Die EU-Kommission mischt sich mit Hilfe von Förderprogrammen derzeit bereits zum vierten Mal aktiv in den Journalismus ein. Schauen wir uns die deutschen Förderkandidaten einmal etwas näher an.
In einer auf den 23. Februar datierten Pressemitteilung hat die EU-Kommission bekannt gegeben, dass sie im Rahmen ihrer Journalismus-Partnerschaften innerhalb des Programms „Kreatives Europa“ acht Projekte mit insgesamt zwölf Millionen Euro unterstützen will. Die Projekte sollen Ende 2024 anlaufen und sich über 24 Monate erstrecken. Ziel sei es, „die Widerstandsfähigkeit des Nachrichtenmediensektors und den Medienpluralismus zu stärken“. Die acht zukünftig geförderten Projektträger wurden aus 74 Vorschlägen ausgewählt, die seit dem 25. Oktober vergangenen Jahres bis zum 14. Februar dieses Jahres eingereicht werden konnten. Bereits 2021 unterstützte die Kommission sieben Projekte, wobei 32 Vorschläge eingereicht worden waren. 2022 waren es dann zwölf Projekte aus 64 Vorschlägen und 2023 acht Projekte aus 74 Vorschlägen. Insgesamt werden die Journalismus-Partnerschaften unter dem Dach der Digitalstrategie durchgeführt, mit der die Kommission die Datenwirtschaft in Europa fördern und einen „Binnenmarkt für Daten“ schaffen will.
Über die Digitalstrategie informiert die EU-Kommission: „Die digitale Technologie verändert unser Leben. Mit ihrer Digitalstrategie will die EU dafür sorgen, dass dieser Wandel für Menschen und Unternehmen aufgeht, und einen Beitrag zur Klimaneutralität Europas bis 2050 leisten. Die Kommission ist entschlossen, das kommende Jahrzehnt zur Digitalen Dekade Europas zu machen. Europa muss jetzt seine digitale Souveränität ausbauen und eigene Standards setzen, statt anderen zu folgen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf Daten, Technologie und Infrastruktur liegen.“ Und in diesen Digitalisierungs- und Datenerhebungsplan soll sich also nach den Vorstellungen der EU-Kommission auch der Journalismus einpassen.
In diesem Jahr waren für die Bewerbung um die Journalismus-Partnerschaften zwei Themenfelder vorgegeben: zum einen die grenzüberschreitende Medienzusammenarbeit und zum anderen Finanzierungsprogramme für unabhängige Medien. Berechtigt dazu, zum Thema grenzüberschreitende Medienzusammenarbeit Vorschläge einzureichen, waren öffentliche und private Medien (Print-/Online-Presse, Radio/Podcasts, Fernsehsender usw.) sowie andere Organisationen mit Schwerpunkt auf Nachrichtenmedien (Medienverbände, NGOs, journalistische Fonds und Ausbildungsorganisationen für Medienschaffende usw.). Dabei mussten Konsortien mit mindestens drei Partnern aus mindestens drei verschiedenen Ländern gebildet werden.
Zum zweiten Thema sollten Organisationen spezielle Finanzierungsprogramme für Nachrichtenmedien entwickeln, die „für die Demokratie von besonderer Bedeutung sind (z. B. lokale/regionale Medien, unabhängiger und investigativer Journalismus sowie Nachrichten von öffentlichem Interesse)“. Hier konnten sich u.a. Medienverbände, Stiftungen, NGOs, Behörden, Universitäten, Forschungszentren, journalistische Fonds sowie Ausbildungsorganisationen bewerben. Fragt sich natürlich, was die EU-Kommission unter „Nachrichtenmedien, die für die Demokratie von besonderer Bedeutung sind,“ versteht. Aufschluss darüber könnten möglicherweise die diesjährigen Preisträger geben, die aus 17 EU-Ländern und drei weiteren Ländern (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ukraine) kommen.
NGO für Entwicklungsarbeit im Mediensektor
Aus Deutschland sind die Thomson Foundation sowie das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit SCE Mbh dabei. Schauen wir uns die beiden also einmal näher an.
Die Thomson Foundation stellt sich auf ihrer Webseite wie folgt dar: „Die Thomson Media gGmbH als Partner der Thomson Foundation Group ist führend bei der medialen Bewältigung der großen gesellschaftlichen Themen von heute und hat sich zur Aufgabe gemacht, Medienkompetenz weltweit zu fördern und zu stärken. In Zusammenarbeit mit Regierungen, philanthropischen und institutionellen Gebern entwickeln wir von unserem Sitz in Berlin aus innovative Ansätze zur Medienarbeit. In unseren Programmen bringen wir kritische Themen wie regionale Sicherheit, Klimawandel, Migration und Wirtschaftswachstum auf den Punkt. Die Thomson Media gGmbH ist eine internationale Nichtregierungsorganisation für Entwicklungsarbeit im Mediensektor.“
Gemeinsam mit dem Internationalen Presseinstitut aus Österreich, der Stiftung für Medienentwicklung aus der Ukraine sowie dem Balkan Investigative Reporting Network aus Bosnien und Herzegowina führt der deutsche Ableger der Thomson Foundation nun das Projekt „MIE“ durch. Diese Abkürzung steht für „Media Innovation Europe: Independence Through Sustainability“, auf Deutsch etwa: „Medieninnovation Europa: Unabhängigkeit durch Nachhaltigkeit“. Auf der Webseite des Projekts ist u.a. von der „Beschleunigung des Übergangs“ („Transition Accelerator“) die Rede. Damit ist gemeint, dass die grüne und digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft vorangetrieben und entsprechend journalistisch aufbereitet werden soll. MIE will nach eigenen Angaben „die Medien auf dem gesamten Kontinent verändern“ und „Medienunternehmen dazu ermutigen, über den Tellerrand zu schauen, neue Geschäftsideen zu entwickeln und zu testen sowie neue Einnahmequellen zu erschließen“. Denn „professionelle und unabhängige Medien“ bräuchten „Unterstützung und Anleitung“. Klingt alles recht schwammig, ist der EU-Kommission jedoch 1.756.298 Euro an EU-Mitteln wert.
Sogar 2.996.542 Euro stellt die EU-Kommission für das zweite Projekt mit deutscher Beteiligung bereit: Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit mit Sitz in Leipzig zeichnet zusammen mit dem Internationalen Presseinstitut (Österreich), der Stiftung European Journalism Centre (Niederlande) und der Arena For Journalism In Europe (ebenfalls Niederlande) verantwortlich für das Projekt „Investigativer Journalismus 4 EU“ (IJ4EU), das erstmals 2018 ins Leben gerufen wurde. Neben Zuschüssen bietet das Projekt Schulungen, Coaching, digitale Tools für die Zusammenarbeit, rechtliche Unterstützung und Präsentationen auf verschiedenen Foren.
Co-Finanzierung durch Soros-Foundation
Der IJ4EU-Fonds startet seinerseits Ausschreibungen für „Watchdog-Reporter“ in Europa und stellt für investigative Journalisten, die grenzüberschreitend zusammenarbeiten wollen, Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro zur Verfügung. Bis zum 31. März können sich noch Journalistenteams jeder Art – einschließlich Nachrichtenredaktionen und spezialisierte investigative Medien – darauf bewerben. Insgesamt vergibt der IJ4EU-Fonds 2024/25 zwei Millionen Euro an Zuschüssen, „um grenzüberschreitenden investigativen Journalismus als öffentliches Gut“ sowie die „Nachhaltigkeit der europäischen Demokratie“ zu unterstützen. Bewerben können sich Journalisten aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten sowie aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Island, Liechtenstein, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Serbien und der Ukraine. IJ4EU wird übrigens nicht nur von der EU, sondern beispielsweise auch von den Open Society Foundations gefördert, deren Gründer George Soros ein gigantisches Vermögen mit Spekulationen an der Börse erwirtschaftet hat – etwa mit seinen Wetten gegen die Bank of England 1992 – und der sich auch gerne in die Politik einmischt. Dabei unterlaufen ihm jedoch regelmäßig Fehleinschätzungen.
So forderte Soros im Jahr 2007 Israel auf, der radikal islamistischen Bewegung Hamas die „Tür zu öffnen“, da deren politischer Flügel „moderater“ und „verantwortungsvoller“ sei als ihr militärischer Arm. Auch seine Stiftung fällt immer wieder unangenehm auf und veröffentlichte beispielsweise Studien, in denen die Vollverschleierung muslimischer Frauen in Europa als Befreiungsakt gewürdigt wird. Darüber hinaus wird IJ4EU noch von weiteren Stiftungen unterstützt, wie etwa von der Isocrates Foundation, die sich u.a. der „Bekämpfung von Desinformation“ verschrieben hat, und auch von der Stadt Leipzig. Denn dort fand am 31. März 2023 die Verleihung des IJ4EU Impact Award statt. Der IJ4EU Impact Award, mit dem herausragende Leistungen in der Berichterstattung über grenzüberschreitende Themen gewürdigt werden, wird jährlich an drei Teams europäischer grenzüberschreitender investigativer Journalisten verliehen. Aktuell werden bis zum 31. März dieses Jahres wieder neue Bewerbungen angenommen.
Zwar wird seitens des IJ4EU ausdrücklich betont: „Unabhängigkeit ist eine zentrale Säule des IJ4EU-Fördermodells. Die Geldgeber des IJ4EU-Fonds dürfen keinen Einfluss auf die Auswahl der Projekte nehmen, und die IJ4EU-Projektpartner verpflichten sich, die redaktionelle Unabhängigkeit der Stipendiaten zu wahren.“ Doch wie „investigativ“ können Journalisten-Teams tatsächlich sein, die von einer Organisation unterstützt werden, die ihrerseits wiederum mit üppigen EU-Geldern ausgestattet wird? Ist von ihnen zu erwarten, dass sie die Politik-Agenda der Kommission von der Leyen kritisch durchleuchten und den Green Deal hinterfragen? Noch dazu hat das EU-Parlament gerade das „Medienfreiheitsgesetz“ gebilligt, das die EU-Kommission bereits 2022 zur „Überwachung der Freiheit“ vorgeschlagen hatte (wir berichteten). Zwar gab es massive Kritik an dem Gesetzesvorhaben, das die Pressefreiheit einschränken könnte (wir berichteten), doch nun votierten 464 Abgeordnete dafür und nur 92 dagegen bei 65 Enthaltungen.
Typische Gefahr der Überregulierung
Das Gesetz wird von der EU-Kommission als „Schutz von Journalistinnen und Journalisten und der Medien vor politischer oder wirtschaftlicher Einflussnahme“ verkauft, allerdings stärkt die Kommission dadurch auch ihren eigenen Einfluss. Denn in dem 129 Seiten umfassenden Textdokument wird betont, dass es notwendig sei, „die nationalen Vorschriften in Bezug auf Medienpluralismus und redaktionelle Unabhängigkeit zu harmonisieren“. Dafür soll ein Europäisches Gremium für Mediendienste (European Board for Media Services) neu geschaffen werden, das über ein Sekretariat bei der EU-Kommission angesiedelt sein soll. Hier sollen nationale Regulierungsbehörden oder -stellen vertreten sein, deren Maßnahmen koordiniert werden sollen. Das Gremium soll auf der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (European Regulators Group for Audiovisual Media Services, kurz: ERGA) aufbauen und diese ersetzen.
Dabei geht es auch um den grenzüberschreitenden Journalismus: „Medienschaffende, insbesondere Journalisten und andere Medienschaffende, die redaktionelle Tätigkeiten ausüben, arbeiten zunehmend an grenzüberschreitenden Projekten und erbringen ihre Dienste für ein grenzüberschreitendes Publikum und damit auch für Anbieter von Mediendiensten. Infolgedessen werden Mediendiensteanbieter wahrscheinlich mit Hindernissen, Rechtsunsicherheit und ungleichen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert werden. Daher benötigt der Schutz journalistischer Quellen und vertraulicher Kommunikation auf Unionsebene Vereinheitlichung und weitere Stärkung.“ Da passt es ja gut, dass die EU-Kommission mit ihren diesjährigen Journalismus-Partnerschaften ausdrücklich die ihr genehme „grenzüberschreitende Medienzusammenarbeit“ fördert.
Durch das Europäische Gremium für Mediendienste droht jedenfalls wieder einmal die für Brüssel typische Gefahr der Überregulierung. Das Gesetz regelt u.a. auch die Vergabe von staatlicher Werbung und den umstrittenen Einsatz von Spyware gegen Journalisten. Hierzu heißt es: „Intrusive Überwachungssoftware sollte nur dann eingesetzt werden, wenn dies durch einen überwiegenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.“ Der Einsatz von Spähsoftware ist nun nur nach vorherige Genehmigung durch eine Justizbehörde möglich, die wegen schwerer Straftaten ermittelt, auf die eine Freiheitsstrafe steht. Alle Mediendiensteanbieter, die Nachrichten und Inhalte zum Zeitgeschehen bereitstellen, müssen künftig über Werbung und öffentliche Gelder, die sie erhalten, berichten und in einer nationalen Datenbank Informationen darüber veröffentlichen, wem sie gehören und ob sie direkt oder indirekt im Eigentum des Staates stehen. Das gilt sowohl für kleine als auch für große Mediendiensteanbieter. Dabei sieht die EU-Kommission die Pressefreiheit derzeit vor allem in Ungarn gefährdet. Behörden dürfen Journalisten und Redakteure allerdings nicht dazu drängen, ihre Quellen offenzulegen.
Demokratische Legitimation?
Auch sehr große Online-Plattformen, die keine redaktionelle Verantwortung für die Inhalte, zu denen sie Zugang gewähren, übernehmen, sollen künftig unter die Begriffsbestimmung „Mediendiensteanbieter“ fallen. Wenn sehr große Online-Plattformen wie Facebook, X (vormals Twitter) oder Instagram unabhängige Medieninhalte löschen oder einschränken wollen, müssen sie zunächst unabhängige Medien von Quellen unterscheiden, die nicht unabhängig sind. Die Mediendiensteanbieter wiederum werden benachrichtigt, wenn eine Plattform beabsichtigt, ihre Inhalte zu löschen oder einzuschränken. Sie haben dann 24 Stunden Zeit, um zu reagieren. Erst nachdem sie geantwortet haben oder wenn sie innerhalb dieser Zeit nicht antworten, kann die Plattform die betroffenen Inhalte löschen oder einschränken.
Im Gesetzestext ist weiter zu lesen: „In einem gut funktionierenden Binnenmarkt sollten Empfänger von Mediendiensten Zugang zu hochwertigen Mediendiensten haben, die von Journalisten unabhängig und im Einklang mit ethischen und journalistischen Standards erstellt wurden und die somit vertrauenswürdige Informationen bereitstellen.“ Und: „Hochwertige Mediendienste sind auch ein Gegenmittel gegen Desinformation und ausländische Informationsmanipulation und Einmischung im Informationsraum.“ Die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Mediendiensteanbieter sei gerade in Wahlkampfzeiten wichtig, um zu gewährleisten, dass „die Bürger Zugang zu unparteiischen hochwertigen Informationen haben“. Das Problem dabei ist: Was Desinformation ist, entscheidet in letzter Instanz die EU-Kommission. Außerdem ist die Kommission verpflichtet, die Anwendung der Verordnung zu überwachen.
Kurz gesagt: Die EU-Kommission bringt ein Gesetz über die Freiheit von Medien auf den Weg, setzt sich durch das Europäische Gremium für Mediendienste jedoch gleichzeitig als oberste Kontrollinstanz über diese Freiheit ein, packt noch ein paar Gesetze wie etwa den Digital Services Act dazu, die ihr ebenfalls Kontrollbefugnisse über das Internet und die Deutungshoheit über „Desinformation“ einräumen, und vergibt nebenbei Fördergelder für Journalismus-Partnerschaften, die in ihrem Sinne agieren. Das wirft wieder einmal die Frage nach der demokratischen Legitimation der EU-Institutionen und besonders der Kommission auf.
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.