Kurze Rede an die wohlstands-verwahrlosten Luxuskinder

Eine Generation, die nicht mehr weiß, was körperliche Arbeit ist, bekämpft den Motor und setzt auf Muskelkraft.

Es ist die Generation Zentralheizung, die glaubt, Wärme komme einfach aus der Wand. Die Generation, die nie Kohle aus dem Keller in den fünften Stock geschleppt hat, um es warm zu haben.

Ohne Aufzug. Die Generation, die nicht einmal mehr den Satz auf den Mülltonnen kennt „Keine heiße Asche einfüllen“.

Eine Generation, die jeden erdenklichen Luxus – von der Waschmaschine über den Wäschetrockner bis zur Spülmaschine und von der elektrischen Zahnbürste über den Akkurasierer bis zum Kaffeevollautomaten – für naturgegeben hält.

Es ist diese Generation, die nun ganze Städte zu Fußgängerzonen umbauen will, damit die alternde Bevölkerung ihre Wasserkästen möglichst nicht nach Hause transportieren kann, sondern Flasche für Flasche einkaufen muss; so wie sie auch jede einzelne Flasche aus dem Müll fischt, um das Pfand in Rente zu wechseln.

Die wohlstandsverwahrlosten Luxuskinder, deren Schweiß bislang allenfalls im Fitnessstudio floss. All diese Entschleuniger und Natureinklangsfetischisten, die Work-Life-Balancierer und Latte-Macchiato-Jonglierer werden lernen: Motorsägen und Elektrobohrer, Fahrstühle und Lkws, sie alle wurden nicht erfunden, um das Biotop des dreifach gefächerten Wildlurchs oder das Habitat der fluoreszierenden Zwerglaus zu stören, sondern um den endlosen Schmerz, die ächzende Pein und das zerrende Keuchen bei der Bewältigung alltäglichen Tuns zu reduzieren, um das Leben lebenswerter und die Welt freundlicher zu gestalten.

Ich wage vorauszusehen: Erst wenn Ihr Euer letztes Bettgestell, Eure letzte Schrankwand, Euren letzten Bierkasten und Euren letzten Gartengrill im Nieselregen eines Herbstnebeltages auf dem Lastenfahrrad den Berg hochgezerrt habt, werdet Ihr begreifen, warum Opa froh war, ein Auto zu besitzen.

Und wenn Ihr dann in einer anschließenden Zwischenphase wieder zwischen Bergen von Pferdeäpfeln über die Straßen gehüpft seid, dann kommt der Tag, an dem Ihr Euer Lastenfahrrad in einem glücktriefenden Moment zum Sperrmüll stellt.

Sei's drum: Jede Generation hat das Recht, aus ihrer eigenen Dummheit zu lernen. Schmerzen sind der beste Lehrer.

Zuerst erschienen bei eigentümlich frei.

Foto: Achgut.co,

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Alexander Schilling / 09.09.2021

Nur keine Sorge: die angesprochenen Wohlstandsverwahrlosten werden in 20 Jahren mit Zunge und Zähnen kunstvoll Sonnenblumenkerne entkernend bei allzu lautem Gekeife ihrer Weiber und allzu wildem Getöse ihrer Kinderschar sich auf ein ausgedehntes Wasserpfeifchen ins wohltemperierte Sobkhāneh zurückgezogen haben, durch die Glaswolle ihrer Bärte streichen und dabei mit Sehnsucht über ein gezapftes Erfrischungsgetränk, mit Wohlgefallen über die weitverzweigten Verbindungen ihres kleinasiendeutschen Schwiegervaters, mit Eifer über ein gottgefälliges Leben und mit Seufzen über die zur Finanzierung der obligaten Pilgerreise nötigen Bittgänge sinnieren. Nur eines werden sie in ihrem Leben niemals getan haben, noch auch jemals tun werden: arbeiten.

Holger Sulz / 09.09.2021

Schön, wenn die Achse den legendären Carlos von “eigentümlich frei” entdeckt- gleichwohl: In mir provoziert es einen Blick zurück im Zorn auf meine eigene Generation. Waren es nicht wir aus der 68er-Ära, die als langhaarige Vollpfosten die rote Mao-Bibel schwenkten, “Street fighting men” grölten, verklemmt von den fuck-ins in der “kommune 2” träumten und die grüne Höllenbrut aus der Taufe hoben? Obwohl mit anständigem Rüstzeug noch an den Universitäten ausgebildet, so doch bereits unseren antiautoritär verzogenen Blagen erlaubten, Idiotenstudiengänge wie Soziopolito und Gedöns zu absolvieren, anstatt ihnen sofort den Geldhahn zuzudrehen, sie obendrein mit Enten und Käfern statt Fahrrädern ausstatteten? Sind nicht wir es gewesen, die sich “Atomkraft-nein danke” an die Autos pappten und SPD wählten? Und “klammheimliche Freude” bei den RAF-Morden empfanden? Statt Schopenhauer Leichtmatrosen wie Böll oder den unsäglichen Grass lasen und uns Adornogeschwurbel als der Weisheit letzten Schluß verkaufen ließen? Von nichts kommt nichts. Wie können wir uns einbilden, aus der Enkelgeneration als Warmduscher-Schlemihle in 2. Generation würde mehr als lila Brei, der die geringste Leistungsanforderung als Affront auffasst und nach Enteignung schreit? Wir stehen am Vorabend ihrer totalen Machtergreifung. Die Gnade einer frühen Geburt wird uns nicht mehr zuteil und wir werden aufs Alter noch Armaggedon zu schmecken kriegen. Recht so.

Norbert Brausse / 09.09.2021

Man fragt sich, warum insbesondere junge, nicht ungebildete Menschen nicht weiterdenken können. Solch ein Verhalten wie hier beschriebe mag ja sogar Spaß machen, wenn man sonst keine weiteren Sorgen hat. Aber irgendwann muss man auch einmal etwas leisten, ein halbes Volk von Nichtsnutzen werden die wenigen Fleißigen nicht mehr ernähren können und auch wollen.

Rainer Niersberger / 09.09.2021

Wir wissen von Hirnforschern, dass die (Persönlichkeits) - “Entwicklung” irgendwann zumindest soweit abgeschlossen ist, dass dann allenfalls noch kleinere, marginale Korrekturen moeglich sind, die wiederum von dem abhaengen, was die Typen so insgesamt mitbekommen haben.  Eine (haeufig angebrachte) Therapie scheitert schon daran, dass sich die Definition von “normal” praktisch umgekehrt hat. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass die Konkurrenz, jedenfalls in Fernost nicht schläft und noch nicht entschieden ist, was in den USA passiert. Zudem ist zu berücksichtigen, dass diese Generation(en) sich, wenn auch eingeschränkt, reproduzieren. Auf diesen Nachwuchs, in glorreichen Zeiten und einem” leistungsfoerderlichen “System” sozialisiert, darf man gespannt sein, zumindest soweit man noch davon tangiert wird.

Detlef Rogge / 09.09.2021

Meine ersten zehn Lebensjahre wohnte, nein, hauste meine Familie im Seitenflügel auf trübem Hinterhofterrain in der ruinierten Hauptstadt. Ofenheizung und einfache Verglasung sorgten bei dreiseitigen, unverputzten Außenwänden in der kalten Jahreszeit für arktische Zimmertemperaturen, so daß mich meine Mutter morgens vor dem Anheizen mit Pudelmütze und Handschuhen zum “Auftauen” vor einen Heizstrahler setzte. In der Küche die vorsinnflutliche “Kochmaschine”, ein Wasserhahn mit gußeisernem Abfluß. Körperpflege mit Wasser aus der Schüssel, Klo, halbe Treppe höher im Hausflur, das man sich mit anderen Mietern teilte. Wannenbäder mit Vater zusammen in der städtischen Badeanstalt. Selbst heute noch weiß ich ein eigenes Badezimmer mit warmem Wasser aus der Wand nebst Zentralheizung zu schätzen. Man braucht offenbar solche Erfahrungen des Mangels.

R. Matzen / 09.09.2021

Bernd Gögel, AfD, hat mal eine sehr launige Rede im Landtag von Baden-Württemberg gehalten. Es ging um den 200. Jahrestag der Erfindung des Fahrrads. Die verwelkenden Grünenden hatten dafür eine aktuelle Stunde beantragt. Seitdem schätze ich als Schleswig-Holsteiner den Herrn Gögel und seine so oft auch Narrative entlarvenden Redebeiträge. Leider ist diese Rede nicht mehr auffindbar, aber sie blies eindeutig auch in Ihr Horn, sehr geehrter Herr Gebauer! Man könnte sagen: alte weiße Männer unter sich!

J. Braun / 09.09.2021

Nett, aber beschrieben sind nur die harmlosen Sachen. Nichts davon braucht der wohlstandsverwahrloste Städter wirklich. Die Linken müffeln ohnehin, ordentliche Möbel haben sie auch nicht (die kaufen stattdessen bei IKEA). So richtig unangenehm wird es dann, wenn die städtischen Narren ihren Traum von der ökologischen Landwirtschaft ohne Spritzmittel und ohne Gülle, mit zu Tode gestreichelten Schweinchen oder besser gleich vegetarisch oder vegan, ausgelebt haben. Denn, mit dem Biounfug wird nämlich die Lebensmittelproduktion mindestens um die Hälfte heruntergefahren. Dann wird es denen eben so gehen wie meiner Großmutter, die nach dem Zusammenbruch des 1000jährigen Reiches aus der Stadt über die Dörfer pilgerte und das letzte bißchen, das ihr geblieben war, noch gegen ein paar Kartoffeln und Steckrüben eintauschte. Immerhin war sie dann bis ins hohe Alter immer noch sehr gut zu Fuß. Ob die Landwirte das, was ihnen die hungrigen Städter in ein paar Jahren anbieten können dann noch wollen? Ich meine, die werden eher die Mistgabel herausholen, wenn die kommen.

A. Iehsenhain / 09.09.2021

Grandioser Volltreffer, Herr Gebauer!!!

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