An Kochbüchern besteht auf dem Buchmarkt kein Mangel. Sie verkaufen sich wie geschnitten Brot. Für alles und jedes gibt es bebilderte Sammlungen passender Rezepte, für den erotischen Abend zu zweit, für den Junggesellen, für Alte, Kinder, verlassene Männer und geschiedene Frauen, für das Essen am Meer oder auf der Alm. Nicht zu vergessen die vegane, die indische, die mongolische oder die ostfriesische Küche. Neue, bislang unbekannte Gaumenreize, so schien es, seien da kaum noch zu entdecken.
Nun aber wird etwas angekündigt, worauf wir in keinem Albtraum verfallen wären: das „Notfallkochbuch“, vorgestellt etwa im Darmstädter Echo unter der Überschrift „Lecker essen in der Katastrophe“. Ausgedacht haben sich das nicht die berühmten Meister der Kochlöffel, nicht Alfons Schuhbeck noch Johann Lafer, sondern ein „Geschäftsbereich“ des Innenministeriums, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kurz BKK. Ausgeschrieben ist ein Wettbewerb, an dem sich jedermann und -frau mit der Zusendung eigener Rezepte beteiligen kann. Einsendeschuss soll der 31.Mai sein, der Tag nach dem jährlich prognostizierten Weltuntergang.
Wenn Sie noch mitmachen wollen, sollten Sie sich also beeilen. Kaufen Sie schleunigst eine Gaskartusche samt Campingkocher. Laden Sie – ein bisschen Spaß muss sein – Freunde und Bekannte ein. Gehen Sie dann an den Sicherungskasten, schalten Sie die Stromversorgung aus, um für die stimmige Atmosphäre zu sorgen. Und schon kann das fröhliche Notfallkochen beginnen, vorausgesetzt, Sie haben die nötigen Vorräte gebunkert: 3,5 Kilogramm Getreideprodukte, Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Reis, so die „Empfehlung“ des BKK.
Fit für den Ernstfall
Wie das geht, hat unlängst Peter Winter vom Deutschen Roten Kreuz bei einer Veranstaltung in Bonn vorgemacht. Der Mann kennt sich aus, er verfügt über hinreichende Erfahrungen. „Ich mache Camping“, verriet er nebenbei. Mit ihm hat das Bundesinnenministerium einen Fachmann gewonnen, der weiß, wovon er spricht.
Da sage noch einer, unsere Politiker würden nicht vorausschauend handeln. Mit dem „Notfallkochbuch“ machen sie uns fit für den Ernstfall. Ganz abgesehen von dem Gaudi, das die spielerische Vorbereitung auf den Mangel in den Zeiten des Überflusses verspricht. Was ist schon ein getrüffelter Rehrücken, serviert an gedeckten Tischen, gegen einen „Pfannkuchen ohne Eier“, genossen im Zustand geistiger Umnachtung. Zehn Tage immerhin, verspricht das BKK, könnten wir damit „schmackhaft“ überleben. Deutschland auf dem kulinarischen Weg in die Finsternis, übersättigt und politisch auf den Hund gekommen.
PS. Nur zu Erinnerung: Am 1. Oktober 1933 wurde unter Hitler der „Eintopfsonntag“ eingeführt. Einmal im Monat sollte es am Tag des Herren nur Suppe geben, damit sich das Volk unter anderem daran gewöhnt, in der Not den Gürtel enger zu schnallen. Was die Mehrheit zunächst verdrängte, ihr „Führer“ hatte bereits die Zukunft in Blick.