Es lebe die Kleinstaaterei!

Was für ein Desaster. Nach der ungeordneten und unkontrollierten Aufnahme von Flüchtlingen im Jahr 2015 staut die EU inzwischen Flüchtlingsmassen in der Türkei, der sie dafür Milliarden bezahlt. Und dem Potentaten Erdogan umsonst ein Druckmittel in die Hand gibt, um die EU zu erpressen und Griechenland zu schikanieren.

Zu den angeblich unverzichtbaren sogenannten vier Grundfreiheiten in der EU gehört die Personenfreizügigkeit. Seit 1993 darf jeder EU-Bürger in jedem beliebigen EU-Land leben und arbeiten. Eine Grundtorheit der EU, ein absurder Zustand angesichts einer fehlenden gemeinsamen Steuer- und Sozialpolitik, angesichts von Lohngefällen, der nicht unberechtigten Furcht vor Einwanderung in üppigere Sozialsysteme als im Heimatland, vor Kriminaltouristen.

Diese Personenfreizügigkeit wird nicht nur innerhalb der EU eingefordert, sondern beispielsweise auch vom Nicht-EU-Land Schweiz. Das, sowie die Unterstellung der Schweiz unter EU-Gerichtsbarkeit fordert Brüssel für die Fortsetzung des gegenseitig erleichterten Marktzugangs. Ebenfalls absurd, kein anderes Land auf der Welt fordert den freien Zugang für seine Bürger in ein anderes Land, mit dem ein Freihandelsabkommen abgeschlossen werden soll. Aber die EU tut es, und sie will sogar die weitere Gültigkeit aller bilateralen Verträge mit der Schweiz davon abhängig machen.

Geradezu würdelos versucht Brüssel, mit kindischen Strafaktionen die Schweiz gefügig zu machen. So wurde zum Beispiel die gegenseitige Anerkennung der Börsenäquivalenz nicht verlängert, ein völlig selbstverständlicher Vertrag unter zivilisierten Staaten, der den Handel der jeweiligen Wertpapiere an den beteiligten Börsen erlaubt. Aber auch da erwies sich die EU als Scheinriese; die Schweizer Börsen verzeichneten einen hübschen Umsatzgewinn, während deutsche und französische Börsen Einbußen hinnehmen mussten.

Deutschland, ewiger Musterknabe

Aber die jüngste Maßnahme im zunehmend hysterisch geprägten Kampf gegen ein Killer-Virus, genauer eine Mutation des Influenzavirus, toppt alles. Die letzte große Grippewelle von 2017/2018 forderte in Deutschland über 25.000 Tote. Es ist nicht erinnerlich, dass damals ähnlich drastische Maßnahmen ergriffen wurden.

Aber im Kampf gegen den nur 150 Nanometer (1 nm ist ein Millionstel eines Millimeters) kleinen Gegner kickt die EU nun ohne zu zögern diese Grundfreiheit, dieses Menschenrecht aller EU-Bürger in die Tonne. Natürlich nicht einmal in einer gemeinsam beschlossenen Aktion. Sondern zunächst Land für Land, darunter Dänemark und Ungarn, machte seine Grenzen dicht. Rübergelassen werden nur noch eigene Staatsbürger, Grenzgänger und Ausländer, die eine akzeptable Begründung vorweisen können.

Deutschland, ewiger Musterknabe und Lordsiegelbewahrer des europäischen Hauses, dieses Friedensprojekts, dieser Völkerverständigungsmaschine, zierte sich noch ein Weilchen. Aber nun ist es amtlich, mit der Macht des Faktischen beschlossen: Alle Grenzen innerhalb der EU sind so dicht, wie es vorher eigentlich nur die innerdeutsche Grenze war. Okay, niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Aber vorläufig ist definitiv Schluss mit der Völkerverständigung.

Das Europa der Vaterländer ist wieder auferstanden

Will der Deutsche auf den Eiffelturm steigen? Non, Monsieur, verboten. Sich auf dem Wiener Prater vergnügen? Bedaure, der Herr, gehn's weida. Einen Espresso in Rom schlürfen? Vietato, tedesco. Das Europa der Vaterländer ist wieder auferstanden. Ach was, es war niemals dahingegangen. Einmal mehr stehen die Eurokraten in Brüssel wie begossene Pudel da. Angeführt von einer deutschen Kommissionspräsidentin, die diesen Posten zugeschachert erhielt, obwohl sie gar nicht dafür kandidiert hatte.

Nach der üblichen kurzen Schockstarre fordert sie nun tapfer eine „europäische Lösung“. Ja wofür denn? Alle Grenzen sind doch zu, Ausländer werden keine mehr hereingelassen, außer, sie haben einen überzeugenden Grund dafür. Kann man diese Lächerlichkeit noch steigern? Aber hallo, einer geht immer noch, wenn es um die Eurokraten geht. Da es bei der Grenzabschottung untereinander für eine „gemeinsame Handlung“ etwas zu spät war, musste man doch irgendwas gemeinsam beschließen.

Nur, verflixt und zugenäht, was denn? Eine Erhöhung der Diäten? Bezahlter Zwangsurlaub für das Europäische Parlament? Das wären vielleicht die falschen Signale gewesen, dämmerte es den virusfrei per Videokonferenz tagenden europäischen Staatschefs. Da kam endlich einer auf die rettende Idee, das habe ja auch schon von der Leyen angeregt: Da beschließen wir doch gemeinsam ein Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger. Nimm das, Trump, dürften sich die europäischen Staatenlenker dabei gedacht haben.

Denen hat man doch allen ins Hirn geniest!

Und ab wann gilt das? Da müssen sich die deutschen Behörden ein Beispiel an der DDR genommen haben: per sofort. An Flughäfen warten nun überraschte Besucher auf die Rückreise ins Heimatland. Sicherlich auch ein Beitrag zur Völkerverständigung. Aber immerhin: Bürger aus anderen EU-Staaten und sogar auch Schweizer dürfen Deutschland wenigstens als Transitland benützen. Sollte allerdings ein Gerichtstermin oder eine Beerdigung einen Aufenthalt in Deutschland nötig machen, sind entsprechende Dokumente vorzulegen.

Nur das Virus kann weiterhin visumsfrei, sozusagen virenfrei überall durchs europäische Haus reisen. Mitsamt dem Warenverkehr, denn es soll ja weiterhin möglich sein, eine in Sizilien geerntete Tomate in Bulgarien einbüchsen zu lassen, zur Etikettierung, und aus Steuergründen nach Holland zu transportieren, von dort wieder nach Sizilien und schließlich als original italienische Tomate ins Regal von Aldi in Deutschland.

Macht das alles Sinn? Noch bis vor ein paar Tagen durften sich Reisende aus China und dem Iran der deutschen Willkommenskultur erfreuen. Und während dann die Passagiere der nächsten Maschinen in der Luft waren und daher nichts mitbekamen, wurden sie vom deutschen Grenzer mit der Anweisung überrascht, dass Nicht-EU-Bürger gleich kehrtmarsch in den Flieger zurück müssen. Der neutrale Beobachter aus der noch viel neutraleren Schweiz kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Denen hat man doch allen ins Hirn geniest.

Foto: Hartmut Reiche/Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Gudrun Dietzel / 20.03.2020

Richtig, die Logik bei den nun angeordneten EU- und Deutschland-Maßnahmen gegen das Virus sucht man vergeblich. Dennoch finde ich die Tonlage „ Kleinstaaterei“ und „Schluß mit der Völkerverständigung“ sehr weinerlich, Herr Zeyer. Ich versuche es mal so zu sehen: Wenn der EU, Deutschland und den mitbeteiligen europäischen Staaten nach den irreparablen Fehlern mit der Willkommenspolitik seit 2015 nichts anderes Kluges einfällt, ist die neueste Erfindung „Grenzen dicht“ zu begrüßen. Allerdings müssen WIR dafür Einschnitte hinnehmen. Irgendwie müssen die Verantwortlichen ihre eigene Dummheit ja kaschieren. Einfach zugeben geht nicht.

Enrico Kraczmer / 20.03.2020

Die geradezu hysterische Reaktion der Politik und die plötzlichen, vorher unmöglichen, Grenzschliessungen führe ich darauf zurück, dass bei Corona alte Bonzen in gepanzerten Limousinen deutlich stärker gefährdet sind, als junge Frauen, die alleine spazieren gehen.

Gabriele Kremmel / 20.03.2020

Der Eindruck trügt wohl nicht. Indes bin ich schon froh, dass die sizilianische Tomate noch den Weg zum deutschen Supermarkt findet. Die Umwege könnte sie sich allerdings sparen, doch das hat nichts mit dem Virus Corona zu tun sondern mit dem Umstand, dass unfähige Politiker in Brüssel entsorgt werden, wo sie dann mit ihrer Kurzsichtigkeit länderübergreifend Schaden anrichten können.

Andreas Stueve / 20.03.2020

Schön, lieber Herr Zeyer. Für mich als erklärten EU- Gegner ist Ihr Beitrag ein innerer Rei..mh Bundesparteitag. Die sozialistische Chimaere erweist sich als das, was sie ist. Eine nutzlose und überteuerte Buerokratiemaschine. Um Freihandel und Verständigung leben zu dürfen, bedarf es keiner Brüsseler Diktate. Darum gehört das Monster zurückgestutzt. Wie ein Strauch im Frühjahr. Zurück zur alten EG. Wenn nicht, dann eben Abwicklung und sichere Endlagerung. Der Euro geht über kurz oder lang in die ewigen Jagdgruende ein, ein gefährliches Kind der ebenso gefaehrlichen Mutter EU. Zeit, Abschied zu nehmen. Ohne Reue und Trauer.

Kostas Aslanidis / 20.03.2020

Das kuenstliche Objekt EU, wird die Nationalstaaten nie abschaffen. Die Staaten werden ewig bestehen, die EU hat einen Verfallsdatum. Die Berliner Merkeldiktatur wird untergehen.

Bernhard Freiling / 20.03.2020

Wenn es doch nur die Deutschen oder die Europäer wären, deren Hirne schwerstgeschädigt erscheinen. Liegt hier eine vielleicht weltweite Beeinträchtigung der Denkfähigkeit vor?. Was meinen Verdacht erhärtet: Ist Covid 19 nur ein als Grippevirus getarnter Hirnerweichungs-Virus? ++ Oder ist das vielleicht gar kein Virus? Sondern eine halbintelligente Nannomaschine? Darauf getrimmt, nur diejenigen final außer Gefecht zu setzen, die noch selbständiges Denken gelernt haben? Also vorzugsweise Menschen jenseits des 60. Lebensjahres? Wohingegen die jüngeren weitgehend verschont bleiben? Und wenn nicht, sind diese dann allenfalls als Kollateralschäden anzusehen? ++ Kann das anschauen von Star-Trek- und Terminator-Filmen zu einer realitäts-verzerrenden Wahrnehmung führen? Fragen über Fragen. ;-) ++ Jetzt aber ernsthaft: Wo liegt der Unterschied, ob ein 10 Mio-km²-Land wie China einzelne Provinzen abschottet oder ob sich in dem 10 Mio-km²-Territorium Europas einzelne Staaten abschotten? In der - wegen eines (tatsächlichen oder eingebildeten) Notfalles - vorübergehenden Rückkehr zur Wagenburgmentalität gleich einen Verlust der europäischen Idee zu sehen, scheint mir etwas gewagt.

Heiko Stadler / 20.03.2020

Die Kommissionspräsidentin fordert eine “europäische Lösung”. Wieder einmal verwechselt die ins Amt Geklüngelte Europa mit der EU. Das ist so als würde man Gottfried Curio mit Anton Hofreiter verwechseln. Nein, die europäische Lösung besteht darin, dass die “Kommissionspräsidentin” ihrem eigentlichen Beruf als Ärztin nachgeht, von dem ein großer Mangel herrscht und uns mit ihren Hirngespinsten bitte in Ruhe lässt.

K.H. Münter / 20.03.2020

Meine volle Zustimmung bis auf den letzten Satz. Den würde ich privat weitaus schärfer formulieren aber dem steht hier natürlich die Höflichkeit entgegen.

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