Habeck und das Fleisch, die Alten und die Armut

Der promovierte Philosoph, erfolgreiche Schriftsteller und Sohn meiner Heimatstadt Lübeck, Robert Habeck, machte kürzlich durch seine Idee, einen Mindestpreis für Fleischprodukte einzuführen, mal wieder auf sich aufmerksam. Der Vorschlag, der als Maßnahme gegen die gehäuften Coronafälle in Schlacht- und Fleischereibetrieben gedacht war, wurde von vielen Seiten zu recht als planwirtschaftlich kritisiert. Inwiefern eine Preiserhöhung gegen Corona helfen würde, bleibt wohl ein grünes Mysterium, aber fest steht, dass die Idee, Fleisch teurer zu machen und den Konsum dadurch einzuschränken, schon lange bei den Grünen brodelt. Bereits 2019 wollten Teile der Grünen eine höhere Besteuerung für Fleisch und andere tierische Produkte durchsetzen, da die Tierhaltung für besonders hohe Mengen an Treibhausgasen verantwortlich sein soll. Dabei würde der grüne Traum von der Fleischlosigkeit die vulnerabelsten Gruppen unserer Gesellschaft treffen.

Während viele Menschen, gerade aus jenem Milieu der Gründenker und Ökofanatiker, eine Erhöhung des Fleischpreises ohne größere Schwierigkeiten verkraften würden, müssten sich zahlreiche Rentner in Deutschland überlegen, ob sie sich ihr Hühnchen noch leisten können. Denn der Konsum von Fleisch oder anderen tierischen Produkten ist kein Luxusgut, sondern eine essenzielle Notwendigkeit. Dass das Schnitzel einiges an Image zugunsten seines Tofu-Kumpels einbüßen musste und es in einigen Kreisen verpönt, ja sogar schon unschicklich ist, sich beim Grillen tatsächlich für eine echte Wurst zu entscheiden, lässt viele vergessen, dass Fleisch (je nach Fleischsorte) vor allem auch ein wichtiger und guter Nährstofflieferant ist. Gerade unverarbeitetes Fleisch ist eine wertvolle Bezugsquelle für Eisen, einige B-Vitamine und vor allem Eiweiß. Nicht nur die Menge an z.B. Eiweiß ist im Fleisch höher als in pflanzlichen Quellen, aber auch die Bioverfügbarkeit, also der Prozentsatz der Proteine, die wir durch unsere Verdauung tatsächlich aufschlüsseln und aufnehmen können, ist der pflanzlichen Variante überlegen.

Da ein älterer Mensch ohnehin an Muskelmasse verliert, häufig schon mit bestimmten Krankheiten lebt und sich in der Regel weniger bewegt, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für Menschen ab 65 Jahren eine erhöhte Proteinaufnahme von 1 g/kg Körpergewicht pro Tag (vgl. bei einem Erwachsenen unter 65 Jahren 0,8 g/kg Körpergewicht pro Tag), andere Quellen gehen sogar bis 1,2 g/kg Körpergewicht pro Tag. Denn auch in Deutschland leiden Senioren an einer Fehl- oder Mangelernährung, und nicht selten liegt auch ein Eiweißmangel vor. Die Folgen dieser Tendenz sind fatal. Durch die stark schwindende Muskelmasse entwickeln viele ältere Menschen eine Gebrechlichkeit, die das Risiko für Stürze und Knochenbrüche erhöht.

Außerdem kann zu wenig Eiweiß die Arbeit des Immunsystems hemmen, zu einer verschlechterten Wundheilung führen und steht sogar im Verdacht, die Entwicklung von Demenz zu begünstigen. Fleischkritiker äußern, dass es auch gute pflanzliche Quellen für diese Nährstoffe, wie Hülsenfrüchte, gäbe. Das ist zwar korrekt, jedoch sind diese Lebensmittel schwerer verdaulich und die Nährstoffe damit komplizierter aufzuschlüsseln (niedrigere Bioverfügbarkeit). Beim alten Menschen potenziert sich dieser Effekt zusätzlich, da es der gealterte Verdauungstrakt damit noch schwerer hat.

Gerne ein zweites Steak kaufen

Viele Rentner in Deutschland haben mit Armut zu kämpfen. Die Rente reicht nicht aus, und es muss an jeder Ecke gespart werden. Die Kosten für Heizung und Strom steigen, es bleibt immer weniger von der Rente übrig. Wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehe, sehe ich Senioren, die Nudeln, Brot oder den billigen Joghurt im Einkaufswagen haben. Vielleicht liegt da noch eine reduzierte Wurst, in der aber durch den Verarbeitungsprozess fast nichts mehr von den gehaltvollen Nährstoffen enthalten ist. Sie würden sich bestimmt auch gerne ein Steak kaufen, aber dann wüssten sie zur Hälfte des Monats nicht mehr, wovon sie die zweite Hälfte leben sollten.

Auch in Senioreneinrichtungen sieht es nicht viel besser aus. Dort bekommen die Bewohner zwar regelmäßige Mahlzeiten, aber deren Nährstoffniveau liegt nicht selten unterhalb der Norm. Um die Kosten für die Mahlzeiten gering zu halten, können in den meisten Einrichtungen keine hochwertigen Lebensmittel verwendet werden. Denn 110 Euro (knapp 4 Euro pro Tag) stehen pro Monat für die Ernährung (also Essen und Trinken) eines Bewohners zur Verfügung. In einigen Einrichtungen sollen es sogar nur 2 Euro pro Tag sein. Auch das Wissen über Mangel- und Fehlernährung ist nicht immer da.

Während sich bei unseren schweizerischen und auch österreichischen Nachbarn in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern spezialisierte Ernährungsmediziner oder Diätassistenten um eine angepasste Ernährung kümmern, wird das Thema hierzulande stiefmütterlich behandelt. Sowohl quantitative als auch qualitative Mangelernährung, und damit die gesamte Bandbreite an Nährstoff- und Vitaminmängeln, sind die Folge. Die Ursachen für Mangelernährung im Alter sind vielfältig: Krankheiten, Schluckstörungen, schlechte Zähne, Einsamkeit und dadurch keine Lust aufs Essen, aber durchaus auch finanzielle Engpässe und folgend eine zu geringe oder unausgewogene Nahrungsaufnahme.

Ein Bochumer Seniorenzentrum ist so innovativ, um ganz im Habeckschen Sinne den Fleischkonsum und damit den CO2-Fußabdruck der Bewohner zu reduzieren, dass es bewusst und gezielt Fleisch im Speiseplan reduziert. Die Vorgehensweise besticht durch Einfachheit. Die Menge des Fleischs in einer Portion wird einfach reduziert (Bratwurst 100 g statt früher 140 g) und einmal pro Woche ist ein obligatorischer vegetarischer Tag. Auch abseits der gesundheitlichen Folgen frage ich mich, ob ein hochbetagter Mensch seine Esskultur umstellen muss, denn Tofu oder andere Fleischersatzprodukte gehören nicht zum typischen Nahrungsmittelsortiment von Senioren. Die Gewohnheit isst mit und neue Lebensmittel, die ein alter Mensch nicht kennt und die vielleicht auch einfach nicht schmecken, machen keinen Appetit, vor allem, weil viele Senioren ohnehin an Appetitlosigkeit leiden.

Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Eier oftmals nicht erschwinglich

Diese wahnwitzigen Ideen lenken oft von der traurigen Realität der Altersarmut ab. Die Ernährung im Alter ist ein wesentlicher Pfeiler für die Erhaltung von Gesundheit und die Prävention von Krankheiten. Insbesondere wichtig ist diese bei heutigen Senioren, da diese im Krieg oder in den Nachkriegsjahren häufig bereits unter einer unzureichenden Kindheitsernährung (die für die körperliche Entwicklung elementar ist) leiden mussten; so sollten wir Ihnen zumindest heute die Grundlage für körperliche Funktionalität bieten. Gesunde tierische Lebensmittel wie (unverarbeitetes) Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Eier sind für Senioren oftmals nicht erschwinglich. In einem Land, in dem richtigerweise Millionen in die Hochleistungsmedizin gesteckt werden, damit jeder Mensch unabhängig von Alter die maximale Behandlung bekommen kann, ist es grotesk, dass an der vergleichsweise wenig aufwändigen und günstigen Ernährung gespart wird. Teilweise können die Erfolge einer Behandlung durch eine unzureichende Ernährung wieder einreißen oder aber durch eine passende Ernährung sogar optimiert werden.

Fleisch ist besser als sein Ruf, als eines der ältesten Lebensmittel begleitet es die Menschheit seit jeher, es ist Genuss und wertvoller Energie- und Nährstofflieferant zugleich. Die kruden Fantasien vom Fleischsozialismus eines Herrn Habeck würden katastrophale Folgen für die Rentner in diesem Land haben. Eine Partei, die sich dem Kampf für soziale Gerechtigkeit verschrieben hat, muss sich endlich klar positionieren, ob man die Lebensqualität älterer Menschen in Deutschland wirklich verbessern möchte oder, ob die Oma (oder auch der Opa) doch nur die störende Umweltsau auf dem Weg zur Klimanation ist.    

 

Michal Kornblumgeb. 1997, ist Studentin aus Münster. Sie schreibt für den Jugendblog Apollo News, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.

Foto: Deutsche Fotothek‎ CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Martin Müller / 02.06.2020

Mindestpreis für Fleisch? Das hört sich nach Planwirtschaft an. Also staatliche Unterstützung für Fleischfresser, die es sich nicht leisten können…. Also zielt die Maßnahme darauf, den Armen das Fleisch zu rationieren. Schließlich wird ja laut Grünen zu viel Fleisch konsumiert in Deutschland. Muss man nur aufpassen, dass schwarz Schlachten nicht wieder populär wird bei den hier schon länger Lebenden…

Andreas Rühl / 02.06.2020

Klasse geschrieben, knackig, ein Genuss. So muss journalismus sein.

Marco Müller / 02.06.2020

Manchmal frage ich mich wirklich, ob die Menschen in Deutschland so langsam gehirnalbern werden ... dann stoße ich aber auf eine Seite wie die Apollo-News und merke, dass es da Gott sei Dank noch einen klar denkenden “Nachwuchs” gibt. Apollo-News, You made my day ... DANKE

Sirius Bellt / 02.06.2020

Wer das Essen in Seniorenheimen jemals probiert hat, weiß dass das oft an Körperverletzung grenzt. Deftiges Essen wird häufig gesüßt. Die Qualität ist unterirdisch und deshalb essen viele Senioren verständlicherweise viel zu wenig. Mehr Klasse statt Masse, wäre schon ein erster Schritt. Wenn dreiviertel der Mahlzeit im Müll landet, ist das wenig effektiv.

Karsten Dörre / 02.06.2020

Abwechslungsreich sollte die wöchentliche Nahrung sein. Das ist in Kantinen und Schulen schon immer so gewesen. Ob es geschmacklich heranreicht ist was anderes, wenn man sich den Tagespreis anschaut, ok. Eines dieser verschiedenen Nahrungsmitteln staatlich zu verteuern und somit vom Speiseplan zu streichen, weil gerade ein Mann im Ohr brummt, ist Drangsalierung und hat mit weiser Politik nichts gemein. Wenn man es von einer anderen Seite betrachtet, warum soll Menschheit den Tieren ihr Grünfutter wettfressen?

Gunther Martin / 02.06.2020

Diese Arroganz der Grünen inklusive FFF-Hüpfer gegenüber Arbeitnehmern (ja, und -innen) und allen, die mit einem geringen Einkommen auskommen müssen, ist maßlos! Fleisch? Muss teurer werden! Benzin?  Muss teurer werden! Heizöl sowieso. Fliegen? Ordentlich Abgabe drauf, reicht ja, wenn die grünen Spitzenverdiener fliegen, der Pöbel so gefälligst Urlaub am Baggersee machen. Autokaufprämie für Pendler? Die sollen sich doch nen Elektroporsche kaufen, wenns nach denen ginge. Nein die Grünen sind nur noch für besserverdienende Besserwisser wählbar!

Ludeloff Klaus / 02.06.2020

Auf die Alten können Habeck und sein Gefolge gerne verzichten, denn sie gehören mehrheitlich nicht zu der Wählerklientel der Grünen. Wenn also die Dezimierung der Alten durch Ernährungsumstellung erreicht werden kann, dann ist das für die Verteidiger der Umweltsau-Satire ein gewiss nicht unwillkommener Effekt.

Marc Blenk / 02.06.2020

Liebe Frau Kornblum, ein klasse Artikel, gerade für jemand wie mich, der sehr gerne und ich glaube auch gut kocht und der im Essen das Sinnliche sieht… Komplett unideologisch, menschlich und dran an der Wirklichkeit.

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