Im niederrheinischen Städtchen Kleve stimmte ein Grüner für einen AfD-Antrag auf eine Beratungsstelle bei Impfschäden. Das soll er nicht dürfen, denn Parteiräson soll vor Gesundheit gehen.
In der nordrhein-westfälischen Provinz, genauer gesagt im Kreis Kleve, hat sich ein politischer Eklat ereignet, der als exemplarisch für die Probleme auf Bundesebene gelten kann. Die vorbehaltlose Parteilinie der Grünen hinsichtlich der Bejahung der Impfung und der Verharmlosung ihrer Folgen wird nämlich keineswegs von allen Funktionsträgern geschweige denn von den Wählern geteilt. Das zeigt sich nun exemplarisch an dem Vorfall in Kleve.
Die AfD-Fraktion hat im Kreistag am 28. April einen Antrag zur Abstimmung gebracht. Der Titel lautete „Einrichtung einer Beratungsstelle für die Bürger bei Impfnebenwirkungen und Impffolgeschäden“. Als Grund für den Vorstoß heißt es in dem Schreiben unter anderem, dass Pfizer-Dokumente über Studien zum mRNa-Impfstoff von BioNTech/Pfizer eine hohe Zahl gemeldeter Impfschäden belegen würden.
Desweiteren wird angeführt, dass aufgrund der vielen Impfdurchbrüche der „Netto-Effekt“ der Impfungen hinsichtlich des Auftretens einer Krankheit „deutlich negativ“ sei und zudem vermutlich eine enorme Untererfassung der Impfnebenwirkungen vorliege. Dies gehe auch aus der Untersuchung des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) hervor. Der damalige Präsident der Betriebskrankenkasse BKK ProVita, Andreas Schöfbeck, hatte sich im Februar mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt, weil aufgrund von Abrechnungsdaten offenbar deutlich mehr Menschen wegen Impfschäden in ärztlicher Behandlung gewesen seien als offiziell bekannt. Unmittelbar danach war Schöfbeck von der BKK gekündigt worden (siehe hier sein Interview mit Achgut).
Als nun in Kleve über eine Beratungsstelle für Impfnebenwirkungen abgestimmt werden sollte, geschah etwas Ungeheuerliches: Neben den zwei AfD-Mitgliedern des Kreistags (bestehend aus insgesamt 60 Mitgliedern und einer Landrätin) gab auch der junge Grünen-Politiker Yakup Han Ordu seine Stimme dafür, wie „LokalKlick – Online-Zeitung Rhein-Ruhr“ berichtet. Dass ein Politiker einer anderen Fraktion für einen AfD-Antrag stimmt, sei bis dato im Klever Kreistag noch nicht vorgekommen.
„Gemeinsame Sache mit der rechtsradikalen AfD gemacht“
Die Junge Union der CDU sah sich daraufhin zu folgendem Statement bei Facebook berufen:
„Ein Grüner hat heute im #KreistagKleve in einem Fall mit der AfD gestimmt - zu einem der vielen Corona-Quatsch-Anträge. Ist das auch im Sinne der Grünen Landtagskandidaten Paula Backhaus & Volkhard Wille ?
Wir fordern die beiden zu einer Erklärung auf. Und dazu, sich von einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD zu distanzieren!
Wir fordern zudem die GRÜNE Kreistagsfraktion Kleve auf, Konsequenzen zu ziehen, und fordern den Ausschluss aus der Fraktion!“
Wie „LokalKlick“ meldet, wurde die Rücktrittsforderung erst 10 Minuten nach der Veröffentlichung des Facebook-Postings hinzugefügt. Auf Anfrage des Blattes habe der Junge-Union-Kreisvorsitzende und CDU-Kreistagsmitglied Robert Böving gesagt, dass sich der Grüne Yakup Han Ordu mit seinem Abstimmungsverhalten „an die Seite von Querdenkern und Impfgegnern gestellt und gemeinsame Sache mit der rechtsradikalen AfD gemacht“ habe.
Lieber parteipolitische Befindlichkeiten
An den Vorwurf der Kontaktschuld ist man mittlerweile gewöhnt. Schwerer wiegt jedoch, dass der CDU-Ankläger es offenbar nicht für nötig hält, sich inhaltlich mit den Forderungen auseinanderzusetzen. Impfschäden dürften weder links noch rechts, sondern ein immer eklatanter werdendes Problem sein, das alle Teile unserer Gesellschaft betrifft und angeht. Die Folgen der Impfungen werden längst im Mainstream besprochen, wie etwa in diesem MDR-Beitrag. Oder in diesem Interview der Berliner Zeitung mit dem Arzt Erich Freisleben, dessen Praxis von Impfgeschädigten aus ganz Deutschland geradezu „überrannt“ wird. Und glaubt Robert Böving von der CDU Kleve wirklich, dass die Uniklinik Marburg nur zum Spaß eine Spezialambulanz für Patienten mit Nebenwirkungen nach der Corona-Impfung eingerichtet hat? Und dort nur Hypochonder auf der überbordenden Warteliste stehen?
Die Diskussion aus der niederrheinischen Provinz ist also meilenweit von der Wirklichkeit entfernt, bedient stattdessen lieber parteipolitische Befindlichkeiten. Herr Böving fordert, dass „Parteien im Klever Kreistag entschieden und geschlossen gegen den rechten Rand stehen“ müssen, anstatt sich um die dringenden Probleme unserer Zeit zu kümmern. Und: „Wir erwarten, dass die Brandmauer zur AfD auch bei einer demokratischen Partei wie den Grünen steht, und Herr Ordu unverzüglich aus der Kreistagsfraktion ausgeschlossen wird. Nur so können alle demokratischen Parteien im Klever Kreistag entschieden und geschlossen gegen den rechten Rand stehen.“
Ins selbe Horn stoßen die Grünen selbst, die als Reaktion auf die Vorwürfe der Jungen Union ihr Mitglied im Regen stehen ließen und stattdessen bekanntgaben:
„Zu unserem Erstaunen und Bedauern hat in der gestrigen Kreistagssitzung ein Mitglied unserer Fraktion für einen Antrag der AfD zur Einrichtung einer Beratungsstelle für sogenannte Impffolgeschäden die Hand gehoben. Dieses Abstimmungsverhalten widerspricht unserem Selbstverständnis und ist inakzeptabel: Wir machen uns nicht mit der AfD gemein. Die Kreistagsfraktion wird dies in den nächsten Tagen in einem ernsthaften Gespräch mit dem Kreistagsmitglied klären. Die Fraktion wird danach prüfen, welche Maßnahmen bis zum Fraktionsausschluss ergriffen werden sollen. Eins steht fest: Die Anträge und das Geschwurbel der AfD sind immer dazu gedacht, das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie und unser Staatswesen zu untergraben.“
Deeskalierend gab sich der stellvertretende Klever CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Düllings: „Dieses ist ein internes Problem der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wir halten uns da heraus.“
Symptom sowohl der Lokal- als auch der Bundespolitik
Die AfD-Fraktion Kleve nannte das fraktionsübergreifende Abstimmungsverhalten von Yakup Han Ordu „sehr mutig“ und zeigte sich „verwundert“. Sie hoffe, „dass sich der Abweichler keinem Spießrutenlauf in seiner Partei/Fraktion unterziehen muss und er seinen Idealen treu bleiben kann“.
Auf Anfrage von Achgut.com sagte Kai Habicht, Sprecher der AfD Kleve, dass man die Mitglieder anderer Parteien kaum vom schwerwiegenden Ausmaß der Impfschäden überzeugen könne, da diese sich „vollends auf die Zahlen, die sie von oben bekommen“ verlassen würden. Das Abstimmungsverhalten des Grünen Yakup Han Ordu habe er positiv registriert: „Man sollte doch für den Antrag stimmen, nicht für die AfD.“
Yakup Han Ordu selbst, den Protagonisten der Angelegenheit, konnte ich kurzfristig leider noch nicht erreichen, sollte ein persönliches Statement von ihm erfolgen, werde ich es nachtragen.
Fast schon komisch mutet in jedem Fall an, dass sowohl der CDU-Ankläger als auch die Grünen-Fraktion Geschlossenheit als ein Wesensmerkmal der Demokratie betrachten. Dabei ist doch gerade Diskussion und Uneinigkeit auch innerhalb einer Partei ein Zeichen einer lebendigen Debatte und der daraus entstehende Kompromiss das Ergebnis der eigentlichen demokratischen Arbeit. Einigkeit von vornherein vorauszusetzen, ist hingegen das genaue Gegenteil der vielgepriesenen Diversität und Akzeptanz verschiedener Meinungen. Letzteres scheint jedoch sowohl in der Lokal- als auch in der Bundespolitik mittlerweise Usus zu sein.
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