Claudio Casula / 31.03.2022 / 14:00 / Foto: Imago / 69 / Seite ausdrucken

IM Victoria geht in Rente

Nach 24 Jahren verlässt Anetta Kahane die von ihr gegründete Amadeu-Antonio-Stiftung. Leider fallen die Würdigungen ihrer Verdienste im Kampf gegen rechts unvollständig aus. Eine Ergänzung.

Im Grunde war ihr Lebenswerk in sich stimmig: Leute ausspionieren und verpetzen, die wirkliche oder auch nur vermeintliche Feinde der Demokratie sind bzw. – als sie noch bestand – der Deutschen Demokratischen Republik waren. Mit 19 von der Staatssicherheit rekrutiert und von MfS-Major Heinz Mölneck von der Spionageabwehr der Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) (Abteilung II/3) geführt, arbeitete Anetta Kahane acht Jahre lang als Spitzelkraft für den VEB Horch und Guck, lieferte Berichte von Geburtstagsfeiern, Polterabenden oder gar aus gemeinsamen Urlauben mit nur auf den ersten Blick harmlosen, privaten Details. Wie Dirk Maxeiner schon vor drei Jahren ausführte (hier und hier), geht es „in einem totalitären Staat… der Geheimpolizei nicht nur um handfeste Beweise ,staatsfeindlicher Tätigkeit'. Ebenso wichtig sind persönliche Angriffspunkte. Für den Erfolg der perfiden Stasi-Methode der systematischen ,Zersetzung' sind gerade – vermeintlich irrelevante – private Details besonders wichtig.“

So viel zu Kahanes Beteuerungen, sie habe niemandem persönlich geschadet. Chaim Noll wusste zu berichten, „dass sie 1981 zur Hochzeit ihrer Cousine nach West-Berlin reiste, mehrere Tage deren Gastfreundschaft genoss und anschließend ihrem Stasi-Führungsoffizier schriftlich darüber Bericht erstattete, es handle sich bei ihrem Onkel, ihrer Tante, ihrer Cousine und deren Bräutigam um ,reaktionäre und spießige, in politischer Hinsicht ordinäre und aggressive Personen‘“. Auch habe sie 1976 die jüdischen Brüder Brasch bei der Stasi als "Feinde der DDR" denunziert. Klaus Brasch nahm sich 1980 das Leben.

1982 wurde die Spitzeltätigkeit beendet, um 1990 war es vorbei mit der DDR und 1998 gab es für Kahane einen neuen Anfang, diesmal als Hüterin der westlichen Demokratie. Sie gründete die „Amadeu Antonio Stiftung“ (Deppen-Leerzeichen wie im Original), deren Ziel laut Eigenwahrnehmung ist, „eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet“. Oder Menschen unterstellt, Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten zu sein. Vor einem Jahr rückte sie im Verein mit Felix Klein (was hat dieser Antisemitismus-Beauftragte bis heute im Kampf gegen Antisemitismus eigentlich erreicht?) und Kevin Kühnert Kritiker der demokratie- und grundgesetzfeindlichen „Infektionsschutzmaßnahmen“ in ein rechtes Licht.

Früher heimliche Petze, heute unheimlich

Das Narrativ der drei, meinte Chaim Noll, war „so simpel wie abenteuerlich: ,Corona-Leugner‘ neigten bekanntlich zu ,Verschwörungstheorien‘, zugleich gehörten Verschwörungstheorien zum Arsenal des Antisemitismus – folglich sind alle Gegner der staatlichen Corona-Politik potenzielle Antisemiten. Und daher in Deutschland, wo man nach dem Holocaust den Antisemitismus besonders nachdrücklich bekämpfen muss, zum Abschuss freigegeben. Antisemitismus als Popanz, um oppositionelle Regungen in der Bevölkerung zu unterdrücken.“

Wen die „Amadeu Antonio Stiftung“ zum Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten stempelt, der ist ganz offiziell der Staatsfeind von heute. Anetta Kahane ist sich treu geblieben. Aber vieles ist leichter geworden: Musste sie sich damals noch mit ihrem Führungsoffizier Mölneck in konspirativen Wohnungen treffen, um von „staatsfeindlicher Hetze“ zu berichten und kritische Geister zu verpetzen, tat sie es nun, fast ein Vierteljahrhundert später, ganz öffentlich, mit dem Segen der Bundesregierung und staatlichen Zuschüssen in Millionenhöhe.

Da kann eine wie sie auch nicht ganz loslassen. Laut SPIEGEL will sie „der Amadeu Antonio Stiftung weiterhin beratend zur Seite stehen. Sie wolle ,weiter schreiben, eigene Projekte verfolgen und auch für andere Organisationen da sein, wenn sie das wollen.‘“ Der „taz“ sagte Kahane, die Stiftung sei auch „eine ostdeutsche Erfolgsstory“.

Ja, das kann man so sagen. Nachträglich jedenfalls. 

Foto: Imago

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Leserpost

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Thomas Müller / 31.03.2022

Bei wenigen Frauen paßt der Begriff “rotes Flintenweib” so gut wie bei dieser “Person”.

Tobias Kramer / 31.03.2022

Kahane war und ist übrigens eine der besten Freundinnen von Alt-Kanzlerette Merkel. Auch das sagt viel über beide Frauen aus.

Heinrich Wägner / 31.03.2022

Eigendlich ohne Worte. Es ist dieses Volk. Heute West schlimmer als Ost. Den Faschismus,  daß Denunziantentum hat die Mehrheit in ihren Knochen. Das Dümmliche, daß Krichen und Schleimen. Kann es jeden Tag im Krankenhaus erleben. Den Deutschen Untertan in voller Größe.

Gerald Weinbehr / 31.03.2022

Manchmal kann ich den gleichen Kommentar an einem Tag unter zwei Achgut-Beiträge setzen. Heute bereits zu Claudio Casulas “Chronik des Irrsinns - der März 2022” geschrieben, passt hier auch: Wer hätte 1990 geglaubt, dass wir in den Zweitausendzwanzigern “Demokratie” nach DDR-Vorbild haben würden?

Christian Feider / 31.03.2022

E gibt Mitmensch/innen,die dürften eigentlich keinerlei Ämter/Aufgaben mehr übernehmen nach so einem Lebenslauf. Komisch,nach 45 war man da härter, da gabs das automatische Ausschliessen gewisser Gruppen aus öffentlichen Ämtern,von Wahllisten und sogar von Verehrtenrenten…. aber die rote Front in beiden deutschen Teilen war sich eben naeher als den “anderen roten”

Richard Reit / 31.03.2022

Wenn eine solche Person mit Millionen gefördert wird, eine vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestufte Person Verfassungsrichterin werden kann und jemand, der die DDR nicht Unrechtsstaat nennen will, Innenministerin, dann sagt das vor allem viel über die Ausrichtung der Regierung und nachfolgenden Stellen aus.Da auch die Presse damit ( und diversen ähnlich gelagerten Fällen) anscheinend kein Problem hat und die Bürger diese Zustände per Wahl immer wieder bestätigen, kann man nur fassungslos sein.

Gudrun Meyer / 31.03.2022

Die Artikel auf “Belltower News” geben nicht zu, dass die AAS eine Erfolgsstory ist. Im Gegenteil, die Verfasser beweinen ständig, wie allgegenwärtig doch die rechte Gefahr sei, und wie hilflos die wenigen Guten sich gegen das überwältigend starke Böse stellen. Ein aktueller Schlachtruf der linken SA gegen “Schwurbler und Corona-Leugner” grölt: “Es gibt keine Verschwörungsideologie ohne Vernichtungsphantasie!” Diese Selbstinszenierung als Opfer, diesmal als Opfer der bösartigen Spaziergänger, die nicht zwangsweise an einem riskanten, medizinischen Versuch teilnehmen wollen, durchzieht offen oder minimal verdeckt alles, was die AAS absondert. (vielleicht stammt auch der coole, neue Antifa-Slogan aus dieser Quelle). Unter den Artikeln bettelt die “Bellltower News”-Redaktion um Spenden: “Schon 2 Euro helfen.”  Der schwergepolsterten Stiftung-gegen-Rächz geht es wohl weniger um die paar Euronen extra als um die angedeutete Selbstdarstellung: die AAS ist ein zartes Licht der Menschlichkeit in der Finsternis, eine Kerze an einem Strand, über den gleich ein verschwörungsideologischer, somit antisemitisch-nationalsozialistischer Tsunami hinwegfegen wird, wenn nicht alle sich hinter den nahezu aussichtslosen Kampf der AAS gegen den rechten Feind stellen. Die AAS gehört zu den vielen und gutbezahlten Adressen, die die Realopposition in einem fort für rechtsextrem und sich selbst für die Opposition halten. Sie gibt vor, ihre Aktivisten stellten sich “hochgefährdet”  gegen eine rechtsextreme Übermacht mal von AfD-Anhängern, mal von “Covidioten”, und wird dafür mit immer mehr Geld und Macht bezahlt. Natürlich gibt es weitere Organisationen im besten D der Welt, die denselben “Kampf” ausfechten und ebenfalls   mit immer mehr Geld und Macht bezahlt werden. Dafür kommen ja die Steuerzahler auf.

Hans Ludwig Jacoby / 31.03.2022

She´s got the look…. GNTP

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