Susanne Baumstark / 13.06.2019 / 11:00 / Foto: Stefan Brending / 9 / Seite ausdrucken

Machtkampf in der Arbeitsagentur

Wie man sich den Staat zur Beute macht, demonstriert gerade wieder die SPD. Die einzige Frau im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Valerie Holsboer, zuständig für Personal und Finanzen, soll frühzeitig abberufen werden. Der Verwaltungsrat, bestehend aus Vertretern der Gewerkschaften, Arbeitgeber und des Staates, will am 12. Juli darüber entscheiden.

„Hintergrund ist ein Machtkampf, der in Deutschlands größter Behörde seit Monaten tobt“, so die FAZ. Schwammiger und bemerkenswerter Vorwurf an Holsboer laut Nordbayern: Sie habe den strukturellem Umbau der Behörde – „weg von den Erfordernissen der Massenarbeitslosigkeit, hin zur Betreuung eines kleinen Kerns von Menschen, die bereits länger arbeitslos sind und intensive Unterstützung brauchen“ – nicht entschieden genug vorangetrieben (?!). Gemäß der FAZ ist der Vorwurf: Sie sei „führungsschwach und stecke inhaltlich immer noch nicht in der Materie“.

Holsboers Verteidiger sagen hingegen: Kern des Konflikts ist der von der Juristin angestoßene Kulturwandel, „mit dem die bisher strikt hierarchisch organisierte Behörde moderner, transparenter und effizienter werden soll“ (Nordbayern). Das schätzten vor allem die Mitarbeiter, „stellt aber auch bestehende Machtstrukturen infrage“. Ein Unterstützerbrief steht hier. Sogar eine Petition für Holsboers Verbleib im Amt soll folgen. 

Politische Machtspiele bei Stellenausschreibungen

Die Autorin dieses Beitrags erfuhr schon vor zwei Jahren durch einen Kontakt aus der Mitarbeiterschaft einer örtlichen Arbeitsagentur, dass diese ein streng geführtes SPD-Unternehmen sei und man als angestellte Fachkraft darauf achten müsse, was man äußert, solange man den Job behalten will.

Politische Machtspiele im Rahmen von Stellenausschreibungen und Postenbesetzungen sind zudem auch dort relevant, wo etwa Vorsitzende mit sozialdemokratischem Parteibuch der großen Arbeitgeberin AWO gleichzeitig sowohl die Kommunalpolitik dominieren als auch freundschaftliche Kontakte zur Leitung der Arbeitsagentur im Wirkungsbereich pflegen. Es ist nicht auszuschließen, dass potenzielle Whistleblower diesbezügliche Untiefen zutage befördern könnten.

Auf die Agenda in der Causa Holsboer gehörte, nebenbei bemerkt, das tatsächliche Frauenbild bei SPD-Genossen, denen „Geschlechtergerechtigkeit“ bei der Postenverteilung nur solange wichtig zu sein scheint, als es sich dabei um brav abnickende Opportunistinnen handelt. Übrigens zur Erinnerung: Die Arbeitsagentur gehört zum sozialen Sicherungssystem, in das die Bürger einzahlen, vor allem zu dem Zweck, in Zeiten von Arbeitslosigkeit vorübergehend unterstützt zu werden. Das dortige Personal hat sich dieser Aufgabe zu widmen. Politische Machtkämpfe von Verantwortungsträgern haben, falls überhaupt, in ihrer unbezahlten Freizeit stattzufinden.   

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel.

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Rainer Niersberger / 13.06.2019

Aus eigener praktischer Erfahrung im Personalbereich kann ich bestätigen, dass sich die Dame mit ihrem hier beschriebenen Ziel des Kulturwandels ( mit allen damit verbundenen Entscheidungen und Konflikten) eine Herkulesaufgabe stellt. Dies gilt unabhängig von der SPD- Besetzung und auch von der Mann/ Frau- frage. Es geht schlicht um den Verlust von Macht, Status, Einfluss und Privilegien ( warum auch immer) und da dürften die Widerstände übrigens auch gegen kulturinnovative Herren maximal sein. Natürlich wird mit im bisherigen Establishment mit allen Mitteln gekämpft. Die allein relevante Frage ist und bleibt : Hat sie mächtige Unterstützer, die sie halten, gleich wer zum Jammern und Drohen kommt ? In den meisten Fällen fehlt es exakt daran und der Abgang ist vorprogrammiert.

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