René Zeyer, Gastautor / 03.06.2020 / 13:00 / Foto: Lorie Shaull / 81 / Seite ausdrucken

Die Unruhen in USA und der deutsche Blick

Clickbait, so lautet der englische Fachausdruck dafür, mit einem möglichst knalligen Titel die Angel nach Lesern, moderner: Usern, auszuwerfen. In den USA hat wieder einmal Polizeigewalt den Funken ausgelöst, der das Pulverfass von Armut, Rassismus, Kriminalität und Existenzangst zur Explosion gebracht hat.

Wer die USA kennt und seine Erkenntnisse nicht im Wesentlichen am Schreibtisch, in der eigenen Gesinnungsblase oder aus Sicht von der Ost- oder Westküste bezieht, der weiß, dass es natürlich Rassen- und Klassenschranken gibt. Obwohl kaum ein Land auf der Welt dermaßen umfangreiche und drakonische Gesetze gegen Rassendiskriminierung hat, die Berücksichtigung von Minderheiten, Mitgliedern verschiedenster Kulturkreise, Hautfarben und Geschlecht teilweise bis ins Absurde vorantreiben: Natürlich hat ein Schwarzer in den USA schlechtere Karten als ein Weißer.

Ein Schwarzer in einem gehobenen Wohnquartier für Weiße: Ist das nicht deutlich erkennbar ein Handlanger, läuft er Gefahr, von der Polizei (oder der lokalen Bürgerwehr) zumindest angehalten zu werden. Ein Weißer in einem Wohnquartier für Schwarze ist dieser Gefahr nicht ausgesetzt. Dafür der hohen Wahrscheinlichkeit, überfallen und ausgeraubt zu werden.

Ab gehobenem Mittelstand lebt der Ami in Gated Communities, also mit bewaffnet kontrolliertem Zugang. Ganz allgemein ist es keine gute Idee, forsch ein Grundstück zu betreten und auf den Klingelknopf zu drücken. Es kann durchaus passieren, dass das mit einem Schuss quittiert wird. Wobei der Hausherr völlig legal sein Recht auf Notwehr ausübte.

Solidaritätsdemonstrationen bis nach Europa

In von Schwarzen bewohnten Quartieren ist es hingegen so, dass es nach 22 Uhr nicht mehr verboten, sondern von der Polizei empfohlen ist, an roten Ampeln nicht mehr stehenzubleiben. Wer schon verrückt genug ist, in diese Quartiere nachts zu fahren, sollte das wenigstens in eher hohem Tempo und ja nicht von Stopps unterbrochen tun. Wer hält, gibt auch den Straßengangstern eine Chance, die mit einem Ziegelstein die Fensterscheibe einschlagen. Wer fährt, muss sich nur vor Verfolgern in Acht nehmen, die sein Auto rammen wollen.

Ewig schon wogt die Debatte hin und her, ob die Überrepräsentanz von Schwarzen in US-Gefängnissen mit einem größeren Hang zu Kriminalität zu erklären sei oder mit sozialer Depraviertheit, Chancenungleichheit, Armut. Diese Diskussion soll hier keinesfalls fortgesetzt werden.

Dennoch ist diese Einleitung nötig, wenn man die gewalttätigen Ausbrüche und die Demonstrationen nach dem Tod eines Schwarzen verstehen will. Als Brandverstärker wirkte dabei das Handy-Video, das zeigt, wie der schon am Boden liegende und offenbar wehrlose Schwarze mit dem Knie eines weißen Polizisten am Hals fixiert wurde und hörbar röchelte, dass er keine Luft bekomme.

Da die USA bis heute ein zutiefst rassistisches Land sind, reichte das, um Solidaritätsdemonstrationen bis nach Europa und gewalttätige Auseinandersetzungen, inklusive Plünderungen und Attacken auf Polizisten sowie ihre Autos und Polizeistationen auszulösen.

Das wiederum rief den US-Präsidenten Donald Trump auf den Plan. Bei ihm muss man verstehen, dass er im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres seine Felle davonschwimmen sieht. Seine Leadership, in den USA sehr wichtig, hat durch die recht unfähige Reaktion auf die Corona-Epidemie schwer gelitten. Die US-Wirtschaft ist überhaupt nicht mehr „great“, „fantastic“ und „huge“, 40 Millionen offiziell Arbeitslose, das gab es seit der großen Depression in den USA nicht mehr. Beim Bruttoinlandprodukt wird ein zweistelliger Einbruch erwartet; manche Prognostiker sprechen von bis zu 30 Prozent.

Und nun sieht sich Trump auch noch als markiger „Law and Order“-Führer herausgefordert und reagiert so, wie es seinem Temperament entspricht. Mit Schuldverteilungen und cholerischen Drohungen. Also eigentlich genau so wie weite Teile der deutschen Leitmedien. Schnappatmung bei der „Süddeutschen“: „Trump erklärt Amerika den Krieg“; warum denn das? „Trump ist ein Maulheld, ungeeignet für sein Amt“, keift Kommentator Kurt Kister, ohne das aber auf sich selbst zu beziehen.

Sinnvoll wie eine Scheinschwangerschaft

Hyperventilieren auch beim „Spiegel“: „Trump spielt Diktator“; das Nachrichtenmagazin spielt Berichterstattung, wobei es immerhin den zwar etwas humpelnden Kalauer als Titel wagt: „Raustragen ist nicht austragen“, was eine Kritik an Plünderungen beinhaltet. Feinfühlig „analysiert“ hingegen der „Spiegel“-Mann in New York, dass die ständige Wiederholung des brutalen Handy-Videos „das historische Trauma vieler Afroamerikaner“ verstärke. Sagten zumindest Wissenschaftler, genaueres weiß auch Marc Pitzke nicht.

Aber wozu hat man einen „politischen Korrespondenten“ wie die „Süddeutsche“; der ordnet die Sache sicherlich kenntnisreich ein. Nun ja; Torsten Denkler hebt damit an, dass schon vor Wochen „so eine diffuse Sorge zu spüren“ gewesen sei, dass es „noch knallen könnte in den USA“. Auf diese präzise Analyse legt er dann den Begriff „tektonische Verschiebungen“ drauf; zwar nicht mehr taufrisch, aber immer irgendwie nichtssagend bedeutend.

Dann hangelt er sich am Wort „bürgerkriegsähnlich“, das ungefähr so sinnvoll ist wie eine Scheinschwangerschaft, zu „klingt gefährlich nach Bürgerkrieg“ hoch. Bürgerkriegsähnlich ist der Mob auf den Straßen, gefährlich nach Bürgerkrieg klinge aber Trump, der die Entsendung von Soldaten angekündigt hatte. Immerhin, das sei nicht das erste Mal in der jüngeren Geschichte der USA, räumt Denkler dann ein. Aber im Gegensatz zu früher sitze nun „ein erratischer Ichling, ein Narzisst, dem das eigene Wohl stets das oberste zu schützende Gut ist“, im Weissen Haus: „Ihm ist alles zuzutrauen.“ Sogar, dass er, wie einige seiner Vorgänger, Soldaten zur Beruhigung der Situation in US-Großstädte schickt.

Wie schon in der Vergangenheit gibt es neben friedfertigen Demonstranten auch Plünderer, Kriminelle, Gangs, Randalierer, die in Gewaltausbrüchen ein Ventil für ihre Armut und Hoffnungslosigkeit sehen. Und oftmals die Mom-und-Pop-Shops ihrer näheren Nachbarschaft brandschatzen und ausrauben, die ihnen eigentlich wenigstens noch Einkaufsmöglichkeiten boten.

In diesen Quartieren in vielen US-Großstädten kann sich wohl kein Einwohner der Analyse des Politkorrespondenten aus good old Germany anschließen: „Trump ist jetzt offiziell eine Gefahr für die nationale Sicherheit.“ Ein wunderbarer Satz eigentlich. Wirklich, „I love this guy“, würde Trump sagen. Weil es keinerlei Grund gibt, Trump als Diktator oder Gefahr für die nationale Sicherheit zu beschimpfen.

Und weil es, selbst wenn „Spiegel“ und „Süddeutsche“ das im Chor behaupten, überhaupt nicht „offiziell“ ist. Amtlich ist hingegen: Solche Dünnbrettbohrer schleifen noch die letzten Reste von einstmals anspruchsvollem Journalismus und geben die Begriffe Redakteur, Korrespondent oder gar Politkorrespondent der Lächerlichkeit preis. Hampelmänner mit Zugriff auf die Öffentlichkeit. Aber nicht auf die Realität.

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Leserpost

netiquette:

Eckhart Diestel / 04.06.2020

@Benditte - warum sollte Präsident Trump sich nicht mit der Bibel in der Hand erheben ? Sehen Sie die Symbolkraft nicht ? Seine Vorstellung von ‘law and order’ sind ‘law and order’. Wünschen wir uns also, dass er die Wahl gewinnt.

Wolfgang Richter / 03.06.2020

@ Alexandra Klabuter - Wenn die Antifanten “hier” als Terrororganisation geführt würden, würden sich ja deren bekennende FreundInnen Schwesig, Esken u. Co., die deren Reisetätigkeit auch schon mal aus Steuergeldkassen die Reisekosten zahlen sollen, als Förderer einer Terrororganisation den Ermittlungsbehörden andienen. Also besteht diesbezüglich für diese Aktivisten keine Gefahr. Außerdem kommt die Gefahr doch von Rächtz. Alles andere ist Fake.

Sabine Lotus / 03.06.2020

Absolut, Fr@u Wenz. Sklaverei, egal an wem, ist eine Riesensauerei und alle Beteiligten gehören zutiefst geächtet. Ich bin einfach nur der Auffassung, daß die POC Gemeinschaft auf einem etwas hohen und aggressivem Niveau jammert, im Anbetracht der angebotenen vielfältigen Fördermöglichkeiten.

Dov Nesher / 03.06.2020

Übrigens: Die Aussage, dass in den USA mehr Schwarze als Weiße bei Polizeieinsätzen ums Leben kommen ist eine Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Sagt die offizielle Statistik des FBI aber auch viele andere Statistiken.

Richard Loewe / 03.06.2020

bei einem Gespraech zur Vorbereitung von dessen Seminarleitung hat mir mein einziger schwarzer Masterstudent unter Traenen erzaehlt, wie zwei Tage vorher sein bester Freund erschossen wurde. Der Student wurde von seinem Freunden bewundert dafuer, dass er in die Uni gegangen ist (alles mit Stipendium von unserem College). Mein Student hat eine tolle Mutter (Vater nie gekannt), spricht hartes Gangbanger-Englisch und ist mir im Unterricht durch aussergewoehnlich kluge Kommentare aufgefallen - nachdem ich aufgefordert hatte. Alle seine Essays laesst er korrigieren - vermutlich weil er schreibt wie er spricht. Das mit dem IQ ist so eine Sache: die Messung halte ich fuer problematisch. Es ist nicht die Hautfarbe, es ist die Kultur, die entscheidend ist. Und ja: die Schwarzen segregieren sich auf dem Campus. Ich vermute, das liegt daran, dass sie nicht wegen ihrer Noten angenommen und mit Stipendien versorgt worden sind sondern aufgrund ihrer Rasse. Dieses idiotische Gerede vom white privilege macht alles noch viel schlimmer, weil natuerlich Schwarze an den Unis massiv priviligiert werden. Und was zur Zeit passiert ist eine weitere Katastrophe: Antifa uebt Gewalt auf, normale Menschen wollen demonstrieren und die Schwarzen gehen pluendern. Trumps Antifa-Verbot ist somit eine weitere geniale Idee. Und dass Schwarze keine Haeuser in Weissen-Vierteln kaufen koennen oder nicht wollkommen sind, ist heute zumindest kompletter Bloedsinn.

Arnold Warner / 03.06.2020

Würden die USA in die Hände eines linken Mob (Antifa) und weiterer krimineller bis terroristischer Organisationen fallen, wäre Deutschland umgehend wieder der beste und engste Freund.

Hans-Peter Dollhopf / 03.06.2020

Herr Nesher, Sie sagen: “Ist denn schon klar, dass der Mord rassistisch motiviert war.” Ich habe ein Jahrzehnt meines Lebens damit verbracht, Law Enforcement aus der selbstverständlichen Perspektive Amerikas zu erleben. Während einer regelmäßigen Qualifizierung durch das US-Verteidigungsministerium zum Assessment unseres lokalen Potenzials als Beitrag zur Force Protection ereignete es sich, dass einer meiner Kollegen bei einem vorgespielten Bomb Thread Scenario einem Agenten des die Attacke vorspielenden “Tiger Teams” des Ministeriums einfach dessen Arm brach, um seiner in der Simulation Herr zu werden. Mein Kollege wurde für solches Engagement nach Abschluss der Übung offiziell vor uns allen ausgezeichnet. andere laender andere sitten job very well done

Peter Wachter / 03.06.2020

Und was war da bei dem G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017, wo Geschäfte geplündert und Betonplatten auf Polizisten geworfen wurden ? Was war letzten Monat bei Offenbach, wo Polizisten in einen Hinterhalt gerieden, was war letztes Jahr in Walldorf/BW, wo eine Polizeistation mit Molotowcocktails angegriffen wurde. Selbst in der Gemeinde mit 3000 Einwohner, in der ich wohne, brauchte es dieses Jahr 6 Polizisten (w,m+d) um 4 randalierende Jugendliche zu bändigen. Was intresiert mich da die Zustände in den USA ?

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