Claudio Casula / 25.03.2022 / 12:00 / Foto: Henyk M. Broder / 100 / Seite ausdrucken

Frieren für die Weltrettung

Es mehren sich die Verzichtsappelle der Politiker. Wir sollen frieren für den Frieden, fasten fürs Klima und allgemein darben für eine bessere Welt. Mit „wir“ sind sie selbst nicht gemeint. Schade!

Zwölf Jahre ist es her, da sprach sich der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin gegen Sozialtarife für Heizung und Strom aus. Stattdessen sollten die Leute ihren Energieverbrauch einschränken und die Zimmertemperatur drosseln: „Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können.“ Sein Vater habe morgens „die Koksheizung befeuert und sie erst am Abend, wenn er von der Arbeit zurückkam, wieder angemacht. Das hielt dann immer gerade für 16 Grad. Ich habe es überlebt." Für diese Äußerung erntete Sarrazin allgemeine Empörung, man warf ihm „soziale Kälte“ vor. Spätestens jetzt ist der aus der SPD ausgestoßene Politiker rehabilitiert. 16 Grad? Da geht noch was! Wer bietet weniger?

Zum Beispiel der Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Peter Hauk. Der hält es für zumutbar, wenn die Deutschen auch mal etwas frösteln müssen: „15 Grad im Winter hält man mit Pullover aus. Daran stirbt niemand“, sagte der CDU-Mann eben. Am Verzehr einer Dose Surströmming zwar auch nicht, aber nun sollen wir offenbar schon zufrieden mit dem sein, was uns nicht gleich umbringt. Hauks Aussage liegt im Trend, schließlich hat schon Altbundespräsident Joachim Gauck kürzlich in der Talkshow bei Sandra Maischberger postuliert: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben.“

Ganz offensichtlich werden die Bürger der ach so reichen Bundesrepublik gerade auf eine Ära des Verzichts eingeschworen. Am besten, man fängt gleich bei den Kleinen an, dann machen sie sich keine falschen Hoffnungen. Also wird ein „Warmer-Pulli-Tag“ in Düsseldorfer Schulen und Kindertagesstätten veranstaltet und ein „Dicker-Pulli-Tag“ für Klima & Frieden von einer Nichtregierungsorganisation. Bekanntlich hat schon Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) höchstpersönlich Schülern Tipps gegeben, wie sie sich in der Corona-Krise auch in richtig kalten Klassenzimmern warmhalten können: „Vielleicht macht man auch mal eine kleine Kniebeuge oder klatscht in die Hände.“ Außerdem müssten sich Schüler eventuell etwas Wärmeres zum Anziehen mitbringen.

Der Eintopfsonntag lässt grüßen

Dieselbe Frau hatte ja schon Anfang 2020 in Davos nicht weniger als „Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß“ angekündigt: „Die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns angewöhnt haben, werden wir in den nächsten 30 Jahren verlassen“, sagte sie damals, und das war durchaus als Drohung zu verstehen. Denn wo gehobelt wird, da fallen Späne, und wenn Finanzminister Christian Lindner einräumt, es werde einen volkswirtschaftlichen Wohlstandsverlust geben („Man kann das übersetzen, dass wir alle ärmer werden“), dann sollten wir das sehr ernst nehmen. Man stellt uns eine „neue Normalität“ in Aussicht, in der gebibbert und verzichtet wird.

Zum Beispiel auf den Fleischkonsum nach Lust und Laune. Der ist insbesondere den Grünen seit jeher ein Dorn im Auge; spätestens seit der Forderung nach einem „Veggie Day“ für deutsche Kantinen wissen wir, dass sie uns auch ins Essen hineinquatschen wollen. Nun wird der Verzicht mit hehren Motiven unterfüttert, etwa mit dem „Fasten für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit“. Oder die Askese als Mittel gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine gepriesen: „Weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Herrn Putin“, sagte doch tatsächlich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dieser Tage, ohne dass ihm der Interviewer spontan ins Gesicht lachte. Kann es sein, dass es bis zur Forderung nach frugaleren Mahlzeiten, ja nach einem Eintopfsonntag nicht mehr lange dauern wird? Der war Anfang Oktober 1933 vom NS-Regime eingeführt worden. Gaststätten sollten an allen Tischen das gleiche Eintopfgericht zu Festpreisen servieren, das eingesparte Geld ging ans Winterhilfswerk. Ersetze Winterhilfe durch Klimaschutz und wir haben es.

Der Eintopfsonntag konnte übrigens bis ins Detail geregelt werden. Für den 14. Oktober 1934 etwa waren in Kassel lediglich folgende drei Eintopfgerichte zugelassen: 1. Löffelerbsen mit Einlage; 2. Nudelsuppe mit Rindfleisch; 3. Gemüsetopf mit Fleischeinlage (zusammengekocht). Zu Löffelerbsen „Einlage" entweder Wurst, Schweineohr oder Pökelfleisch. Ein grüner Traum, bis auf die toxischen Fleischeinlagen natürlich, die müssten durch Tofu ersetzt oder ersatzlos gestrichen werden. Wer weiß, vielleicht erlebt ja das legendäre Eintopf-Kochbuch von Erna Horn dereinst ungeahnte Neuauflagen.

Das Auto als Relikt des 20. Jahrhunderts

Es wird also alles vom fürsorglichen Nanny-Staat in die Hand genommen: was wir sagen und denken sollen, was wir essen, wie hoch wir die Heizung aufdrehen dürfen – und natürlich auch, ob wir weiter Autos besitzen, oder jedenfalls vorerst, wann wir damit fahren dürfen. Schon liebäugeln manche Volksvertreter mit den „autofreien Sonntagen“ des Jahres 1973, die seinerzeit wegen der Ölkrise angeordnet worden waren. Grundsätzlich sollen aber Schusters Rappen, Lastenfahrräder und bestenfalls Bus und Bahn die Mobilität der deutschen Zukunft prägen.

Bettina Jarasch, Berliner Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, hat schon freimütig erklärt, wohin die grüne Reise geht: „Grundsätzlich wollen wir den motorisierten Individualverkehr beenden.“ Das findet auch die Grüne Jugend, in der die dümmsten Ideen zuerst ausgeheckt werden, bis man sie schließlich durch den vorzeitigen Einzug der Urheber in den Bundestag ohne Umweg über lästige Ausbildungsgänge früher oder später in Gesetzesform gießt. „Es wird nicht reichen, die Verbrennungsmotoren durch Elektroantriebe zu ersetzen. Die Autos müssen von der Straße“, heißt es dann, und: „Die Studie bedeutet eine Abkehr vom Auto, wie wir es heute kennen. Das ist richtig. Das Auto ist ein Relikt des 20. Jahrhunderts.“

Das Auto ist ein Relikt des 20. Jahrhunderts. Und das Flugzeug natürlich auch, weswegen die Grünen eine Abschaffung von Kurzstrecken- und Billigflügen fordern. Wäre ja noch schöner, wenn sich die Prolls weiter auf Mallorca sonnen können! Die hat man schließlich immer schon verachtet. Sollen sie mal schön in Balkonien bleiben.

Na gut, Ihr Freund*innen der Entbehrungen, wir können über alles reden. Aber erst, wenn die Politik mit leuchtendem Beispiel vorangeht. Langzeitstudien werden zeigen, wie gut Beamte mit sportlichen 15 Grad Raumtemperatur in Verwaltungsgebäuden und Ministerien zurechtkommen, und die Streichung des Gauck'schen Ehrensoldes in Höhe von 236.000 Euro für ein temporäres Weniger an Lebensglück und Lebensfreude ist natürlich ebenso ein Muss wie das Verbot von Kurzstreckenflügen politischer Mandatsträger – Frau von der Leyen hat dann eben für die Strecke von Wien nach Bratislava doch den ollen Zug statt des coolen Jets zu nehmen. Und in Sachen Lebensmittel müssen selbstverständlich auch genussfreudige Zeitgenossen wie Peter Altmaier, Helge Braun oder Ricarda Lang den Gürtel enger schnallen.

Wir machen das mal ein Jahr lang so. Bis dahin bitten wir, von weiteren Verzichtspredigten verschont zu bleiben. Deal?

Foto: Henyk M. Broder

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Albert Pflüger / 25.03.2022

Ich bin ja immer dankbar für gute Vorschläge, behalte mir allerdings vor, sie eventuell abzulehnen. Insbesondere, wenn sie auf mißvergnüglichen Verzicht hinauslaufen.

giesemann gerhard / 25.03.2022

@Peter H.: Sie haben NICHTS, aber auch gar nichts verstanden. Natürlich hat dina weis recht, aber sowas von. Und ums “Aussieben” geht es schon gar nicht, es genügte, wenn es die Hyperfertilen so machen täten wie wir in Europa, in Japan mit unseren 1,5-Kind-Frauen. Das “Aussieben” kann aber noch verstärkt kommen, wenn der Kampf um die Ressourcen immer härter wird - dann jedoch ist alles Gejammere zu spät. Mal ein paar Jahrzehnte eine Milliarde weniger als eine mehr - und schon wäre alles gut, immer besser, entspannter, Jahr für Jahr.  Schon die These “wir sind ein Volk ohne Raum” vergessen? Damit hat so ein Volk ohne Raum einen grausamen totalen Krieg um Ressourcen krachend verloren, Sie erinnern sich? Und dann wurden sie ordentlich zusammen gepfercht, durch beträchtlichen Landverlust. 230 Einwohner pro km². Dina Weis muss gar nichts beweisen, @Dr. H, die Sache ist denn doch zu offensichtlich. Der “Club” hat recht, auch wenn nicht alle seine Prognosen und Szenarien eingetroffen sind. Wollen Sie es darauf ankommen lassen, für ihre Kinder, Enkel? Bitte sehr. Sind ja nicht meine. Wer solche Eltern hat, braucht keine Feinde mehr. Also ich, als ich noch ein Kamikazeflieger war, habe den Geier Sturzflug immer abgebrochen, BEVOR ich zu schnell war und das Ding in der Luft abmontieren konnte, beim Abfangen. Nur wenn es zum echten Einsatz kommt, dann isses egal, wie schnell du unten aufrumst. Wirste schon nicht so leicht abgeschossen ... . Alle reden vom Vögeln - WIR fliegen. Und: Make love, not babies, alles klar?

Bärbel Witzel / 25.03.2022

Die dunkle Triade Anscheinend schlüpfen die Mitglieder der etablierten Parteien wohl gerne mal in die Rolle der NSDAP. Von 2002 bis 2005 war es Rot/Grün. Nach Goethe´s Farbenlehre ergibt rot und grün = braun. Ab 2005 übernahm die CDU mit Angel Merkel die Rolle. Die deutschen Grünen sind die Nachfolge-NSDAP.  Manchmal ändern sich ganz einfach nur die Vorzeichen. Schon am 07.07.2013 titelte The Jerusalem Post “The Nazi roots of the German Greens. (Trailer: Das grüne Reich). “Black” Fridays for Future and Submission. In Deutschland gibt es ja ganz bestimmte “Black Fridays”.

Thomas Müller / 25.03.2022

Ich mietete während meines ersten Studiums, im kalten Clausthal-Zellerfeld (Harz), für 200 Mark eine große, unisolierte Dachgeschoßwohnung. Wenn ich im Winter die Gasheizung einschaltete, waren erstmal 10-20 Mark weg! Wir reden hier von Zimmertemperaturen von 10 bis 15°C!!! Bei 20°C kamen am Tag locker mal 30 bis 50 Mark Kosten zusammen! Mehrere Winter verbrachte ich so in Jacke und mehreren Pullovern, Jede Aussenwand war voller Schimmel, gelüftet wurde nie!!! Nachts klapperte ich mit den Zähnen, trotz Pullis, Jacken und Daunendecken! Das will ich NIE WIEDER erleben und wünsche das keinem auf der ganzen Welt, nicht einmal diesem Abschaum, der sowas ernsthaft vorschlägt!

Gerhard Schäfer / 25.03.2022

@Peter Holschke: Zu “Ja mit Hunger und Kälte bekommt man dezent Leute weg, was man mit Corona noch nicht hinbekommen hat.” // Sie haben Recht, mehrfach “Geboosterte” mit kaputten Immunsystemen haben bei Raumtemperaturen um die 15 Grad C auf Dauer keine große Überlebenschancen! Da schlägt jeder Infekt durch!

A. Iehsenhain / 25.03.2022

Passt doch alles wunderbar zum “Jahr 2022…die überleben wollen”. Schon im Filmklassiker gab es übrigens mit “The Exchange” eine kleine Runde betagter Damen und Herren, die von Sol Roth (alias Edward G. Robinson) besucht werden, wenn er Dinge vor allem aus der Vergangenheit erfahren will (und die ein wenig an den Corona-Ausschuss erinnert, was an dieser Stelle nicht abwertend gemeint sein soll!). Sofern bald eine Art “Soylent Grün” gegen den Hunger angeboten wird, braucht man sich wenigstens nicht zu sorgen, dass dort hinein Altmaier, Braun oder Lang verwurstet sein könnten. Und bei Lauterbach wären die Produktionskosten in der Relation viel zu aufwendig…

Christian Feider / 25.03.2022

@ Frau Wilhelmi nö,bin ich weniger,aber mein Hauptwohnbereich hat Südfenster und normalerweise reicht die Dämmung,um das über Nacht erwärmte Haus eben bis zum naechsten Abend moderat warm (15-17) Grad zu halten. Sie haben aber Ihrerseits völlig Recht,aufgrund der etwas anderen weiblichen Anatomie meckert auch meine Schwester immer, wenn Sie frei hat und DANN muss ich notgedrungen auch morgens nochmal anheizen:) macht aber eben nur an Ihren freien Tagen Probleme oder wenn tagsüber unter -5Grad sind,dann haut die Rechnung leider auch nicht mehr hin

R. Reger / 25.03.2022

Kleine Frage: Woher wird eigentlich die Ukraine ihr Gas beziehen, wenn das Projekt mal gelaufen ist?

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