Thomas Rietzschel / 16.09.2014 / 12:40 / 19 / Seite ausdrucken

Kleber auf den Schlips getreten

Bei Klaus Kleber liegen die Nerven blank. Als der Ansager des heute-journals gestern Abend den AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke zu den Wahlerfolgen seiner Partei in Thüringen und Brandenburg befragte, fehlte nur noch der Schaum vorm Mund. Statt eines Interviews erlebten wir den gescheiterten Versuch einer öffentlich-rechtlichen Verurteilung, einen kleinen Schauprozess. 

Obwohl die Analyse der Wählerwanderung gerade erst belegt hatte, dass es vor allem Überläufer aus den Lagern der CDU, der SPD, der Linken, der Grünen und der Nichtwähler waren, die der AfD in beiden Bundesländern zu einem zweistelligen Wahlergebnis verhalfen, unterstellte der sichtlich erregte Moderator, dass die neue Partei als Auffangbecken Rechtsradikaler Kasse gemacht habe. Als Bernd Lucke daraufhin nochmals an die eben gezeigten Zahlen erinnerte, ging Klaus Kleber argumentativ schon in der ersten Runde zu Boden. Mit der Bemerkung, dass aus dem größeren Wählerpotential der Altparteien logischerweise mehr abtriften könnten als aus dem der Sonstigen, gelang dem ZDF-Mann ein Satire-taugliches Eigentor, wie gemacht für die heute-show. Seinem anklägerischen Furor tat das keinen Abbruch.

Hier hatte sich einer verbissen, der persönlich beleidigt war, weil sein Publikum, die Menschen vor der Glotze, nicht mehr so spurten, wie er wollte. Da hatte er nun über Monate hin mit der AfD den rechtsradikalen Teufel an die Wand gemalt, und dann das: Eine Ohrfeige für das politische Kartell, den Block der kommerzialisierten Parteien, die schon glaubten, sich die Demokratie für alle Zeiten unter den Nagel gerissen zu haben, mit haltlosen Wahlversprechen sowie mit der Verunglimpfung eines politischen Gegners, der unverhofft ihren Alleinvertretungsanspruch in Frage stellt, indem er Themen aufgreift, die den Bürger bewegen.

Natürlich ist es die Aufgabe des Journalisten darüber zu berichten. Er muss die Fakten vermitteln, kritisch nachfragen, um für die nötige Aufklärung zu sorgen, auch kann er sich jederzeit kommentierend zu Wort melden. Die manipulierende Verfremdung der Tatsachen zum Vor- oder Nachteil dieser oder jener Parteien zählt dagegen nicht zu seinen Aufgaben.

In der Politik mag das gang und gäbe sein, da gehört die Tatsachenverdrehung zu den Unsitten, an die wir uns gewöhnt haben. Kein Generalsekretär, kein Parteivorsitzender, der uns nach herben Stimmenverlusten nicht erklärte, die Wahl doch irgendwie gewonnen zu haben, vom Wähler beauftragt zu sein, dessen Geschicke in die Hand zu nehmen.  Selbst die SPD in Thüringen, die bald sechs Prozent einbüßte, weiß bereits wieder: „Der Wähler will, dass wir regieren“ - mit 12,4 Prozent der Stimmen, womit sie der AfD um knappe zwei Punkte voraus ist.

Das alles ist Unsinn, aber es ist eben der Unsinn, der zum politischen Betrieb gehört. Nur was treibt einen anerkannten und über lange Jahre geschätzten Journalisten wie Klaus Kleber, ein Gesicht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dazu, sich vor diesen Karren spannen zu lassen. Ist es am Ende eben dies, die öffentlich-rechtliche Verfassung seines Arbeitgebers, die ihn, und nicht nur ihn, politisch korrumpiert, und das in einem kaum noch zur ignorierenden Ausmaß? So ungeheuerlich die Vermutung klingt, es gibt Gründe genug, die dafür sprechen.

Es mag durchaus sein, dass Klaus Kleber insgeheim fürchtet, es könne ihm dereinst ergehen wie Nikolaus Brender, dem einstigen ZDF-Chefredakteur, der 2006 mit dem Votum des politisch besetzten Fernsehrates gefeuert wurde, weil er seinerseits nicht mehr so spurte, wie es der christdemokratische Ministerpräsident Roland Koch wollte. Die Gefahr ist gewiss nicht zu unterschätzen. Macher könnte da vieles verlieren, auch Klaus Kleber, dessen kolportierte Jahresbezüge bei rund 500.000 Euro liegen sollen, die Honorare diverser Promi-Auftritte nicht mitgerechnet. Was er aber auf jeden Fall jetzt schon verliert, ist seine journalistische Glaubwürdigkeit.

Wer so wie er in dem gestrigen Interview mit Bernd Lucke angreift, vermittelt den Eindruck eines Mannes, der sich auf den Schlips getreten fühlt, der den Wadelbeißer macht, um anderen zu gefallen. Ihm selbst wird das im Zweifelsfall wenig nützen.

Und der AfD, die er mit der Keule entzaubern wollte, kann es nur recht sein. Werden doch zugleich mit der versuchten Verunglimpfung der Partei jene verleumdet, die für sie gestimmt haben. Der Schuss geht nach hinten los. Denn neun, zehn oder gar zwölf Prozent der Wähler sind eben mehr als der rechtsradikale Bodensatz, den es in jeder Gesellschaft gibt. Es sind Bürger, die es leid sind, sich politisch bevormunden zu lassen.

Das Verdienst, sie einmal mehr in ihrem generellen Zweifel an dem politisch-medialen Klüngel hierzulande bestärkt zu haben, das kann sich Klaus Kleber immerhin zuschreiben.

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Leserpost

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Lara Berger / 18.09.2014

Es ist schon sehr bedenklich, wenn gut gebildete Menschen im Journalismus absolut nicht bemerken, dass alle das gleiche schreiben. Es gibt nur noch eine einzige Meinungsrichtung, die mittlerweile leicht vorhersagbar ist. Z.B. die EU ist absolut richtig organisiert, die Israelis sind die Bösen im Gazakonflikt, der gesamte Islam ist der reine Frieden. Veganer sind die besseren Menschen. Und wir haben die Pflicht, die Welt zu retten, denn nur wir allein haben ihr Böses zugefügt. Kurz: es gibt keine oppositionelle Haltung mehr. Wahrscheinlich sind die Verantwortlichen fest davon überzeugt, recht zu haben. Wie sollte man also anderer Meinung sein können? Man wäre ja automatisch im Unrecht. Z.B. muss die EU mit immer mehr gesetzgeberische Gewalt ausgestattet werden, damit die Bürger eines Tages einsehen, dass sie ihre nationalen Regierungen nicht mehr brauchen. Denn die müssen weg. Und dazu gibt es für den Mainstream keine Alternative. Für sie führt nur der eine Weg nach Rom. Merken die gar nicht, wie sehr sie sich verstiegen haben?

Heinz Schaumann / 17.09.2014

“Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem Zeiten sich bespiegeln”! Wie wahr! Warum müssen wir einen solchen “Qualitätsjournalisten” noch durch unsere Zwangsabgabe (GEZ) in unbegreifliche “finanzielle” Höhen befördern? Wann wachen wir endlich auf?

Peter Hünten / 17.09.2014

Was die AfD wirklich ist und wohin sie sich entwickeln wird, kann man wohl derzeit noch nicht so recht sagen, aber dass die Partei eine Alternative zum politischen Mainstream darstellt und mit Lucke einen Vertreter hat, der auf Anwürfe á la Kleber ruhig und sachlich und mit einem Schuss Ironie antworten kann, zeigte die besprochene heute-Sendung auf überzeugende Weise. Dass Parteien, die konservative Standpunkte zur Diskussion stellen, reflexartig in die rechtspopulistische Ecke gestellt werden, ist ein Skandal. Ist diese Republik nicht mehr in der Lage, Konservative auszuhalten und einen fairen politischen Diskurs mit ihnen zu führen? Installieren “Progressive” neben die “Nazi-raus-Schilder” bald “Konservative-raus-Schilder” und grenzen damit einen großen Teil der Bevölkerung als unerwünscht aus?

Karl Kuhn / 17.09.2014

@ Rudolf Stein bei aller Euphorie, aber ihre Rechnung stimmt nicht: “Thüringen hatte rund 50% Wahlbeteiligung. Von diesen 50% wählten 10 % AfD, das heißt, jeder Fünfte, der zur Wahl ging, wählte diese Partei.” 10 % von 50 % sind 5 % von 100 %. Einfach noch mal nachdenken ...

Karen Urban / 17.09.2014

Ich habe das Interview auch gesehen. Es war für mich zutiefst befriedigend, wie Lucke den Kleber ganz ruhig argumentierend ausgeschaltet und damit blamiert hat. Er war ihm inhaltlich absolut nicht gewachsen und Lucke hat sich auch durch das ihm ständig “ins Wort fallen” durch Kleber nicht irritieren lassen. Es war ein kurzes Gespräch, aber sehr wirkungsvoll. Ich hoffe, dass das viele gesehen haben. Eine bessere Werbung für die AfD im ZDF konnte es nicht geben! Vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich Wort für Wort unterstreichen möchte!

Thomas Wilhelm / 16.09.2014

Im Übrigen, aufgrund des verfassungsgemässen und immer noch geltenden Wahlgeheimnis gibt es überhaupt keine amtlichen Erhebungen über Wählerwanderungen! Solche basieren lediglich auf dubiosen Umfragen, welche ja bekanntlich beim ZDF schon zwecks Manipulation belanglosester Unterhaltungsshows gerne mal dreist gefälscht werden.

Carsten Riedel / 16.09.2014

Die Wahlerfolge der AfD animieren auch die Radiomoderatoren zu waghalsigen Spekulationen. Heute Vormittag bei mdrfigaro gehört: “... der typische Wähler der AfD” (warum erwähnt man hier übrigens nie die Wählerin?) “ist jemand, der sich die alte Bundesrepublik herbeiwünscht, einer mit Westalgie sozusagen”. Mal abgesehen davon, was an diesem Wunsch so verteufelnswert sein soll, passt das Urteil ins Bild der allgemeinen Wählerschelte, es handele sich um dumpfbackige, unter dem Licht der Moderne umherirrende, im Gestern verharrende Stammtischfreunde.

Markus Sommer / 16.09.2014

Freut mich, dass jetzt endlich auch mal hier auf der Achse das Positive an der AFD honoriert wird. Deutschland braucht dringend wieder eine Partei, die auch liberales Gedankengut hochhält. Die FDP hat sich leider völlig disqualifiziert, sogar die planwirtschaftliche und desaströse Energiewende hat sie mitgetragen um vom eurobesoffenen Christian Lindner gar nicht zu reden.  

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