Vera Lengsfeld / 15.05.2019 / 06:12 / 87 / Seite ausdrucken

Europawahl: Hingehen, wählen, unbedingt!

Die Analysen meines Freundes Roger Letsch schätze ich sehr. Meistens stimme ich mit ihm völlig überein. Das trifft auch auf seinen Beitrag vom 9. Mai „Europawahl: Meine Stimme für niemand!“ zu. Seiner Analyse des inhaltsleeren Wahlkampfs, der explosiven Fehler der bisherigen Europapolitik stimme ich 100-prozentig zu. 

„Die Risiken durch Handelskriege, gleichzeitiges USA-Bashing, China-Angst und Russland-Embargo, Staatsschulden, erodierende Banken, Eurorettung und diverse weitere politische Fehlentscheidungen sind ohnehin explosiver als alles, was die Chemie an Sprengstoffen bereithält.“

Roger Schlussfolgerung, am 26. Mai nicht zur Wahl zu gehen, halte ich jedoch für ganz falsch, auch wenn sie der gegenwärtigen europäischen Stimmung entspricht. Es wird, besonders in Frankreich, mit einer historischen Wahlverweigerung gerechnet. Das wird die Eurokraten nicht stoppen. Sie haben sich bereits so weit vom Wählerwillen entfernt, dass der Spruch zutrifft: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“. Das Eingeständnis Jean-Claude Junckers, das man lügen müsse, wenn es ernst wird, ist längst zur Handlungsmaxime der Eurokraten geworden.

Die Herrschenden merken sehr wohl, dass der Wind ihnen scharf ins Gesicht weht. Deshalb wird immer wieder beschworen, dass diese Wahl eine „Schicksalswahl“ sei. Tatsächlich haben es die Wähler – vielleicht zum letzten Mal – in der Hand, den „glühenden Europäern“, die gerade dabei sind, den Kontinent zu ruinieren, einen Dämpfer zu versetzen. Je weniger Sitze die „europäische Einheitsfront“ im Europäischen Parlament bekommt, desto schwerer wird ihr das „weiter so“ gemacht. Wenn ein Zug mit voller Kraft auf ein Gebirgsmassiv zuhält, sollte man alle Bremsmöglichkeiten nutzen. Abspringen können wir nicht. 

Es sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein 

Anders als der Deutsche Bundestag, der in den letzten Wahlen immer mehr aufgebläht wurde, hat das Europäische Parlament eine fest begrenzte Sitzzahl. Bei der Europawahl gibt es keine Prozenthürde. Damit haben Kleinstparteien die Chance, einen Sitz zu bekommen. Bei der Auswahl der angetretenen Parteien sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. 

Es gibt zum Beispiel eine Partei, die sich für Volksabstimmungen stark macht, eine für den Tierschutz, für die Alten, für die Familie, für den Humanismus. Es gibt die Piraten, die Freien Wähler, die Humanisten, die direkten Demokraten. Je mehr kleine Parteien Sitze erhalten, desto weniger Abgeordnete können die Altparteien nach Brüssel schicken. Das ist das Einzige, was ihnen wirklich weh tut!

In einer kleinen Partei schaut die Basis in der Regel auch genauer hin, was ihre Vertreter in Brüssel treiben. Da gibt es noch so etwas wie Rechenschaftspflicht. Selbst wenn deren Vertreter tatenlos in Brüssel herumsitzen sollten, ist das immer noch besser, als die Altparteien zu stärken.

Jeder Bürger hat eine Stimme. Die sollte er einsetzen und nicht wegwerfen. Nur wenn eine genügende Anzahl von Wählern einen Stopp signalisiert, werden Veränderungen möglich.

Wer schweigt, stimmt zu!

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Karl Eduard / 15.05.2019

Wer schweigt, stimmt zu, ist der absolute Quatsch. (Werde ich jetzt verklagt?) Wer schweigt stimmt nicht zu, er stimmt auch nicht dagegen, er enthält sich der Stimme aus vielerlei Gründen. Einer davon könnte Resignation sein. Resignation aus der Erkenntnis, daß diese Demokratie nur eine Scheindemokratie ist, hinter deren Kulissen die Strippenzieher, die nie zur Wahl stehen, die Fäden ziehen. Was nützt es für Kasperle, Gretel, den Schutzmann oder das Krokodil ein Kreuz zu machen, wenn der Marionettenspieler den Puppen seine Stimme leiht und die Bewegungen steuert? Ich werde nur wählen, weil ich möchte, daß die, die derzeit von allen Seiten verleumdet und verfehmt werden, im europäischen Parlament ihre Stimme erheben können, auch wenn sie gar keinen Einfluß haben werden. Mir ist auch lieber, es gehen weniger zur Wahl, deren geistiges Level bis zur nächsten Soap im Fernsehen reicht und die dann mangels Intelligenz die wählen, die “Enteignen” oder “Klimaretten” plakatieren. Die sollen sich einen schönen Sonntag machen anstatt die Sache noch schlimmer.

Gert Köppe / 15.05.2019

Lieber Frau Lengsfeld, ich kann Ihnen versichern, sollte ich bis zum 26. Mai nicht noch zufällig vom “Trecker überfahren” werden, “meine Wahl in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf”. An diesem Tag hat die “Altparteien-Clique” ein Problem mehr und eine Stimme weniger. Versprochen!

Sigrid Miller / 15.05.2019

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, ich kann Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Mein Wahlbenachrichtigung ist schon da und selbstverständlich gehe ich gültig wählen. Vielen Dank für den Hinweis auf die fehlende Hürde und die Kleinparteien, das klingt sehr gur und ich werde mir die kleinen Parteien nochmal ganz genau anschauen! Mit besten Grüßen, Sigrid Miller

Werner Arning / 15.05.2019

Oder aber, man wählt die Partei, die unsere anderen Parteien so ganz und gar nicht gewählt sehen möchten. Die Unpartei mit dem Schwefelgeruch, die vor deren Vertreter alle unverzüglich ihre Fenster zu schließen haben. Die, die kleine Kinder verspeisen, die, die in des Teufels finsterer Höhle ein und aus gehen. Die, die mit zweitem Namen Adolf heißen. Nein, nicht die NPD. Nein, die Unaussprechlichen meine ich. Deren Parteinamen man nicht einmal flüstern darf. Die Unberührbaren. Neben denen keiner sitzen will. Die bloß keine Ämter bekleiden dürfen. Denen man niemals die Hand schütteln darf. Die ansteckend sind. Die man Populisten nennt. Die Brunnenvergifter. Die Rattenfänger. Die Brandstifter, die geistigen. Ja, die könnte man auch wählen. Um ein Zeichen zu setzen. Um Stopp zu rufen. Um die Notbremse zu ziehen. Anschließend kann man ja beichten gehen. Beim Pfarrer um Vergebung bitten für die begangene Sünde. Zur Sühne drei „Gegrüsset seist du, Mutti“ beten. Teddybären verteilen. Zu einer grünen Wahlveranstaltung pilgern. Buße tun. Wegen des schlechten Gewissens. Pfui, Pfui, pfui, du Lausebengel. Wie konntest du nur?

George van Diemen / 15.05.2019

Volle Zustimmung. Nix tut so weh wie Sonneborn…

Marc Blenk / 15.05.2019

Liebe Frau Lengsfeld, ich stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Protest durch Verweigerung zur Wahl zu gehen, lässt die Fuhre im Gleis. In diesem Fall (nicht in jedem, wenn es um Wahlen allgemein geht) führt Selbstentmündigung zur Entmündigung durch den Brüsseler Zentralismus.

Karsten Paulsen / 15.05.2019

Ich hätte in jungen Jahren SPD gewählt, später vor Merkel CDU. Wen ich jetzt wähle kann man sicher leicht erraten.

Rolph Martin / 15.05.2019

Hallo Frau Lengsfeld! Was soll ich sagen - Sie haben mir ins Gewissen geredet und mich überzeugt. Als überzeugter Nichtwähler bei Bundestagswahlen (nicht so bei Kommunalwahlen) werde ich dieses eine mal dann doch über meinen Schatten springen und wählen gehen. Mich überzeugt Ihre Erklärung, dass es keine Prozenthürden gibt und dass auch kleine Parteien (siehe Sonneborn) mit am Tisch sitzen. Es stellt sich unweigerlich die Frage,, wenn wir nicht wählen, wie lange werden wir unsere Stimme in der EU noch wahrnehmen können?

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