Georg Etscheit / 23.05.2021 / 16:00 / Foto: Pixabay / 66 / Seite ausdrucken

Gretchen, soll es ewig regnen?

Es gibt gutes Wetter und schlechtes Wetter. Gutes Wetter ist, wenn es warm ist und die Sonne scheint, schlechtes, wenn es kalt ist und regnet. Soweit nicht besonders kompliziert. Man erinnert sich vielleicht noch an Rudi Carrells berühmten Song von 1975 „Wann wird's mal wieder richtig Sommer?“ Oder Gerhard Polts Sketch aus seiner Sendung „Fast wia im richtigen Leben“: Eine bayerische Familie urlaubt im früheren Jugoslawien in einem heruntergekommenen Ferienhaus, Tito-Porträt an der Wand, es regnet ununterbrochen, aber Vati versucht, die genervte Gattin und die erkälteten Kinder bei Laune zu halten. Bald werde es besser: „Das ist doch Mittelmeerraum.“ Doch es hört nicht auf zu schütten. Der Nachbar erscheint im Ölzeug und verkündet seine vorzeitige Abreise: „In Deutschland – Traumwetter!“ Damals war ein verregneter Sommer ein schlechter Sommer.

Deutschland ist zwar nicht Mittelmeerraum, obwohl man die letzten Jahre manchmal dachte, jetzt wäre es endlich soweit und Palmen in Bayern lägen in Reichweite. Aber nun das: Seit einem gefühlten halben Jahr Regen, Regen, Regen und nicht enden wollende Kälte. Kältester April seit 40 Jahren! Auch der Mai macht bislang wenig Anstalten, die Scharte auszuwetzen. Jetzt haben wir schon die Mitte des angeblichen Wonnemonats überschritten und immer noch läuft ohne Steppjacke und Wollmütze nichts, wenn man sich nicht erkälten will. Erkälten darf man sich nicht, weil es sonst gleich heißt, man habe Corona. Man braucht sich auf der Straße nur mal räuspern, da schauen einen die Leute schon scheel an und machen einen Riesenbogen um einen.

Schlimm ist, dass sich keine durchgreifende Änderung der „eingefahrenen Wetterlage“ einstellen mag. Noch schlimmer ist, dass man sich nicht mehr, wie Rudi Carrell, über das Schietwetter beklagen darf. Im Gegenteil. Wenn heute die Rede aufs Wetter kommt, und sie kommt immer und überall ebenso zuverlässig aufs Wetter wie auf die „Pandemie“, heißt es: „Warum regen Sie sich denn auf? Die Natur braucht den Regen.“ Oder, etwas persönlicher, als sei die Natur der gute Kumpel von Nebenan: „Die Bäume freuen sich“. Heute ist schlechtes Wetter gutes Wetter.

„Klimaleugner“ reiben sich schon die klammen Hände

Die Umwertung aller Werte, sie funktioniert prächtig. Pandemie ist, wenn in Kliniken so wenig los ist wie noch nie, Kinder lernen besser zu Hause am Computer und zwei mal zwei ist fünf. Im Übrigen bin ich als Mensch auch Natur und freue mich nicht!

Gerade hat Söder, der größte Ministerpräsident aller Zeiten, die Biergärten und die Außengastronomie wieder öffnen lassen und jetzt herrscht gähnende Leere, weil es selbst für hartgesottene Schwabinger Öko-Hipster zu kalt ist, um länger in einem der eilig aufgeschlagenen „Schanigärten“, die die Stadt München wie einen riesigen Wertstoffhof erscheinen lassen, bei einer Bio-Rhabarberschorle zu verweilen. Schlotternd drängen sich die Menschen, wenig pandemiegerecht, zwischen den Plexiglastrennwänden, die weniger dem Schutz vor ansteckenden Aerosolen als der Abwehr von Luftmassen polaren Ursprungs dienen. Heizpilze sind unerwünscht, weil Klimakrise herrscht.

Apropos: Die Mainstreammedien mühen sich wacker, jeden Tag die neueste Horrormeldungen von der Klimafront zu präsentieren, um angesichts dieses Bibberfrühlings keine defätistische Stimmung aufkommen zu lassen und den „Klimaleugnern“, die sich schon die klammen Hände reiben, keinen Vorschub zu leisten. Gerade ist wieder ein Eisberg in der Antarktis abgebrochen, in Kalifornien brennt es bereits, obwohl erst Frühling ist. Ach, Frühling! Und das Regendefizit der letzten Jahre soll immer noch nicht ausgeglichen sein. Schweine, soll es ewig regnen?

Über das bisschen Frösteln im Mai nicht aufregen

Erst „Märzwinter“, dann ein viel zu kalter April mit Nachtfrösten ohne Ende und jetzt ein ebenfalls unterkühlter, gar nicht wonniger Mai. Wie es aussieht, dürfte es das kälteste Frühjahr seit 1987 werden. „Dass wir nun erstmals wieder einen wirklich kalten Frühling erleben, ist ein klarer Hinweis auf den schnell fortschreitenden Klimawandel“, heißt es in einem Wetterportal. Diese Logik erschließt sich mir nicht auf den ersten Klick. Aber eins habe ich gelernt: Warm ist immer Klima, kalt nur schlechtes Wetter.

Die Deutschen sind das einzige Volk auf der Welt, mit Ausnahme vielleicht von einigen Nomadenstämmen in der Sahara, die sich über Regen und Kälte freuen wie die – passt hier einfach gut – Schneekönige. Andere Völker, Italiener, Franzosen, Griechen, blühen auf, wenn sich das Thermometer schon im Mai an die 30-Grad-Marke heranpirscht, räkeln sich satt in der Sonne und hoffen inständig, dass es sich mit Regen und Kälte bis zum nächsten Winter erledigt hat. Die Deutschen dagegen schütteln besorgt den Kopf, wenn sich doch mal ein Hoch bequemt, sich über unserem kalten und dunklen Land einzunisten, über das Heinrich Heine befand, ein deutscher Sommer sei ein grün angestrichener Winter. Sie räsonieren über den Klimawandel und die bevorstehende Apokalypse und überlegen, was man „der Natur“ noch Gutes tun könne.

Und wir Deutsche haben ja wirklich so vieles wiedergutzumachen. Angesichts eines über Jahrhunderte aufgehäuften Schuldenkontos von Kolonialismus, rücksichtsloser Industrialisierung, Frauenverächtung, Nationalismus, Nazismus und Jahrzehnte langen schändlichen Wohllebens darf man sich über das bisschen Frösteln im Mai nicht aufregen. Wir haben es verdient!

Wobei all dies, wohlgemerkt, nur fürs eigene Land gilt. Denn wenn die Deutschen verreisen, wollen sie am Strand einen makellos blauen Himmel und Wärme ohne Ende. Da darf kein Wölkchen das ewige Sommerfeeling trüben. Und die Klimakrise ist auf einmal ganz weit weg.

Foto: Pixabay

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Gerald Schwetlik / 23.05.2021

Die Ansammlung von Weltuntergangsnachrichten im ÖRF ist mir auch aufgefallen. Noch schlimmer wird es, wenn man die Veröffentlichungen auch liest. Was für ein Hasenkram, das würde sich niemand erlauben können, der nicht Klimafolgenforscher ist. Wer glaubt, das man so was hochkomplexes wie das chaotische Klima dieses Wasserplaneten mit einem einzigen Wert, dem eines Spurengases in der Atmosphäre, vor und zurück fahren könnte, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Aber ist ja alles nur Physik!

Jochen Schmid / 23.05.2021

Bei Rudi Carrell war seinerzeit die SPD Schuld, heute wären es wohl eher die Grüninnen.

Bernd Ackermann / 23.05.2021

Letzte Woche war ich beim Arzt, “warten Sie bitte draußen, es dauert noch einen Moment”, sagte die junge Frau an der Anmeldung zu mir. Ins leere Wartezimmer durfte ich nicht, wozu trage ich eigentlich diese beschissene Maske? Der Moment dauerte dann 50 Minuten mit Regen und Wind, ich war für Arztbesuch und nicht für Outdoor-Adventure gekleidet. Danach in der Apotheke dasselbe, zwei Kunden bereits drin, ich stelle mich unter den Türstock um wenigstens etwas geschützt zu sein, “Sie müssen draußen warten!” Abends kratzte es dann im Hals und die Nase lief. Toll. Demnächst geht das Rezept per Post in die Online-Apotheke, geht doch pleite ihr Idioten, mich seht ihr nicht mehr. Ende April Blümchen für die Terrasse gekauft, man wusste ja nicht ob die Kommunistin in Berlin wieder alles dicht macht. Ein Teil erfroren, der Rest von Wind und Regen gebeutelt, da blüht nichts mehr. Und noch kein einziges Mal draußen gesessen. Über der Irischen See rotiert schon die nächste Regenfront, der Regen ist gut für die Natur - ja, leckts mich doch, bin ich vielleicht kein Teil der Natur? So langsam bin ich maximal ungehalten, meine Zündschnur wird immer kürzer.

Bernhard Freiling / 23.05.2021

@dr.goetze + Wie ich das nicht mag - meine schlechten Witze auch noch erklären zu müssen. ++ Sind wir uns einig? Obama gehört zu den Klimagläubigen. Zu denen, die meinen, wir werden verbrennen, ersatzweise ersaufen. Was tut er? Kauft ein Haus direkt an der Küste. Was m.E. ganz deutlich darauf hin weist, daß dieser Mann an alles Mögliche glaubt, aber nicht an ein gefährliches Ansteigen des Meeresspiegels. Was er Ihnen und mir aber als kommendes Szenario verkauft.  Mein “Vor dem Deich” war drum eher als Metapher zur Unterstützung dieses Gedankens gedacht. ++ Friede!

R. Matzen / 23.05.2021

Dr. Meeno Schrader, seines Zeichens Diplom-Metereologe und „Wetterfee“ beim Schleswig-Holstein-Magazin des Norddeutschen Rundfunks, sagte vor Jahren, also so lange schon gucken wir nicht mehr, für den nächsten Tag zum wiederholten Male tropische Temperaturen für Schleswig-Holstein voraus. Die Moderatorin, an deren Namen zu erinnern ich mich weigere, wollte ihn im Anschluß animieren, die Hitze doch bitte dem Klimawandel zuzuschreiben. Was er nicht tat. Respekt!

Ulrich Horst / 23.05.2021

Extrem normal, dass es mal länger regnet. Seht ihr, Kinder, das Wetter wird immer extremer.

Milan Viethen / 23.05.2021

Genau @ Hr. Lachmut, deshalb verbraucht mein naechstes Auto 15 l, derzeit schafft mein jetziger nur 13,5 l / 100. CO2 ist durch nichts zu ersetzen als durch noch mehr CO2 . Die Sahara wird gruener, Deutschland leider auch . Prost !

Dietmar Blum / 23.05.2021

@ Rolf Mainz / 23.05.2021: “Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang Wir leben nicht mehr lang Wir leben nicht mehr lang Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang Wir leben nicht, wir leben nicht mehr lang Doch keiner weiß in welchem Jahr Und das ist wunderbar Wir sind vielleicht noch lange hier Und darauf trinken wir”

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