Kultur-Kompass: „Der Geist im Gebirge“

Im österreichischen Lech am Arlberg findet seit 1997 die renommierte Philosophie-Tagung „Philosophicum“ statt. Nun ist ein Sammelband mit 25 Beiträgen aus 25 Jahren „Gehdanken“ in luftiger Höhe erschienen. Von Peter Sloterdijk über Cora Stephan bis Norbert Bolz.

„Im Gebirge der Wahrheit/ kletterst du nie umsonst:/ entweder du kommst schon/ heute wieder hinauf oder du/ übst deine Kräfte, um morgen/ höher steigen zu können.“ Wer einen Hauch dieser „Gebirgswahrheit“ Friedrich Nietzsches erhaschen möchte, muss zum Sammelband „Der Geist im Gebirge. 25 Jahre Philosophicum Lech“ greifen.

Kein Geringerer als der österreichische Philosoph und zugleich wissenschaftlicher Leiter des Philosophicums, Konrad Paul Liessmann, ist für diese gelungene Mélange verantwortlich. Doch ohne tatkräftig-intellektuelle Unterstützung – 25 Köpfe befinden sich hinter den 25 Beiträgen aus 25 Jahren Philosophicum – wäre dieser Band nicht das, was er ist: intellektuelle Unterhaltung auf höchstem Niveau.

Kein Wunder. Schließlich findet das Philosophicum in Lech am Arlberg in Österreich statt. In der frischen Bergluft inmitten eines fantastischen Bergpanoramas lässt es sich einfach entspannter und befreiter Philosophieren. „Gehdanken“ (Nietzsche) kommen da ganz von alleine. Mal geht es höher hinaus, mal weniger. Doch stets bewegt man sich über den Wolken. Dank der exzellenten Vorträge und Diskussionen.

Für jeden Denkenthusiasten ist etwas dabei

Was im Jahr 1997 mit knapp 100 Teilnehmern in Lech am Arlberg begann, zieht seit dem Jahr 2007 immer wieder mehr als 500 Philosophiebegeisterte in luftige und gedankliche Höhen. Nicht nur deswegen gehört das Philosophicum zu einer der renommiertesten Philosophie-Tagung für ein breiteres, nicht fachbezogenes Publikum im deutschsprachigen Raum.

Jahr für Jahr reicht sich dort die Crème de là Crème der intellektuellen Szene die Hand zu einem aktuellen Thema. Von Peter Sloterdijk über Herfried Münkler bis hin zu Norbert Bolz; von Krieg über das Schöne bis hin zum Hass (dem diesjährigen Tagungsthema); von Philosophie über Psychologie bis hin zu den schönen Künsten. Für jeden Denkenthusiasten ist etwas dabei. In den Worten des Zeitgeistes ausgedrückt: Mehr „diversity“ geht kaum.

Nicht zu vergessen in dieser Hinsicht der renommierte „Tractatus – Der Essaypreis des Philosophicum Lech“ für Wissenschaftsprosa und philosophische Essayistik. Seit dem Jahr 2009 gibt es den mit 25.000 Euro dotierten Preis. Norbert Bolz (2011) und Roberto Simanowski (2020) gehören zu den Preisträgern. Dieses Jahr erhielt ihn die freie Autorin, Übersetzerin, Kritikerin und Herausgeberin Marie Luise Knott. Inwiefern politisch korrekte Einflüsse und intellektuelle Modetrends bei der diesjährigen Preisvergabe eine Rolle spielten, das bleibt der Urteilsfähigkeit des Lesers überlassen.

„Alles wird gut. Zur Dialektik der Hoffnung“

Wie dem auch sei. Wer einen Appetitanreger auf das Philosophicum genießen möchte, macht mit „Der Geist im Gebirge“ garantiert nichts falsch. Neben Rüdiger Safranskis „Das Böse oder Das Drama der Freiheit“ finden sich dort Beiträge von Peter Sloterdijk („Wirklichkeit des Verschwindens. Notiz zur Zeitgeschichte des Nichts“), Herfried Münkler („Krieg und Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts“), Cora Stephan („Die Macht der Quote und die Grenzen der Demokratie“), Wolfgang Ullrich („Konsum als Arbeit“) und vielen anderen.

Es muss nicht erwähnt werden, dass die Beiträge jeweils aus ihrem zeitlichen Kontext gelesen und gedeutet werden müssen. Trotzdem büßen sie an ihrer Aktualität nichts ein. Der Mensch ist Mensch und bleibt Mensch. Egal ob in Antike, Mittelalter oder ferner Zukunft. Immer wiederkehrende Themen ziehen den Menschen einfach in seinen Bann. Sei es „Schuld und Sühne“ (2014), „Neue Menschen!“ (2015) oder „Als ob! Die Kraft der Fiktion“ (2021).

Kurzum: Wer auf leicht-erheiternde Art in vielfältige Themen menschlicher Existenz mit noch vielfältigeren Perspektiven eintauchen möchte, muss zum „Geist im Gebirge“ greifen. Wer es zudem mit allen Sinnen genießen möchte, für den führt kein Weg an Lech am Arlberg vorbei. Im September nächsten Jahres ist es wieder so weit. Dann heißt es: „Alles wird gut. Zur Dialektik der Hoffnung“.

„Der Geist im Gebirge. 25 Jahre Philosophicum Lech“ von Paul Konrad Liessmann (Hrsg.), 2022, Wien: Paul Zsolnay Verlag. Hier bestellbar.

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Albert Schultheis / 17.10.2022

Diese ganze nutzlose Philosophen-Corona, die sind so überflüssig, ja, so schädlich für uns, die wir nur unser tägliches Leben leben wollen. Sie sind genauso nutzlose Taugenichtse, brotlose Schwurbler, wie all diese hochgelahrten Soziologen, Politologe und gelackte Ethikrät*Innen, ob mit oder ohne Abschluss, ob mit selbst verfasster Doktorarbeit oder abgekupfert, die unentwegt von Spiegelfechtern, FAZgen und tazgen, von Süddeutschen Blockwarten als die einzig rechtmäßig Kommentar-Befugten zitiert werden die von den Polit-Schergen dazu bestellt werden, ihre Ungeheuerlichkeiten abzuschwurbeln. Während im Hintergrund eine Politikerbande nach der anderen ihre politischen Fäden spinnt, das Grundgesetz schreddert, den Rechtsstaat zerschlägt und Wirtschaft und Wohlfahrtsstaat ruiniert.

Ludwig Luhmann / 16.10.2022

@Michael Hinz @Arno Ausländer / 16.10.2022 - “@Ludwig Luhmann - Ja, das ist enttäuschend, was Sloterdijk zu Covid und Kritikern rausgehauen hat. Genauso Habermas, demzufolge der Staat für ein Impfbeben bzw. Impfpflicht eintreten müsse. (...)”—- In en letzten 30 Monaten haben wir soviel über uns selbst und unsere Pappenheimer gelernt wie in den 30 Jahren davor nicht. ZUletzt waren es wohl die Leute des 2. Weltkrieges und die DDRler, die derartig intensiv ihre Mitmenschen kennenlernen mussten. - Man sollte aus diesen Erfahrungen, die man nun ergangen hat, lernen und immer zuerst Indikatorfragen stellen: Würden Sie generlle einer Impfpflicht zustimmen? ... et cetera—- Hinterlader Harari und sein Homo Deus. Man muss sich ubedingt viele Harari-Videos des WEF anschauen. Wem dabei nicht schlecht wird ... ... die haben das Potential, Hitler, Mao und Stalin wir langweilige Stümper aussehen zu lassen ...

Thomas Szabó / 16.10.2022

Der (von Herrn Luhmann angeführte) Zitat des Philosophen Sloterdijk ist dumm. Sloterdijk beschreibt nicht die Querdenker wie sie wirklich sind; er stülpt ihnen nur die üblichen Klischeevorstellungen von Sektierern über. Ich wette Sloterdijk hatte sich nie mit Querdenkern unterhalten. Er hat keine Ahnung um was es denen geht. Sloterdijk wirft den Querdenkern vor naturwissenschaftliche Evidenz abzulehnen. Unsinn! Welche naturwissenschaftliche Evidenz bitte? Das was opportunistische Mediziner, Medien, Politiker von sich geben? Der Normalbürger hat keine Möglichkeit die so genannte “naturwissenschaftliche Evidenz” zu verifizieren. Er muss sich auf die Expertise anderer verlassen. Es ist also ein Glaubensfrage. Wem glaube ich mehr? Den Politikern die uns immer anlügen? Oder den Leuten die kritische Fragen stellen? Er redet völlig am Thema vorbei. Seine Aussage ist nicht philosophisch, sondern klischeehaft. Sloterdijk ist hoffentlich nicht die größte Leuchte des „Philosophicum“.

Boris Kotchoubey / 16.10.2022

Seien wir ehrlich: Philosophie hat während der Corona-Krise genauso total versagt, wie Politik, Medien, das Rechtssystem und die Medizinwissenschaft. Sie braucht einen kompletten Neuanfang.

Arne Ausländer / 16.10.2022

@Ludwig Luhmann: Leute wie Sloterdijk folgen allem Anschein nach Marx’s Aufforderung, daß die Philosophie die Welt nicht interpretieren, sondern verändern solle. Eine wahrlich faschistische Versuchung! Denn wenn ein Einzelner (und was sonst wäre auch der klügste Philosoph?) von der Welt verlangt, sich seinen persönlichen Vorstellungen gemäß zu verändern, was ist das, wenn nicht Faschismus? Man stelle sich das Chaos vor, hätten all die Möchtegern-Führer wirklich die Macht, solches durchzusetzen! Aber es läßt sich steigern: mit Hararis “Homo Deus” - jeder Mensch ein Gott. Da müßte schon ein Treffen in der Größenordnung des Philosophicums zu unvorstellbarem Wahnsinn werden: 100 Götter am Arlberg wären doch wohl mehr als einst auf dem Olymp. - Wer diese Welt und v.a. die Gründe für ihre Verunstaltung wirklich versteht und verständlich beschreiben kann, wird wohl kaum zu einem Treffen Prominenter eingeladen werden. Denn die Hauptschuldigen an all dem Elend wüßten dies zu verhindern. So verlegt man sich auf harmlosere Gedankenspiele. Harmlos für die Mächtigen. Für uns weniger. Man stelle sich vor, Sloterdijk bekäme von Klaus Schwab den Auftrag, die Umerziehung unbequemer Dissidenten zu organisieren!

sybille eden / 16.10.2022

So so, der Sloterdijk ist dabei. Was ist mit Heidegger, ist der auch dabei ? ( Ach nee, der is ja schon tot…......)

Michael Hinz / 16.10.2022

@Ludwig Luhmann - Ja, das ist enttäuschend, was Sloterdijk zu Covid und Kritikern rausgehauen hat. Genauso Habermas, demzufolge der Staat für ein Impfbeben bzw. Impfpflicht eintreten müsse. Leider sind wir nicht eingeladen zum „Philosophicum“. Aber es soll doch eine gelungene Veranstaltung werden, ohne Ärger. Deshalb müssen wir - mit oder ohne Maske - draußen bleiben. Jetzt wo der Terror viral geht, steht der Terror-Experte auf der falschen Seite. Schreiben (meistens auch denken) kann er trotzdem. Erlauben Sie mir einen Tipp: #Luftbeben. An den Quellen des Terrors# Auskoppelung aus Sphären I. Und Sie lieber Herr Habermas, falls Sie hier mitlesen, ich warte auf Ihren neuen Text #Der herrschaftsunfreie Diskurs der Impfvirtuosen#

Michael Hinz / 16.10.2022

<Herfried Münkler gehört zur Crème de là Crème der intellektuellen Szene>, echt jetzt? - Er ist Haus- und Hofphilosoph von Frau Merkel. Hat er seine Gönnerin mitgebracht zum „Philosophicum“? Incognito käme sie dort bestimmt bestens an; mindestens zehn Minuten #standing ovations# wie auf Parteitagen.

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