Henryk M. Broder / 14.02.2021 / 14:00 / Foto: Acgut.com / 61 / Seite ausdrucken

Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten

Seit vielen Jahren, genau genommen; Jahrzehnten, denke ich darüber nach, was es bedeutet, deutsch zu sein. Ist es wirklich der Drang, „eine Sache um ihrer selbst willen tun“, wie es Richard Wagner gemeint hat, ohne sich zu fragen, wie sinnvoll die Sache ist, egal, ob es um die Erfindung des Dieselmotors geht oder um dessen Abschaffung? Ist die Eroberung des Lebensraums im Osten die gleiche Mühe wert wie der Kampf für den Acht-Stunden-Tag oder das allgemeine Wahlrecht? Ist es der Satz: „Der Weg ist das Ziel“ oder die Parole: „Wer A sagt, muss auch B sagen!“ Bin ich inzwischen nicht selber deutscher als deutsch, weil ich mich mit einer Frage beschäftige, die so relevant ist wie die, ob man nach sechs Uhr abends helle Schuhe zu einem dunklen Anzug tragen darf?

Ich denke, sich in Details zu verfangen, ist sehr deutsch. Dreißig Jahre nach dem Ende der DDR wird immer noch diskutiert, ob der SED-Staat eine Diktatur oder ein Unrechtsstaat war. Wie albern ist das!

Wie Sie vermutlich wissen, hat der Bau des neuen internationalen Berliner Flughafens 14 Jahre gedauert, neun Jahre länger als ursprünglich geplant. War am Anfang von zwei Milliarden Euro Baukosten die Rede, standen am Ende über sieben Milliarden unter dem Strich. Die Eröffnung des Flughafens geriet zu einer Geisterschau ohne Passagiere. Seitdem ist die Anzahl der täglichen Starts und Landungen so überschaubar wie die der Pins auf einer Bowlingbahn.

Wie ein Alkoholverbot in einer Kita 

Eigentlich müsste die Flughafenverwaltung für jedes Flugzeug dankbar sein, das auf dem BER ankommt oder vom BER abhebt. Aber das ist nicht der Fall. Wichtiger als die Zahl der Flugbewegungen ist etwas anderes: das Nachtflugverbot, das von Mitternacht bis fünf Uhr morgens gilt, was unter den gegebenen Umständen so aberwitzig ist wie ein Alkoholverbot in einer Kita. 

Was das in der Praxis bedeutet, musste kürzlich die Mannschaft des FC Bayern erfahren, die unmittelbar nach einem Spiel in der Hauptstadt von Berlin nach Katar fliegen wollte. So könnte auch ein Witz anfangen: Wollte mal ne Fußballmannschaft von Berlin nach Katar fliegen… Haha.

Der Flug QTR 7402 war für 23:15 Uhr vorgesehen, verzögerte sich aber, weil die Maschine noch enteist werden musste. Um 23:59 Uhr war der Flieger startklar.

Drei Minuten nach Mitternacht bat der Pilot um die Startfreigabe. Die wurde ihm verweigert, weil um Mitternacht das Nachtflugverbot eingesetzt hatte. Nachdem alle Bemühungen um eine „Sondergenehmigung“ erfolglos blieben, rollte die Maschine zurück zum Terminal. Die Spieler und deren Betreuer verbrachten die Nacht an Bord des Fliegers in der „weltweit besten Business Class“. Am Morgen danach ging es um sieben Uhr weiter, erstmal nach München, wo die Crew ausgetauscht werden musste, weil die erlaubte Arbeitszeit überschritten war, und schließlich weiter nach Doha, die Hauptstadt des Emirats.

Ja, es gibt Schlimmeres, als eine Nacht in der Business Class einer Airline aus 1001 Nacht zu verbringen. Möglich auch, dass der Mann im Tower, der die Starterlaubnis verweigert hatte, ein Hertha-Fan war, der sich dafür rächen wollte, dass die Bayern gegen „seinen“ Verein gewonnen hatten. 

Super Impfplan, aber kein Impfstoff

Der Vorgang gehört trotzdem in das große Buch der Sachen, die man „um ihrer selbst willen“ tut. Wo kämen wir denn hin, wenn wir Ausnahmen von einem „Nachtflugverbot“ zuließen? Und sei es nur um drei Minuten. Wenn das alle tun würden!

Es ist diese gnadenlose Gründlichkeit, die mich immer wieder in den Wahnsinn treibt. Meistens verbunden mit der Erklärung: „Ich mache nur meinen Job“ oder „Ich halte mich nur an die Anweisungen“. 

Der Rekurs auf die Gründlichkeit gehört auch zum Repertoire von Angela Merkel. Man habe, sagt sie, die Zulassung der Anti-Corona-Vakzine „gründlich“ vorbereiten wollen, deswegen habe der Vorgang etwas länger gedauert, als es in den USA, in England und Israel der Fall war, wo schon geimpft wurde, während in der EU noch die Claims abgesteckt wurden.

Und als es dann losging, hatte man einen perfekten „Impfplan“, aber leider nicht genug Impfstoff. Ein Beweis mehr, dass man alles auch gründlich vergeigen kann, wenn man sich nur ein wenig Mühe gibt, wie schon die Energiewende, die Rettung des Klimas und die gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU, alles Projekte, welche die Kanzlerin eigenhändig angeschoben und gekonnt in den Sand gesetzt hat. Was sie nicht davon abhält, in der Corona-Krise wieder die Zügel in die Hand zu nehmen. So wie Albert Einstein „Wahnsinn“ definiert hat: „Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten.“

Ich würde diesen Gedanken gerne ein wenig elaborieren, darf es aber nicht, weil in drei Minuten die Uhr zwölfmal schlagen wird. Und dann beginnt mein Nachtschreibverbot.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Pedro Jimenez / 14.02.2021

Grabinschriften werden aber in Zukunft, in Zeiten selbstfahrender Automobile eher so aussehen: Schwerer Ausnahmefehler und kein Internetzugriff. Dabei hatte ich Vorfahrt.

Steffen Altmann / 14.02.2021

Merkel ist ein 16 Jahre dauernder gründlicher Betriebsunfall der deutschen Geschichte, geschuldet der Banalität des Blöden. Genuin dumm trotz hohem IQ. Lang hatte man einen Masterplan, eine Verschwörung oder wenigstens eine Strategie im Wirken Merkels gesucht. Umsonst. Da war nichts, da wird nichts sein. Sie geht und wir bleiben betroffen zurück in einem Land, das wir nicht wiedererkennen.

Walter Weimar / 14.02.2021

@M. Friedland: sehr schön ihre Ausführungen, sie wissen es und müssen es uns alles erklären - wie ein deutscher Schulmeister Von Ihrer Sorte ist das Land voll eingedeckt.

Richard Kaufmann / 14.02.2021

Nein, Herr Broder, der Fehler liegt im System, in diesem Fall in einer unnötigen Verzögerung, da die Enteisung nicht von jetzt auf gleich erforderlich wurde. Außerdem war das Nachtflugverbot hinteichend bekannt. Wer in einer Flugschneise legt, weiß es zu schätzen, wenn man nicht dauernd Ausnahmegenehmigungen erteilt. Es lag ja auch kein Notfall vor. Das jedes Volk Macken hat, die leider beim Deutschen vermehrt auftreten, ist auch nicht unbekannt. Das macht ja den Deutschen bei seinen Nachbarn auch so beliebt. Seit unmehr 150 Jahren werden sie immer beliebter auf der nach oben offenen Skala (ohne Richter).

A. Ostrovsky / 14.02.2021

@B.K.Kopp Ich versuche, den tieferen Sinn Ihrer Rede zu erschließen. Und dazwischen bin ich immer zum Spiegel relaufen, ob man es mir ansieht, dass ich nichts mehr verstehe. Irgendwann kommt ja bei jedem der Moment, wo die anderen mitleidig lächeln, es sei denn man stirbt früh. Aber wer von uns beiden da mehr betroffen ist, weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls nicht verstanden, was Sie uns sagen wollen. Bei Ihnen mischen Sich Aussage und direktes Gegenteil. Soll das Ironie sein? Welcher Teil ist Ironie? Sieht es bei Ihnen innen auch so aus? Ich vermeide ja solche Sendungen mit S. Raab und Böhmermann und den anderen Selbstgestrickten. Vielleicht bin ich deshalb etwas naiv und beherrsche nicht das Chaos. Aber es bleibt die Frage, warum soll ich mir solches Chaos antun, wenn es doch unnötig ist.

A. Ostrovsky / 14.02.2021

Das ist wirklich eine wichtige Frage: “Bin ich typisch deutsch?” Was sind genau die Voraussetzungen, damit einem diese Frage überhaupt in den Sinn kommt? Die Sprache meiner Mutter war deutsch. Ich habe in keiner anderen Sprache wirklich frei denken gelernt, auch wenn ich mehrere Sprachen verstehe, aber das Denken in einer anderen Sprache, als der deutschen, zwingt mich zur Anstrengung, es geschieht nicht so nebenbei und ohne Schmerzen. Deshalb habe ich Respekt vor jedem, der sich in einer anderen als seiner Muttersprache mit Arbeitgebern, Kunden, Behörden, Familienangehörigen herumschlagen muss. Aber dass das sture Einhalten eines Nachtflugverbotes so deutsch wäre, ... ich weiß nicht. In Italien würde man sich vermutlich schon ab 23:30 weigern, wenn es dort so ein Verbot geben würde. Ist wie beim Autoschrauber um die Ecke. Ohne Vorkasse geht da nichts. Eher ist doch das Trödeln der Enteiser, die 44 Minuten brauchen, obwohl sie wissen, dass dann das Nachtflugverbot beginnt, eher sehr nicht-deutsch. Und das Delettantentum von Mutti und Uschi ist eben das Gegenteil von Perfektion. Man kann den Deutschen die Perfektion vorwerfen, aber das Dilettantentum haben sie nicht alleine gepachtet, das ist in der ganzen Welt viel weiter verbreitet. Und es hat nichts mit den ewigen deutschen Eigenschaften zu tun, wenn Leute einfach nicht denken. Das Bild vom deutschen Landser, der auf Befehl marschiert, ohne zu fragen und ohne zu denken, kann man in allen Ländern beobachten, oder glaubt wirklich jemand, die Russen, Chinesen, Amerikaner, Briten, Franzosen wären nicht genauso perfekt abgerichtet? Nein, das Versagen überall und vollständig, und dass sich die Versager noch nicht einmal schämen oder gar um Entschuldigung bitten, ist so wenig deutsch, dass sich der Verdacht verbietet, es hätte etwas mit der Muttersprache zu tun.

Karl Dreher / 14.02.2021

Gerade unter der geistigen Herrschaft von “Mutti Merkel nebst linksrotgrünen Konsorten” wird die Erklärung: „Ich mache nur meinen Job“ oder „Ich halte mich nur an die Anweisungen“ - insbesondere in Berlin - für mich sehr gut verständlich. Warum soll der einzelne Mitarbeiter vor Ort selbständig nachdenken und sich sachorientiert entscheiden trauen, wenn er fürchten muß, anschließend ungeschützt von seinen Vorgesetzten dem linksrotgrüne Meinungsmob ausgliefert zu sein, vielleicht sogar um seinen Arbeitsplatz fürchten zu müssen?

Sabine Schönfelder / 14.02.2021

In Wahrheit ist die „deutsche Gründlichkeit“ eine MÄR. Diese Impfung ist nicht sterilisierend und das hat diese „Gründlichkeit“ längst festgestellt, - und auch geflissentlich nicht. Man betreibt alles, was die eigene Macht erhält, nicht mit Gründlichkeit, sondern mit ZWÄNGISCHER Hartleibigkeit. Denn richtet man den Spot auf alle laufenden Restriktionsmaßnahmen und Verbote, Impfambitionen und europäische Gleichschaltungsunternehmungendann erkennt man nur Chaos und Widerspruch. Willkür ist mittlerweile europäisch bis global. Das Internet bietet über BIG TECH völlig neue Formen internationaler Einflußnahme. Linke Chaoten gemeinsam mit reichen Globalisten improvisieren die absolute Machtübernahme. Denkt daran, Sie verfügen nicht über die Meinungsmehrheit der Bevölkerungen, garantiert nicht. Sie verfügen über eine restriktive Informationsverbreitung und gekaufte, korrupte Politiker. Würde man Internet und Öffis abschalten, herrschten wieder paradiesische Zustände. Irre und Korrupte werden durch vernünftige Demokraten (dabei schließe ich ausdrücklich amerikanische Parteidemokraten aus, die das Wort Demokratie mit Füßen treten!!) ausgetauscht. Freiheit und Friede zieht wieder in alle Lande. Alles wird gut.

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