Henryk M. Broder / 29.08.2019 / 14:00 / Foto: Holger Ellgaard / 130 / Seite ausdrucken

Kinder in die Schlacht!

Ich liebe Greta. Nicht wegen ihrer Zöpfe, nicht wegen ihres Mondgesichts, nicht weil sie an Asperger leidet und auch nicht, weil sie das Schulschwänzen zu einem moralischen Imperativ erhoben hat. Ich liebe Greta, weil sie es – wenn auch ungewollt – geschafft hat, die westliche Gesellschaft als das zu entlarven, was sie ist: abergläubisch, dekadent, dumm, hysterisch, infantil und süchtig nach Erlösung.

Eine beachtliche Leistung für eine 16-Jährige aus einer schwedischen Mittelstandsfamilie, die wahrscheinlich keine Zeile von Max Weber, Karl Marx, Sigmund Freud oder Theodor W. Adorno gelesen hat. Wozu auch? 

Greta hat alle hinter sich gelassen. Über keine Person des öffentlichen Lebens ist so viel in einer so kurzen Zeit geschrieben und berichtet worden. Sie hat vor dem Europa-Parlament gesprochen, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos und der Klimakonferenz in Katowice. Jean-Claude Juncker hat sie umarmt, der Papst auf dem Petersplatz begrüßt. Und sollte sie demnächst den Friedensnobelpreis bekommen, wäre das nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zu ihrer Seligsprechung zu Lebzeiten.

Natürlich ist Greta ein Artefakt, ein „von Menschen hergestellter Gegenstand“, in der Sprache von Archäologen, ein „unechtes, durch Eigenschaften der Methode hervorgerufenes Ergebnis“, wie es ein Zauberer sagen würde, der einen vollbesetzten Bus von der Bühne verschwinden lässt.  

Ein Eimer für alle

Bevor sie an Bord einer Rennyacht zu einer klimaneutralen Atlantiküberquerung aufbrach, wurde sie auch gefragt, ob ihr eine eigene Toilette zur Verfügung stehen würde. Worauf Greta einen Plastikeimer ins Bild rückte, der sowohl ihr als auch den Mitreisenden als Sickergrube dienen sollte. Bei jedem normalen Menschen würde eine solche Aussicht für sofortige Konstipation sorgen, Greta allerdings fand das lustig und versicherte, der Verzicht auf den letzten Rest einer Privatsphäre mache ihr nichts aus. Die Frage, ob der Eimer, den Greta benutzt hat, nach der Reise bei Sotheby’s versteigert oder in den Räumen der Schwedischen Akademie der Wissenschaften ausgestellt wird, kann derzeit nicht beantwortet werden. Ebenso unklar ist, wie sie nach ihrer Amerika-Tournee nach Schweden heimkehren will, mit einem Paddelboot, einem Passagierschiff oder einem Heißluftballon. Es hängt vom jeweiligen CO2-Ausstoß ab.

So, wie man das Licht nur mit dem Wellen- oder dem Korpuskelmodell erklären kann, wobei das eine das andere ausschließt, gibt es auch für Greta nur zwei Auslegungen. Entweder ist es eine Produktion, mit der die Monty Python Truppe ein Comeback feiern möchte oder ein Experiment, was alles von einer Gesellschaft goutiert wird, die sich von jeder Rationalität verabschiedet hat. Die nur noch durch den Gedanken an den eigenen Untergang erregt wird und ein verhaltensgestörtes Mädchen wie eine Heilige verehrt, die über Wasser wandeln kann.

Eine durch und durch infantile Gesellschaft geht vor einem infantilen Wesen in die Knie. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Infantilität, die sowohl in der Politik wie in der Kultur prägend geworden ist.

Erwachsene Menschen nennen ihre Kanzlerin „Mutti“, Kinder, die noch mit ihren Teddybären kuscheln, protestieren dagegen, dass man ihnen die Zukunft raubt, und die sogenannten Erwachsenen können vor Begeisterung kaum noch stehen. Eine Prophezeiung von Herbert Grönemeyer wird endlich wahr: „Die Armeen aus Gummibärchen, die Panzer aus Marzipan, Kriege werden aufgegessen einfacher Plan, kindlich genial…“

Propheten des Untergangs

Aber die Begeisterung für die Jungen und Mädchen, die sich auf einmal „politisch engagieren“, ist reine Heuchelei. Kein Mensch, der seine Sinne beisammen hat, würde sich von einem 16-Jährigen, dem die Eltern zu Weihnachten einen Anatomieatlas geschenkt haben, den Blinddarm rausnehmen lassen. Kein Mensch, der für sich und seine Familie ein Haus bauen will, würde einen 16-jährigen Architekten anheuern, der bis jetzt nur Sandburgen gebaut hat. Und kein Mensch, der einen Hedgefond von einem Bausparvertrag unterscheiden kann, würde einem 16-Jährigen sein Vermögen anvertrauen. Aber wenn es um das Klima und die Welt, in der wir leben, geht, mutieren lärmende Kinder plötzlich zu geschätzten Propheten eines bevorstehenden Untergangs.

Schnell noch einen neuen Audi gekauft und eine Reise auf die Malediven gebucht. Morgen könnte es schon zu spät sein. Und gegen die Flugscham hilft eine kleine Spende an Greenpeace oder die Umwelthilfe.

Der Greta-Hype wird noch eine Weile weitergehen. Er wird erst vorbei sein, wenn ein Film namens „GRETA“ in die Kinos kommt, der alle Stationen ihres Lebens dokumentiert. Wenn alles gutgeht, wird die Klimakatastrophe kurz nach der Premiere eintreten. Wenn nicht, sollte Gretas Eltern wegen Missbrauchs von Abhängigen der Prozess gemacht werden.

Zurst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 29.08.2019

Um’s Verrecken wollen sie lieb sein, die Deutschen. Ganz banal: Es gibt doch diese Trennstäbe auf dem Supermarktlaufband -  nicht selten kommt es vor, daß der/die Vorgänger/in fürsorglich einen Stab hinter seine/ihre Artikel legt, mich großäugig anschaut in der Erwartung eines Danks meinerseits. Sie wollen andauernd gelobt werden. Na gut, oft auch bedauert. Wie bei Kindern auf dem Spielplatz geht in ihren Gesichtern die Sonne auf, sobald sie z.B. an der Bushaltestelle einen anderen Spielgefährten resp. Menschen sehen. Und sind schwerst beleidigt, wenn man seine Ruhe haben will. Über einen möglichen Zusammhang mit der Feminisierung gesellschaftlicher Werte muß ich noch nachgrübeln….

Wolfgang Richter / 29.08.2019

@ Kristina Bode—Ich glaube, daß das so “arme Kind”  sehr schnell darüber hinweg kommen wird, wenn ihr Gesicht als Werbeikone nicht mehr gebraucht wird, denn ein Blick in ihre Kontounterlagen könnte belegen, daß sie alles richtig gemacht hat, angesichts der satt im “Haben” liegenden Kontostände. Denn diejenigen, die den ganzen Hype finanzieren, werden auch ihr Auskommen für die Zeit danach absichern. Ich glaube sicher, daß sich der schwedische PR-Manager und Börsenspezialist Ingmar Rendshog mit seiner extra neu gegründeten Aktiengesellschaft und Greta als Werbeikone da nicht lumpen lassen wird. Einfach der Spur des Geldes folgen und fragen, “Wem nutzt es.” Gutmenschentum läßt sich aktuell und gerade in Germoney mit entsprechender Rendite vermarkten. Und die FFF-Aktivisten und Sympathisanten kapieren es nicht, wie sie instrumentalisiert werden, um schnöden Mammon zu erwirtschaften.

Hans-Joachim Dr. HENKEL / 29.08.2019

Ihrem Artikel ist nichts hinzuzufügen. Auch die in ähnliche Richtung zielende Verehrung der Bundeskanzlerin durch breite Kreise der deutschen Bevölkerung ist ein weiteres Indiez, dass Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes auf die Couch gehört. Ein Ende der psychischen Krise ist erst abzusehen, wie so oft bei psychisch Gestörten, wenn es zu einer dramatischen Katastrophe gekommen ist, die den einzelnen Bürger tief im Mark trifft und zum Erwachen führt.  Im Übrigen sei bemerkt, dass bereits S. Freud der Phase des Faschismus in Deutschland mit ihrer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung tatsächlich den Charakter einer psychischen Erkrankung zugeschrieben hatte.  Massenpsychologie ist offensichtlich ein viel zu wenig beachtetes Phänomen,  auch weil es zugegeben wissenschaftlich nicht leicht zu beherrschen ist.

B.Klingemann / 29.08.2019

Ich kann die vielen Migranten verstehen. Uns kann man einfach nur noch verachten und ausnutzen.

Henryk Chrusciel / 29.08.2019

Der Film Idiocrazy von 2006 wurde von vielen als lustige Satire mißverstanden. Er war jedoch eher eine Prophezeiung, die vor der unaufhaltsamen Verdummung der Gesellschaft warnen wollte.

Dieter Sadroschinski / 29.08.2019

Die große Hannah Arendt diagnostizierte bereits vor Jahrzehnten: “Die größte Gefahr für die Moderne ist der Verlust der Wirklichkeit.”

J. Schad / 29.08.2019

@ Heinrich Hein: Sie würden “Idioten-Gesellschaft” der “Infantilen Gesellschaft” vorziehen? Das kann ich nur unterstützen, zumal dieser Begriff “Idiot” im übertragenen Sinne wirklich auf die Mehrheit unserer Mitbürger zutrifft. Die “Idiotie” gehörte ja einstmals zum Begriffs-Repertoire der Psychiatrie und kennzeichnete dort den schwersten Grad der Intelligenzbeeinträchtigung auf der Skala “Debilität”, “Imbezillität” und eben “Idiotie”. Letztere war definiert als der Intelligenz- oder Geisteszustand, der durch keinerlei Wahrnehmung und Geschehen von außerhalb mehr zu beeinflussen war. Der “Idiot” lebt in seiner kleinen, abgeschotteten Welt. Übertragen in die gesellschaftspolitische Sphäre heißt dies: Ja, wir haben es hier mit (gesellschaftspolitischen) Idioten zu tun, denn es ist nichts, aber auch rein nichts mehr vorstellbar an Argumenten, die gebracht werden könnten und nicht schon alle gebracht wurden, oder Geschehnissen, die passieren müssten, dass deren Denken beeinflussen könnte. Daher ist die Definition der “Idiotie” aufs Schönste erfüllt. Ja, Herr Hein, wir leben in einer Zeit der gesellschaftspolitischen Idiotie. Wir haben es, so ist zu befürchten, mehrheitlich in der Gesellschaft mit Idioten zu tun. ... Ob das schon immer so war? Falls ja, dann war das wohl bisher einigermaßen erträglich, weil die Idioten wenigstens das Maul gehalten haben. Heute aber hält sich jeder für einen Klima-Experten, wenn er “Zehoohtswai” fehlerfrei aussprechen kann.

dr. michael kubina / 29.08.2019

Das ist natürlich eigentlich alles zum Totlachen, aber mir tut diese Mädchen leid. Es ist nicht dumm, ist engagiert. Ich hoffe, sie fällt nicht, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt oder sie merkt, wie sie benutzt wird, in ein tiefes Loch. Ich hoffe, da ist dann jemand, der sie auffangen kann. Wenn ich als 16jährriger die Chancen gehabt hätte, solch eine Rolle zu spielen in Fragen, die mir wichtig waren, hätte ich es wohl auch gemacht. Zum Glück hatte ich eine solche “Chance” nicht. Das grenzt ja fast an Kindesmißbrauch. Sie ist ja so eine Art neuer Heintje.

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