglich die letzten 15, 20 Jahre, redet mit den Palästinensern in Israel, stoppt die Vertreibung von Palästinensern aus ihren Häusern in Ostjerusalem und bringt endlich diese unheilvolle Besatzung zu einem Ende.“

Ihre Gebühren bei der Arbeit! Dass die Palästinenser bei auch nur etwas gutem Willen längst ihren Staat hätten haben können, dass „die Besatzung" längst vollständig beendet sein könnte – tut nichts! Während der größte Teil Israels unter massivem Raketenbeschuss liegt, hunderttausende jüdische wie arabische Bewohner des Landes Zuflucht in Bunkern suchen müssen, wird Helga Baumgarten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform geboten, um den Raketenterror einer islamistischen Busbomberpartei zu rechtfertigen. „Umstritten“ sind schließlich immer die anderen, und gecancelt werden nur die mit der falschen Meinung.

Foto: Stefan Röhl /Heinrich-Böll-Stiftung CC BY-SA 2.0 de via Wikimedia Commons

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P. Wedder / 13.05.2021

Wo bleibt eigentlich Frau Merkel? Hat sie sich zu dem derzeitigen Terror in Israel oder den hasserfüllten antisemitischen Aufzügen vor Synagogen hier in D schon geäussert? Ich habe nichts gehört

Nico Schmidt / 13.05.2021

Sehr geehrter Herr Casula, die Palästinenser sind wirklich arm dran, vor allen Dingen mit ihrer Hamas. Für nichts ist Geld da, es gibt keine Arbeit, keine Schulen, nur für unendlich viele Waffe und Raketen ist immer Geld da. Ich halte es mit Golda Meir: Wenn Israel die Waffen niederlegen würde, wäre es morgen im Meer verschwunden. Wenn die Araber ihre Waffen niederlegen würden, hätten wir morgen Frieden. MFG Nico Schmidt

Armin Vollmer / 13.05.2021

Ich habe das Interview im Mima zufällig gesehen und gedacht ich höre nicht richtig! Das man das im ÖRR noch erleben darf. Die Frau Baumgarten hat ja sowas von recht. Sonst gilt ja bei uns immer das 11. Gebot: “Israel darf alles”. Israel ist und bleibt ein Terrorstaat.

Sarkis Vartanian / 13.05.2021

Gibt es strukturellen Antisemitismus bei den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten? Welche Redaktion weiß denn, aus welcher Höhle man sowas wie ‘Helga Baumgarten’ ausgraben kann? Aber die Öffis haben ein professionelles Händchen für das Israel-Bashing. Vor einiger Zeit durfte ein deutscher Benediktiner von der Dormition Abbey im Abendprogramm verkünden, ohne den jüdischen Staat Israel gäbe es die ganzen Probleme in Palästina nicht.

H.Milde / 13.05.2021

Aktuell:  Ein “WDR”  Haltungssjournalist, Lorenz Beckhart, hat öffentlich den “lieben Gott gebeten, die ollen Philosemiten tot zu machen”, wahrscheinlich zusammen mit den Semiten? Joseph, Reichs-Heini, und ein Postkartenmaler wären bestimmt sstolz auf ihn. Vielleicht bekommt er auch bald ein Einladungsschreiben von der Schönen Aussicht?

Marc Blenk / 13.05.2021

Lieber Herr Casula, Offener kann Antisemitismus medial nicht gelebt werden. Das Recht sich zu verteidigen, spricht die deutsche Politik Israel moralisch ja schon lange ab. Man sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass der Antisemitismus zur DNA der zum Mainstream und zur Richtschnur deutscher Außenpolitik geronnenen deutschen Linken gehört, wie das Dogma der Grünen, gegen Atomkraft zu sein. Wäre Israel nicht in der Lage, sich selbst zu wehren und fiele die USA als Schutzschild aus, Deutschland würde den nächsten Holocaust mit Schulterzucken zulassen. Denn Deutschland wird vielleicht am Hindukusch verteidigt, aber nicht in Tel Aviv. Der Judenhass, wird von der herrschenden Politik auch dadurch befördert, dass man die Feinde der Juden und Israels massenweise und ungeprüft ins Land ließ und weiter lässt. Nun brennen israelische Fahnen und offen jüdisches Leben wird immer schwieriger und gefährlicher. Mir kann niemand erzählen, dass solches ganz ohne politische Absichten geschieht. Man importiert mit Hilfe islamischer Migration ein neues Proletariat, dessen politisch religiöser Tendenzen man um so lieber nachgibt, je mehr sie eigenen ideologischen Ambitionen anverwandt sind, oder auch nur, um die eigene Machtposition zu stärken. Daran würden auch nicht zehntausend Antisemitismusbeauftragte etwas ändern.  

Sabine Heinrich / 13.05.2021

@Volker Kleinophorst: ...abgeblühte alte Weiber..” - also Ihre Wortwahl - da sage ich mal lieber nichts… Sind Sie eigentlich ein abgeblühter faltiger alter (frauenverachtender Mann)? Die Frage muss erlaubt sein!

Edgar Jaeger / 13.05.2021

Ist doch schön das man wieder darf und kann. Das bedeutet wohl, dass wir nach der Pandemie wir wieder zur Normalität zurückkehern und wieder Antisemit:Innen oder Antizionist:Innen sein können. Es war ja eine sehr schwere Zeit alls man Bibi loben musste - selbst die taz musste als sie Israel wie üblich “kritisierte” Selbstkritik üben.

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