Bei Klaus Kleber liegen die Nerven blank. Als der Ansager des heute-journals gestern Abend den AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke zu den Wahlerfolgen seiner Partei in Thüringen und Brandenburg befragte, fehlte nur noch der Schaum vorm Mund. Statt eines Interviews erlebten wir den gescheiterten Versuch einer öffentlich-rechtlichen Verurteilung, einen kleinen Schauprozess.
Obwohl die Analyse der Wählerwanderung gerade erst belegt hatte, dass es vor allem Überläufer aus den Lagern der CDU, der SPD, der Linken, der Grünen und der Nichtwähler waren, die der AfD in beiden Bundesländern zu einem zweistelligen Wahlergebnis verhalfen, unterstellte der sichtlich erregte Moderator, dass die neue Partei als Auffangbecken Rechtsradikaler Kasse gemacht habe. Als Bernd Lucke daraufhin nochmals an die eben gezeigten Zahlen erinnerte, ging Klaus Kleber argumentativ schon in der ersten Runde zu Boden. Mit der Bemerkung, dass aus dem größeren Wählerpotential der Altparteien logischerweise mehr abtriften könnten als aus dem der Sonstigen, gelang dem ZDF-Mann ein Satire-taugliches Eigentor, wie gemacht für die heute-show. Seinem anklägerischen Furor tat das keinen Abbruch.
Hier hatte sich einer verbissen, der persönlich beleidigt war, weil sein Publikum, die Menschen vor der Glotze, nicht mehr so spurten, wie er wollte. Da hatte er nun über Monate hin mit der AfD den rechtsradikalen Teufel an die Wand gemalt, und dann das: Eine Ohrfeige für das politische Kartell, den Block der kommerzialisierten Parteien, die schon glaubten, sich die Demokratie für alle Zeiten unter den Nagel gerissen zu haben, mit haltlosen Wahlversprechen sowie mit der Verunglimpfung eines politischen Gegners, der unverhofft ihren Alleinvertretungsanspruch in Frage stellt, indem er Themen aufgreift, die den Bürger bewegen.
Natürlich ist es die Aufgabe des Journalisten darüber zu berichten. Er muss die Fakten vermitteln, kritisch nachfragen, um für die nötige Aufklärung zu sorgen, auch kann er sich jederzeit kommentierend zu Wort melden. Die manipulierende Verfremdung der Tatsachen zum Vor- oder Nachteil dieser oder jener Parteien zählt dagegen nicht zu seinen Aufgaben.
In der Politik mag das gang und gäbe sein, da gehört die Tatsachenverdrehung zu den Unsitten, an die wir uns gewöhnt haben. Kein Generalsekretär, kein Parteivorsitzender, der uns nach herben Stimmenverlusten nicht erklärte, die Wahl doch irgendwie gewonnen zu haben, vom Wähler beauftragt zu sein, dessen Geschicke in die Hand zu nehmen. Selbst die SPD in Thüringen, die bald sechs Prozent einbüßte, weiß bereits wieder: „Der Wähler will, dass wir regieren“ - mit 12,4 Prozent der Stimmen, womit sie der AfD um knappe zwei Punkte voraus ist.
Das alles ist Unsinn, aber es ist eben der Unsinn, der zum politischen Betrieb gehört. Nur was treibt einen anerkannten und über lange Jahre geschätzten Journalisten wie Klaus Kleber, ein Gesicht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dazu, sich vor diesen Karren spannen zu lassen. Ist es am Ende eben dies, die öffentlich-rechtliche Verfassung seines Arbeitgebers, die ihn, und nicht nur ihn, politisch korrumpiert, und das in einem kaum noch zur ignorierenden Ausmaß? So ungeheuerlich die Vermutung klingt, es gibt Gründe genug, die dafür sprechen.
Es mag durchaus sein, dass Klaus Kleber insgeheim fürchtet, es könne ihm dereinst ergehen wie Nikolaus Brender, dem einstigen ZDF-Chefredakteur, der 2006 mit dem Votum des politisch besetzten Fernsehrates gefeuert wurde, weil er seinerseits nicht mehr so spurte, wie es der christdemokratische Ministerpräsident Roland Koch wollte. Die Gefahr ist gewiss nicht zu unterschätzen. Macher könnte da vieles verlieren, auch Klaus Kleber, dessen kolportierte Jahresbezüge bei rund 500.000 Euro liegen sollen, die Honorare diverser Promi-Auftritte nicht mitgerechnet. Was er aber auf jeden Fall jetzt schon verliert, ist seine journalistische Glaubwürdigkeit.
Wer so wie er in dem gestrigen Interview mit Bernd Lucke angreift, vermittelt den Eindruck eines Mannes, der sich auf den Schlips getreten fühlt, der den Wadelbeißer macht, um anderen zu gefallen. Ihm selbst wird das im Zweifelsfall wenig nützen.
Und der AfD, die er mit der Keule entzaubern wollte, kann es nur recht sein. Werden doch zugleich mit der versuchten Verunglimpfung der Partei jene verleumdet, die für sie gestimmt haben. Der Schuss geht nach hinten los. Denn neun, zehn oder gar zwölf Prozent der Wähler sind eben mehr als der rechtsradikale Bodensatz, den es in jeder Gesellschaft gibt. Es sind Bürger, die es leid sind, sich politisch bevormunden zu lassen.
Das Verdienst, sie einmal mehr in ihrem generellen Zweifel an dem politisch-medialen Klüngel hierzulande bestärkt zu haben, das kann sich Klaus Kleber immerhin zuschreiben.