Deborah Ryszka, Gastautorin / 26.02.2023 / 16:00 / Foto: Pixabay / 15 / Seite ausdrucken

Kultur-Kompass: „Die Asyl-Lotterie“

Erst einmal soll ein Containerdorf für 400 Asylsuchende innerhalb des 500-Einwohner-Dorfes Upahl aufgebaut werden. Dann sollen 40 Bewohner ihre Wohnungen Flüchtlingen überlassen. Wie kommt man auf solche „grandiosen“ Ideen? Sitzen Asyl- und Integrationspolitiker am Tisch und würfeln sich diese ausgereiften Integrationskonzepte zusammen?

Das bleibt jedenfalls nicht auszuschließen - folgt man zumindest dem Migrationsforscher Ruud Koopmans. In „Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2005 bis zum Ukraine-Krieg“ rechnet er nämlich schonungslos, en gros mit der europäischen, und en détail mit der deutschen Asyl- und Integrationspolitik ab. Sachlich und nüchtern. Wissenschaftlich und faktenorientiert. Offen und ehrlich.

Dabei ist Koopmans kein Unbekannter. Bereits 2016 kritisierte der Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin die Flüchtlingspolitik der deutschen „Lotto-Fee“ Angela Merkel als „absolute Fehlleistung“. Mit „Die Asyl-Lotterie“ kann er nun seine Einschätzung endlich untermauern. Die Realität gibt ihm Recht. Sein Fazit ist hierbei erschreckend. Hatte die Europäische Union (EU) spätestens seit 2015 die Möglichkeit das Asylsystem zu reformieren, legte sie stattdessen die Hände in den Schoß und drehte Däumchen.

Die Folge: Wer es bis an die Grenzen der EU schaffe, habe stets den Jackpot geknackt. Anhand etlicher Beispiele zeigt Koopmans, dass es gängige Praxis sei, dass bereits abgelehnte Asylbewerber noch monate- und jahrelang, ohne Aufenthaltsgenehmigung, in Europa verweilen – weil die Herkunftsländer diese nicht aufnehmen möchten. Oder dass fehlende Ausweisdokumente kein Hindernis darstellten, um trotz fehlendem Identitätsnachweis in der EU bleiben zu dürfen. Seltsamerweise können sich vor allem diejenigen Flüchtlinge nicht ausweisen, die aus Ländern mit geringen Anerkennungschancen kommen.

Junge Männer aus wohlsituierten Verhältnissen

Von einer geregelt durchdachten europäischen Asylpolitik könne somit keine Rede sein. Das wüssten die Asylsuchenden. Deswegen nähmen sie auch, wohlwollend und hoffnungsvoll, die strapaziösen Hürden über den Seeweg in Kauf. Um in das „gelobte“ Europa zu gelangen. Meistens einfach nur, um besser zu leben. Denn die meisten Migranten seien Wirtschaftsflüchtlinge. Zumeist junge Männer aus wohlsituierten Verhältnissen. Die Schwächsten blieben hierbei außen vor und müssten in Kriegs- und Hungergebieten weiter ausharren: Arme und Alte, Frauen und Kinder.

Diese europäische Asylpolitik beinhalte auch sicherheitspolitische Risiken. Islamistische Kräfte nutzen die löchrige Asylpolitik, um Fuß auf europäischen Boden zu setzen. Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 nahmen islamistisch motivierte Taten europaweit zu. Auch in Kriminalitätsstatistiken seien besonders Marokkaner und Algerier überrepräsentiert - im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil. Auffällig ist, dass grundsätzlich abgelehnte Asylbewerber und solche mit offenem Asylverfahren straffällig werden. Siehe etwa Anis Amri, der Breitscheidplatz-Attentäter von 2016. Auf anerkannte Flüchtlinge hingegen treffe das nicht zu.

Weiterhin räumt Koopmans mit der links-grünen Mär von Flüchtlingen als treibenden Wirtschaftsmotor auf. Passagenweise lesen sich die von Koopmans ausgewählten Wunschfantasien, aus Politik und Wirtschaft, wie feinste Realsatire. Wie etwa diejenige des damaligen Daimler-Chefs Dieter Zetsche: „‘Im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden - […]. Natürlich ist nicht jeder Flüchtling ein brillanter Ingenieur, Mechaniker oder Unternehmer, sicher nicht. Aber viele sind top ausgebildet.‘“

Besser konnte Koopmans die Unwissenheit vieler Politiker, Unternehmer und Journalisten über die tatsächlichen Lebensbedingungen der zu 100 Prozent muslimischen Flüchtlingen und der hieraus kulturellen Differenzen nicht darlegen. Ende 2020 waren etwa Zwei-Drittel der Flüchtlinge auf Sozialleistungen angewiesen.

Konsequenzen für Europa und für die innere Sicherheit

Das hätte man aber schon damals wissen können. Einerseits, weil die meisten muslimischen Flüchtlingen noch in alten, patriarchalischen Denkmuster gefangen seien („importierte Macho-Kultur“). Frauen dürften dort nur selten einer Beschäftigung nachgehen. Andererseits sei das Bildungsniveau in den meisten muslimischen Ländern ein anderes. So verfügten 35 Prozent der hier lebenden Flüchtlingen über keine Bildung, die über das Grundschulniveau hinaus gehe. Nur die wenigsten würden eine fachspezifisch abgeschlossene Berufsausbildung besitzen.

Das alles und noch viel mehr untermauert Koopmans nicht nur mit Statistiken und Fakten, sondern auch mit konkreten Fallbeispielen. Die sieben Buchkapitel, verteilt auf etwas über 270 Seiten, vergehen dabei wie im Fluge. Nicht nur verweist der Migrationsforscher hierbei versiert auf die fatalen Fehler im Asylsystem. Zumeist hausgemacht und vermeidbar. Er zeigt auch auf die hieraus entstehenden Konsequenzen: für Europa und für die innere Sicherheit, für die Wirtschaft und die Abhängigkeit Europas von Autokraten. Zudem bietet er Lösungen aus diesem Asylchaos an. Dabei weiß er: das größte Hindernis für eine Asylreform stellen parteiideologische Grabenkämpfe dar.

Allem in allem: Friede-Freude-Eierkuchen-Integrations-Enthusiasten brauchen starke Nerven. Denn Koopmans lässt sich nicht in die Wunsch-Ecke drängen, die da wäre: Nicht sehen, was ist. Aber sehen, was man sehen möchte. Stattdessen rechnet er kenntnisreich mit der desaströsen europäischen und deutschen Asylpolitik ab. Deswegen ist „Die Asyl-Lotterie“ auch das, was sie ist: Eine sechs im Lotto.

Koopmans, Ruud (2023). „Die Asyl-Lotterie. Eine Bilanz der Flüchtlingspolitik von 2015 bis zum Ukraine-Krieg“. München: C.H. Beck.

Foto: Pixabay

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Sam Lowry / 27.02.2023

Das Lesen des Buches dauert sicher 2 oder 3 Tage. Einmal Koblenz-Fußgängerzone und zurück vormittags 30 Minuten… so und noch schlimmer sieht es mittlerweile in fast allen Städten aus, die ich hier gar nicht mehr erwähnen muss. Gibt genug Videos über “Problemviertel” auf YT. Punkt.

Sabine Schönfeld / 27.02.2023

Vielen Dank für diesen sehr wichtigen Beitrag! Ich würde mir nur wünschen, all jene linksgrünen Bessermenschen würden dieses Buch lesen, die ihre Agenda nach wie vor noch durch “Haltung” definieren - was in gewisser Weise verständlich ist, denn argumentativ haben sie schlicht nichts vorzuweisen. Außer “Haltung” und kindlich-emotionaler Wirklichkeitsverweigerung ist auf dieser Seite schon lang nichts mehr übrig. Man sollte ihnen diesen Text “um die Ohren schlagen” bis sie aus ihrer realitätsfremden Traumwelt aufwachen. Wie will man je etwas Gutes bewirken, wenn man sich nicht einmal mit realen Fakten beschäftigt? “Haltung” -also bitte, was für ein Witz.

Markus Viktor / 26.02.2023

Mir kam in diesen Tagen eine neue Verschwörungstheorie in den Sinn oder Unsinn. WEF und „se Schwäb“ wollen das putinautoritäre Russland von der Ukraine aus im Krieg bezwingen. Dazu braucht man eine Menge Menschenmaterial, das es in Europa in der benötigten Altersklasse aber nicht mehr gibt. Auch das Anwerben von Söldnern scheint nicht vorrangig. Also lockt man Massen junger Männer aus der Dritten Welt nach Europa, um sie anschließend an der ukrainisch-russischen Front für die siegreichen westlichen Werte zu verheizen. Da bekommt die Wortwahl „Goldstücke“ grüner Ideologinnen eine ganz neue Bedeutung. Und das Problem der Ukraine mit Soldatenmangel ist behoben. Schaun wir mal. Wenn nur diese russischen Nuklearwaffen nicht wären.

Karl Wenz / 26.02.2023

Habe mir den Artikel sowie die Anmerkungen der Herren Unger und Szabó abgespeichert, denn die nachfolgende Generation wird dereinst fragen, wie es so weit kommen konnte.

Gus Schiller / 26.02.2023

Dürfen die der Wohnung verwiesenen in Lörrach eigentlich ihre Möbel stehen lassen und die Miete incl. Nebenkosten weiterbezahlen?

Horst Jungsbluth / 26.02.2023

Wenn unsere Politiker meinen, man müsse die Probleme in den Herkunftsstaaten lösen, dann sollten sie alle -durch die Bank alle- in diese Länder reisen und dort vor Ort die Probleme lösen, aber nicht etwa auf Kosten und Knochen der “Kartoffeln” (neuerdings auch “Weißbrot). Wir Bürger müssen uns dann neu sortieren und wieder Apparate errichten und Leute wählen oder bestellen, die für das Wohl des eigenen Staates und der ansässigen Bürger sorgen. Das alles ist nicht einfach, aber mit diesen Leuten und diesen Strukturen ist einfach kein Staat zu machen.

Jochen Lindt / 26.02.2023

Für Kirchen und NGOs ist jeder Asylant ein Gewinn, mit Unterbringung und Betreuung lassen sich Milliarden verdienen.  Anno 2018 kursierte im Internet der Asylbescheid einer 10-köpfigen afghanischen Familie im Landkreis Leipzig.  7500€ im Monat, wovon allerdings 4000€ nur für Unterbringung draufgingen.  Entspricht 48.000€ p.A. für den kirchlichen Vermieter.  Kein Wunder dass die evangelische Kirche mittlerweile die Toleranz der Friedensreligion lobpreist.

Andreas Elmshorner / 26.02.2023

Sämtliche mutmaßlich Asylbetrügenden, deren Herkunftsländer sich einer Rücknahme verweigern, sollten in den Gazastreifen verschifft werden. Dort ist man eh schon überbevölkert, aber bitte, #wirhabenplatz… Geld aus der EU bekommen die ohnehin bis zum Abwinken, da können “Brüda” gern etwas zusammenrücken, und Israel dann zwecks verbesserter Grenzsicherung zu helfen, sollte auch kein Problem sein. Die Obermenschenrechtsdemokraten in Gaza können dann eben selbst sehen, wie sie damit klar kommen. Ethnien sollten dort auch kein Problem sein, denn wer sich “Palästinser” nennt, gehört ja ohnehin keinem “Stamm” an, da ist es dann egal, ob Abschiebefall Kurde, Libanese, Nafri, Tschimbogawambo oder sonstwas ist.

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