Vera Lengsfeld / 18.10.2023 / 16:00 / Foto: Imago / 12 / Seite ausdrucken

„Man kann mit dem Hintern keine Wellen brechen – mit dem Kopf schon“

Weil Boris Reitschuster darauf bestand, seine journalistische Arbeit am Auftrag des Grundgesetzes auszurichten und nicht an den Vorgaben des journalistischen Zeitgeistes, wurde er schnell zum Außenseiter, dann zum Ruhestörer, der beseitigt werden muss. 

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Wir leben bekanntlich im besten Deutschland aller Zeiten, in dem eifrige Demokraten dabei sind, überall auf der Welt Zustände zu kritisieren, die sie für undemokratisch halten. Sie sehen den Splitter in den Augen der Anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Mehr noch, ihre moralische Hybris gibt ihnen das Gefühl, dass jedes Mittel recht sei, um das durchzudrücken, was sie unter Demokratie verstehen. Es wird bereits offen gefordert, auch undemokratische Mittel zu verwenden, um die in eine real existierende Demokratie transformierten Zustände zu zementieren. (Für alle Jüngeren: Die Zustände in der Deutschen Demokratischen Republik wurden „real existierender Sozialismus“ genannt). Regierungskritiker waren in der DDR Staatsfeinde, heute sind sie Nazis, die bekämpft werden müssen. Wie wenig zimperlich dabei vorgegangen wird, beschreibt der neben Henryk Broder bekannteste Journalist unseres Landes, Boris Reitschuster.

Reitschuster war ein im journalistischen Milieu gut vernetzter und beliebter, ja, für seine Putinkritik auch schon angefeindeter, aber doch hochgeachteter Kollege, bis ihm auffiel, dass die meisten seiner Kollegen ihrer demokratischen Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, nicht mehr nachkamen, sondern sich stattdessen zu willigen Helfern der Politik gemacht haben. Jüngstes Beispiel ist, dass die absurde Behauptung von Außenministerin Baerbock, die Bundesregierung hätte durch Island Jugendliche aus Israel ausfliegen lassen, vom ZDF nicht nur nicht hinterfragt, sondern aus dem Interview rausgeschnitten wurde. So wird die unfähigste Außenministerin seit Bestehen der Bundesrepublik vor den Folgen ihres Unvermögens geschützt.

Weil Reitschuster darauf bestand, seine journalistische Arbeit am Auftrag des Grundgesetzes auszurichten und nicht an den Vorgaben des journalistischen Zeitgeistes, wurde er schnell zum Außenseiter, dann zum Ruhestörer, der beseitigt werden muss. 

Schriftsätze, die eher Propagandaschreiben gegen „rechts“ gleichen

Besonders die wenigen Journalisten, die noch die Bundespressekonferenz frequentieren, um den Regierungssprechern positiv aufzufallen, konnten Reitschusters kritische Fragen nicht ertragen, weil sie vorgeführt bekamen, was ihre Aufgabe gewesen wäre. Dass Reitschuster nicht mehr gegrüßt wurde, auch von guten Bekannten nicht, war nur eine Seite. Die andere waren Denunziationen, bei denen sich besonders ein linker Kollege hervortat. Merkwürdigen Mahnschreiben des Vorstands der BPK folgte dann Reitschusters Rauschmiss, mit der fadenscheinigen Begründung, sein Wohnsitz wäre nicht mehr in Berlin. Das wird in der Satzung der BPK zwar nicht verlangt, aber dennoch exekutiert.

Reitschuster wehrte sich vor Gericht und musste feststellen, dass wir inzwischen etwas haben, das es niemals mehr in Deutschland geben sollte: eine Justiz, der man nicht mehr vertrauen kann. Reitschuster verlor Gerichtsverfahren, die er nach Recht und Gesetz nicht hätte verlieren dürfen. Die Beweise dafür kann man im Buch nachlesen. Ich kann diese Erfahrung nur bestätigen. Besonders in Berlin, aber nicht nur, hat die Gegenseite einer als „rechts“ abgestempelten Person schon gewonnen, bevor sie überhaupt ihre Schriftsätze eingereicht hat, die dann eher Propagandaschreiben gegen „rechts“ gleichen, als zum eigentlichen Streit-Gegenstand etwas sagen.

Für Reitschusters Vertreibung sorgte auch die Polizei. Auf dem Flugplatz wurde ihm mitgeteilt, dass er zur Fahndung ausgeschrieben sei. Der Hausmeister seiner Berliner Wohnanlage bekam Besuch von der Polizei, die über Reitschuster Auskünfte einholen wollte. Auch sein Verwandter in Augsburg wurde befragt. Erst als das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, erfuhr Reitschuster, dass es eins gegeben hatte und nur, weil sein Anwalt auf Akteneinsicht drängte, wem er das zu verdanken hatte: einer Anzeige des WDR. 

Die Absurdität des Ganzen ist unfassbar: Der WDR hatte Anzeige erstattet, weil Reitschuster an einem Tag über angebliche WDR-Mitarbeiter berichtet hatte, die eine Reichsbürgerflagge aus dem Kofferraum gezogen und damit eine Demonstration besucht haben sollen. Die Sache ging seinerzeit in den sozialen Netzwerken durch die Decke. Zwar war es Reitschuster, der durch eigene Recherche herausgefunden hatte, dass es sich nicht um WDR-Mitarbeiter handelte und das schon am folgenden Tag veröffentlichte, worauf in der Strafanzeige des WDR sogar Bezug genommen wurde; die Staatsanwaltschaft eröffnete dennoch ein Ermittlungsverfahren. 

Ich weiß, was es bedeutet, unschuldig verfolgt zu werden

Dass solche fragwürdigen Verfahren kein Einzelfall sind, beweist der Fall Michael Ballweg, der sogar acht Monate in Untersuchungshaft genommen und in Handschellen dem Gericht vorgeführt wurde, ehe das gegen ihn gerichtete Verfahren eingestellt wurde. 

Ich wurde zwar nicht inhaftiert, habe aber mit einem ähnlich grundlosen, nach zwei Jahren eingestellten Ermittlungsverfahren Erfahrungen machen müssen. Ich weiß, was es bedeutet, unschuldig verfolgt zu werden. Ich hatte allerdings gedacht, dass diese Gefahr mit dem Zusammenbruch der DDR vorbei sei. So kann man sich irren.

Zu den Schikanen, denen Reitschuster unterworfen wurde, gehören auch Bankkündigungen, zuerst durch die ING, nach Selbstauskunft Deutschlands beliebteste Bank, die übrigens schon mehrfach Bankenkündigungen bei Regierungskritikern vorgenommen hat, unter anderem auch bei mir. Jüngst hat die ING verkündet, dass allen Kunden das Konto gekündigt wird, wenn sie über keine glaubwürdigen Pläne zur Emissionsreduzierung verfügen!

Eine Bank maßt sich an, zu entscheiden, ob sich ihre Kunden „klimagerecht“ verhalten. Wie wollen sie das prüfen? Wer gibt einer Bank das Recht, Klimadaten ihrer Kunden zu erheben? Das ist eine totalitäre Anmaßung, die nur deshalb nicht als Skandal empfunden wird, weil unsere meinungsmachende Presse darüber berichtet, als wäre es die normalste Sache der Welt. ING trennt sich von Klimasündern, lauten so oder ähnlich die Überschriften. Wer „Sünder“ ist und dafür bestraft werden muss, liegt bei der Bank, die Häscher, Richter und Henker in einem ist. Niemandem von den besorgten Demokraten in Deutschland fällt auf, dass die Bank gegen die verfassungsmäßigen Grundrechte der Bürger verstößt, indem sie eine neue Art von Zensur einführt.

Verunglimpfungen durch Medien, allen voran die „Süddeutsche“

Aber auch andere Banken haben Reitschuster gekündigt, manche anscheinend unter dem Druck von Denunziationsportalen, wie sie mittlerweile zahlreich mit Steuergeldern unterhalten werden, die Banken unter Druck setzen und zum Wohlverhalten auffordern, indem sie sich von „rechten“ Kunden trennen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, was es bedeutet, wenn ein Privatkonto gekündigt wird, über das alle Abbuchungen für die notwendigen Unterhaltskosten laufen. Es dauert Wochen, ehe alles wieder reibungslos läuft. So werden Regierungskritiker beschäftigt und von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten. Bei Reitschuster gab es parallel massive Verunglimpfungen durch Medien, allen voran die Süddeutsche, die ihrem Spottnamen „Alpen-Prawda“ wieder alle Ehre machte. 

Wer das aushalten muss, braucht Nerven wie Drahtseile, die der durch Erfahrungen in Russland gestählte Reitschuster zum Glück hat. Er hat aber auch genügend Humor, um die Lächerlichkeit mancher Anwürfe zu erkennen. Trotzdem nervt so ein Terror, besonders wenn die Familie mitbetroffen ist. Deshalb ist es bedauerlich, wenn auch nur allzu verständlich, dass er Deutschland den Rücken gekehrt hat. Heutzutage kann man ja von fast jedem Teil der Welt für die Rettung der Demokratie in Deutschland kämpfen.

Zum Schluss noch ein wertvoller Rat für alle, den Reitschuster von einem befreundeten Juden aus Kiew erhielt: Man soll sich persönliche Angriffe, die jeder erwarten muss, der den Herrschenden aller Couleur auf die Finger schaut, nicht zu Herzen nehmen. Das macht nur krank. Man soll sie als Material für die Analyse des Zustands der Gesellschaft betrachten. So bleibt man geistig gesund. 

Man kann mit dem Hintern keine Wellen brechen, sagt ein altes russisches Sprichwort. Mit dem Kopf schon. Deshalb fürchten alle Machthaber dieser Welt die Köpfe ihrer Kritiker.

Boris Reitschuster: Meine Vertreibung, Achgut Edition, 22,00 €. Sie können das Buch hier in unserem Shop bestellen

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Vera Lengsfeldgeboren 1952 in Thüringen ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

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Thomas Szabó / 18.10.2023

Die Achse des Guten wird als eine Stimme der Vernunft in die Geschichte eingehen. Es kommt der Tag, wo sich viele Leute als Achse-Fans outen werden, die uns heute noch wie das Weihwasser meiden. Interviews mit deutschen Durchschnittsbürgern aus dem Jahr 2032: K. Lauterbach: “Ich schloss mich im Jahre 2020 dem Widerstand an, als heimlicher Achse-Leser unter der Bettdecke…” R. Habeck: “Als glühender deutscher Patriot…” A. Merkel: “Die undemokratische Rückgängigmachung der Wahl in Thüringen öffnete mir die Augen und ich machte mich auf die Suche nach einem kritischen Medium…” C. Roth: “Deutschland Deutschland über aaalles…” J. Böhmermann: “Als engagierter investigativer Regierungskritiker der ersten Stunde war ich stets auf Achse…”

Ilona Grimm / 18.10.2023

@Rainer Niersberger: Ich liebe Ihre Kommentare; die von heute (dieser hier und der zu Hirsi Ali) würde ich glatt unterschreiben!

Nico Schmidt / 18.10.2023

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, als ich vor fast 33 Jahren aus Eckernförde nach Chemnitz umgezogen bin, habe ich immer und immer und immer wieder vollmundig verkündet: “Das Unrecht wäre bei uns nie möglich gewesen!” Tja, da habe ich mich aber getäuscht. Frau Dr. Merkel, studiert in Russland, hat da ganze Arbeit geleistet. Frau Faeser möchte die Beweisumkehr wie in der DDR und die Qualitätsmedien sind auf Linie. Bravo, Deutschland! Mfg Nico Schmidt

Rainer Niersberger / 18.10.2023

Ist es nicht erstaunlich? Abgesehen davon, dass ein gewisser Hoecker, CDU resp Werteunion, hier noch vor wenigen Wochen von einem funktionierenden Rechtsstaat schwadronieren duerfte, wider besseres Wissen?, war man, wenn man derartige Zustaende vor vielleicht 3 bis 5 Jahren, einige auch schon laenger, vorausgesagt haette, auch bei den Liberalkonservativen in der rechten Verschwoererecke.  Besonders ” wehrhaft”, leider bis heute nicht gegen die wahren Feinde, zeigten sie sich bei Vergleichen, nicht Gleichsetzungen, mit der DDR. Und nun, welche Ueberraschung : Der Zug rollt, gestartet von Merkel, was damals auch bereits offenkundig war, aber wieder einmal verniedlicht wurde.  Man kann durchaus am Intellekt der Rotgruenen zweifeln, sollte sie aber auch nicht unterschätzen. Das Problem ist, um die “andere Seite” koennte es auch besser bestellt sein.  Es haette uns, in diesem Fall konkret auch Herrn Reitschuster, einiges erspart, wenn die Liberalkonservativen “aufwachen” wuerden bzw etwas frueher aufgewacht waeren. Nicht wenige schlafen ja immer noch. Fuer einen, der es ziemlich exakt so kommen sah und das auch schrieb, sind die posthumen Jammereien schon deshalb seltsam, weil sich politisch bis heute nicht einmal etwas geaendert hat. Das Kartell verfügt immer noch ueber eine satte Mehrheit, den Schikanen und Rechtsmissbraeuchen der sattsam bekannten Handlangerjustiz zum Trotz.

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