Ramin Peymani, Gastautor / 12.01.2021 / 06:15 / Foto: Lowdown / 82 / Seite ausdrucken

Hassrede-Gesetz verfassungswidrig? Macht nix, kommt trotzdem

Die Bundesregierung drückt aufs Tempo. Anfang Februar soll sie endlich kommen, die von der Großen Koalition seit langem geplante Verschärfung des Gesetzes gegen Hassrede im Internet. Mit dieser sollen Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet werden, als hetzerisch eingestufte Inhalte nicht mehr nur zu löschen, sondern die Bestandsdaten der Urheber darüber hinaus an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten. Die zusätzliche Verpflichtung, die zur Meldung zahlloser Internetnutzer an die Behörden führen wird, ohne dass dieser ein richterlicher Beschluss zugrunde liegt, hatte das Bundesverfassungsgericht unmittelbar nach der Beschlussfassung durch den Bundestag als verfassungswidrig eingestuft.

Aus diesem Grund hat Bundespräsident Steinmeier das Gesetz bislang auch nicht unterschrieben. Die Juristen des Bundespräsidialamtes sind ganz offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass das Vorhaben „evident verfassungswidrig“ ist. Genau so definiert unser Grundgesetz die Prüfpflicht des Staatsoberhauptes. Seither bedrängt die Bundesregierung ihren eigentlich lediglich als Statthalter eingesetzten ersten Mann im Staat, das illegale Gesetz in Kraft zu setzen.

Der Kampf gegen Rechts sei so wichtig, dass Verfassungsbedenken zurückstehen müssten. Man werde, so heißt es aus den Ministerien, dann schon ein „Reparatur-Gesetz“ erarbeiten, das die Verfassungswidrigkeit behebe. Ein solches Vorgehen wäre beispiellos in der deutschen Geschichte. Die Handelnden wissen, dass sie sich mit dieser kriminell anmutenden Vorgehensweise Zeit erkaufen und bis zu einer Korrektur Hunderttausende Bürger ins Visier nehmen könnten.

Die Renitenz Steinmeiers, der in diesem Fall genau das tut, was das Grundgesetz vorschreibt, ärgert die Ideologen im Regierungsapparat. So prächtig hatte sich vor allem der linke Flügel der SPD sein Leuchtturmprojekt vorgestellt. Und auch der Koalitionspartner war auf Kurs. Nun steht nur noch das Grundgesetz dem Vorhaben im Weg, im Internet gezielt Meinungsäußerungen zu kriminalisieren, die dem linken Mainstream zuwider sind.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich rede keinesfalls die Tatsache klein, dass es in den sozialen Netzwerken vor extremistischen Ansichten wimmelt. Auch mich widert es an, rechtsradikale Parolen lesen zu müssen. Doch es gibt bereits eine gesetzliche Grundlage, um dies zu verfolgen. Aus gutem Grund sieht unser Rechtsstaat vor, dass die Strafverfolgung im Einzelfall immer erst nach gründlicher Prüfung erfolgt. Wer Netzwerkbetreiber verpflichtet, selbst darüber zu befinden, was durch das Recht auf Meinungsäußerung abgedeckt ist und was nicht, legt die Hoheit über die Rechtsprechung in die Hände des Mobs.

Das verfassungswidrige Gesetz wird kommen

Fakt ist nämlich, dass ein großer Teil der Löschungen in den sozialen Netzwerken auf Hinweise von Nutzern erfolgt. Regelmäßig führen Einsprüche der Betroffenen dann zur Rücknahme der Löschung. Dies zeigt, wie gefährlich es ist, die Übermittlung persönlicher Daten zur kriminalpolizeilichen Erfassung auf Basis der anonymen Anschwärzung von Gegnern legitimieren zu wollen. Eben diese staatlich gewünschte Denunziation zur Eliminierung Andersdenkender war eines der zentralen Elemente zur Absicherung der Herrschaft in den beiden deutschen Diktaturen.

Ohnehin ist schon der Titel des Gesetzes entlarvend. Dieser macht deutlich, dass es im Kern gerade nicht um den Kampf gegen jeglichen Extremismus geht. Das Anti-Hass-Gesetz ist nämlich explizit auf die „Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ ausgerichtet. Nur erahnen lässt sich dabei, dass auch linksextremistische oder islamistische Hetze bekämpft werden soll, für die es im Internet mindestens ebenso viele Beispiele gibt, wie für rechtsextremen Hass.

Im Alltag ist zu erkennen, dass die Motivation zur Denunziation im linken Lager um ein Vielfaches ausgeprägter ist als im rechten. Es rühren sich weit weniger Internetnutzer, um linken oder religiösen Hass zu melden, was in der Natur der Ideologien liegt. Die Lust an der Denunziation ist nun einmal im links-kollektivistischen Lager und bei religiösen Fanatikern besonders ausgeprägt.

Dass die Regierenden die Vorfälle im Kapitol zum Anlass nehmen, die Dringlichkeit ihrer Gesetzesverschärfung zu betonen, untermauert den Eindruck, ihnen gehe es in erster Linie darum, die Freiheit der Meinungsäußerung einseitig zu beschneiden. Sie sind der Überzeugung, dass die ins Parlament eingedrungenen Trump-Anhänger durch die Tweets des scheidenden US-Präsidenten angestiftet worden sind. Die gleiche Entschlossenheit sucht man allerdings hierzulande vergeblich, wenn nach linksextremen Aufrufen im Netz deutsche Städte in Schutt und Asche gelegt werden, oder wenn rund um islamistische Anschläge die Freude über die Vernichtung Andersgläubiger in den sozialen Netzwerken offen zur Schau getragen wird. In wenigen Tagen werden wir schlauer sein. Und die Prognose fällt leicht: Das verfassungswidrige Gesetz wird kommen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis "Liberale Warte"

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 12.01.2021

Das Menschen im Kleinen wie im Großen zivilisiert miteinander Umgehen sollen, ist ein gutes Ansinnen. Dieses Ansinnen jedoch dadurch in die Tat umsetzen zu wollen, dass man quasi der gesamten Bevölkerung vollumfänglich das Maul verbietet und die Nutzung bestimmter Begriffe in der Praxis somit vollends untersagt, steht außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit. Die Herangehensweise der amtierenden Politik ist in diesen Zeiten der Globalisierung immer die selbe: Der kleinste gemeinsame Nenner wird zum Maßstab für alle herangezogen, was letztlich die Bestrafung und Gängelung des gesamten Volkes wegen Ausfällen Einzelner nach sich zieht, auch wenn sich der Großteil zumeist sehr gut im Griff hat. So funktioniert das nicht in einer liberalen Demokratie! Wenn wir ein Erziehungsdefizit haben und sich in bestimmten Umfeldern die Menschen nicht mehr im Griff haben, dann muss man darüber nachdenken, ob da mit der Familien- und Bildungspolitik der letzten Jahre nicht etwas vollkommen schief gelaufen ist, dass diese immer mehr Menschen auswirft, die sich selbst nicht im Griff haben und deswegen nachträglich gegängelt werden müssen damit die Gesellschaft nicht auseinanderfliegt. Und in diesem Zusammenhang ist die Folge des Einflusses stramm marxistischer Ideen in die ehemals freiheitliche westliche Welt nicht zu übersehen. Wer den Menschen mehr und mehr dysfunktionalen gesellschaftlichen Unfug eintrichtert, damit diese gegen den Kapitalismus rebellieren und diese sich infolge dessen mehr und mehr daneben benehmen, der landet naturgemäß da, wo die Sowjetunion über ihre gesamte Lebenszeit war: In der Diktatur, wo jedes bisschen individueller Freiraum durch die Schergen des Staates unterdrückt worden ist. Wer ein wenig geschichtliche Bildung vorweisen kann weiß das alles. Es ist überaus erstaunlich, dass der gleiche Unfug nun wieder versucht wird und man diesmal ein anderes Ergebnis erwartet.

Karl Eduard / 12.01.2021

Werter @Jörg Themlitz, da irren Sie aber gewaltig, wenn Sie annehmen, DAS wäre den Meisten bekannt. Wenn ja, dann würden ja nicht solche hahnebüchenen Vergleiche gezogen. Den Leuten ging es damals wirklich dreckig und den Heutigen geht jede Fantasie dazu ab, was das real bedeutete. Kein Sozialstaat, kein Hartz IV, kein Mieterschutz, nur Blablabla von Oben und nichts wurde besser. Keine Arbeit, keine Möglichkeit, zu heiraten, keine Möglichkeit, die Familie zu ernähren, Verlust der Selbstachtung, dazu die Frage, wozu Deutschland von 14 - 18 eigentlich gekämpft hat, wofür die ganzen Toten, Verkrüppelten, Witwen und Waisen, wenn die Regierung Alles opfert. Was sind Versprechungen noch wert, wie Roosevelts 14 Punkte Plan, das Selbstbestimmungsrecht der Völker? Die Leute haben nicht den kleinsten Schimmer und sie bemühen sich nicht mal um Erkenntnisgewinn. Ihnen reicht, was der ÖR ihnen vorkaut.  Nur hätte er es besser formulieren sollen. Sonst ist aber alles o.k..

HaJo Wolf / 12.01.2021

Hass ist ein Gefühl auf der emotional gleichen Ebene wie Liebe, , die wird aicher auch bald verboten, außer, man äusset Liebe zur gottgleixhen Obernägelfresserin…mal sehen, on das auch zensiert wird…

Volker Kleinophorst / 12.01.2021

Offenbar ist “Denen” nicht klar, dass nichts eine Verschwörungtheorie mehr bestätigt, als zu versuchen, die Menschen darüber zum Schweigen zu bringen? Mindy Robinson, (Patriot Party of Nevada, Webseite: Red, White and F You). Eine der wenigen Anhänger von Trump, aber eben ganz dezidiert nicht der Republikanischen Partei, zählt zu den wenigen US-Accounts auf Twitter, die ich beobachte, der noch nicht “gecancelt” wurde.

sybille eden / 12.01.2021

Die links-grüne deutsche Volksgemeinschaft formiert sich. Im “Merkeldeutsch”: “Gemeinsam schaffen wir das.” Vor allem “GEMEINSAM”, darauf kommts an !

Thomas Brox / 12.01.2021

@ fif toepfer.  Tolles Zitat. ++ Kleine Korrektur (Schreibfehler): Zitat stammt von Ludwig von Mises, aus “Die Bürokratie”, erschienen 1944(!). Grundlegende Erkenntnisse, die fast schon vergessen sind. Hierzu gehört auch “Der Weg zur Knechtschaft” von Friedrich von Hayek, auch 1944 erschienen.

Sabine Meyer / 12.01.2021

Die deutsche Regierung stuermt voran mit ihrem Gesetz gegen “Hassrede”, wobei ich fragen muss, was ist die Definition von Hassrede?, und sehr viele Laender, vor allen Dingen autokratische Laender oder Diktaturen, nehmen sich das zum Beispiel. Ich kann da nur sagen, Deutschland ist die Bananenrepublik und einige afrikanischen Laender haben mehr Meinungsfreiheit als Deutschland. Ich kann nur sagen, ich bin froh, mir einige Jahrzehnte Vergangenheit und “Nichtentwicklung” verschafft zu haben, und mir nicht in diesem so fortschrittlichen Deutschland, Meinungsfreiheit und Grundrechte einschraenken zu lassen. Ich bin fassungslos ueber das was in Deutschland geschieht.

Andreas Rühl / 12.01.2021

So ganz lauter ist der Artikel leider nicht. 1. ist es gewiss nicht so, dass ein ganzes Gesetz - immer ein Bündel unterschiedlichster Regelungen - von wem auch immer für “verfassungswidrig” gehalten wird, sondern es geht immer um die konkrete, einzelne Norm. Selbstredend wäre eine Norm verfassungswidrig, dass die Verbreitung einer bestimmten “Meinung” verbietet, dies folgt unmittelbar aus Art. 5 GG, der genau das verbietet. Bei der Verfassungswidrigkeit hier geht es ausschließlich um den Eingriff in die Grundrechte der Betreiber und deren Nutzer, der - wie anderweitig schon entschieden - eine gerichtliche Entscheidung notwendig macht. Auch ist der BuPräs nicht nach dem Text des Grundgesetzes dazu berufen oder verpflichtet, Gesetze zu prüfen, bevor er sie unterschreibt. Gerade diese Frage war ja über lange Jahre Gegenstand heftiger Debatten von Verfassungsrechtlern. Eine solche Prüfungspflicht - und das daraus folgende Recht, die Unterschrift zu verweigern - besteht nach wohl h.M. nur bei evidenter Verfassungswidrigkeit, mithin also nur dann, wenn diese “auf der Hand” liegt, zweifelsfrei feststeht (etwa, weil es entsprechende Urteile des BVerfG bereits gibt). Aber dann könnte sich das Recht ja niemals weiter entwickeln und ein Urteilsspruch aus Karlsruhe wäre für alle Ewigkeit “Gesetz”! Die naheliegende Lösung wäre es gewesen, bei Zweifeln des BuPräs an der Verfassungswidrigkeit eine Vorlagepflicht beim BVerfG zu schaffen, ähnlich wie das für das konstitutionelle Recht auch für die Gerichte gilt. Dazu hätte das GG geändert werden müssen, um hier ein verfassungskonformes Verfahren zu schaffen, das letztlich dem BuPrä und Karlsruhe ermöglicht hätte zu verhindern, dass Gesetze, die die Verfassung brechen oder Grundrechte verletzen, überhaupt in Kraft treten können. Genau das aber wollte wohl der Bundestag nicht - angesichts der Tatsache, dass Karlsruhe in den letzten Jahrzehnten Berlin immer wieder in die Parade gefahren ist.

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