Claude Cueni, Gastautor / 20.02.2021 / 06:05 / Foto: Mark Warner / 59 / Seite ausdrucken

Entscheidet Jack Dorsey, ob Gott existiert?

„Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Das Zitat von George Orwell (1903–1950) wird gerne bemüht, aber im Alltag kaum noch gelebt.

Mark Zuckerberg (35) ist stolz, dass seine Algorithmen mittlerweile über 90 Prozent der Hass- und Hetzkommentare seiner 2,2 Milliarden Nutzer identifizieren. Hass und Hetze, das ist stets das, was der politische Gegner verbreitet. Für Fake-News sind externe Faktenchecker zuständig. Entscheidet morgen ein 18-jähriger Student aus Santa Rosa, ob der Asteroid Oumuamua ein außerirdisches Taxi und ob Christi Himmelfahrt „falsch“, „teilweise falsch“, „Satire“ oder „Meinung“ ist?

In der Praxis gilt die Weltanschauung von Zuckerberg und Twitter-Chef Jack Dorsey (43), der gemäß BBC innerhalb weniger Tage über 70.000 Accounts von Verschwörungstheoretikern gelöscht hat. Wer Einfluss nimmt auf den Inhalt und selektiv löscht oder die Reichweite minimiert, handelt nicht mehr als Gastgeber einer Plattform, sondern als Verleger, der die politische Ausrichtung definiert. Würde Twitter als Verlag klassifiziert, wäre er für jeden einzelnen der 6 Millionen Tweets verantwortlich, die pro Sekunde gepostet werden.

Je mehr gelöscht und gesperrt wird, desto mehr Leute wechseln auf neue Plattformen, bis dann der Werbeslogan von Procter & Gamble gilt: „Meister Proper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann.“ Dorsey und Zuckerberg sehen dann nur noch Dorsey und Zuckerberg. Keine Plattform kommuniziert mehr mit der andern. Kein Wettbewerb der Ideen mehr. Niemand weiß, was ihm vorenthalten wurde.

Der ausbleibende Widerspruch fördert zwar den gegenseitigen Applaus, aber man sollte sich nicht zu früh freuen, denn irgendwann frisst der Wahn seine Schöpfer.

Robespierre war ein linker Anwalt aus der französischen Provinz, der sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzte. Kaum an der Macht, wurde er ihr eifrigster Benutzer. Nach über 16.000 Hingerichteten war er selbst an der Reihe. Er versuchte, sich durch Suizid der Guillotine zu entziehen, und schoss sich dabei den Kiefer weg. Intellektuelle sind manchmal auch in praktischen Dingen furchtbar ungeschickt.

 

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Schweizer BLICK, wo diese Kolumne zuerst erschien. Am 15. März erscheint bei Nagel & Kimche sein neuer Roman „Hotel California“.

Foto: Mark Warner CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Eugen Richter / 20.02.2021

Es liegt an jedem selbst, ob er die Angebote der Big Tech und Big media nutzen will oder sich nach Alternativen umschaut. Und mal ehrlich: ist es unbedingt notwendig 24/7 auf ein Display zu sehen? Was ist an der Realität so erschreckend oder unangenehm, dass so viel Leute fast permanent ihr Leben nur über ein handtellergroßes Display wahrnehmen? Die Angst vor der Anstrengung für sich selbst Verantwortung zu übernehmen?

Gudrun Meyer / 20.02.2021

Die FB-Löschtrupps müssen innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden, ob ein Post zulässig oder “Hass” ist. Manchmal stehen sie vor Fragen, über die ein promovierter Jurist lange nachdenken müsste. Entschieden wird dann linksliberal. Nachdem ich am 22.01.2021 30 Tage Sperre für ein “Hassrede”- Post bekam, das weder von mir stammt noch nach geistig normalen Begriffen etwas mit “Hassrede” zu tun hatte, habe ich meinen Account gelöscht. Der mir unbekannte Verfasser hatte in unaufgeregter Sprache gefordert, illegale Einwanderer und überführt kriminelle, bislang legale,  Einwanderer auszuweisen - das ist das Recht jedes Staates und war auch in D geltendes Recht, bevor der Rechtsstaat zugunsten einer eindringenden Völkerwanderung unter Triumphgeheul “ausgesetzt” wurde.  Also, an Dorseys Stelle wäre ich nicht stolz auf die Säuberungen bei FB. Wenn er so weitermacht, gehen am Ende nur Posts durch wie etwa “Ich bin ein Gut-Australopithecus (mit weniger politischem Verstand als die meisten Artgenossen). Ich bin nicht nur für eine unveränderte Aufnahme aller Schutz-und-Sozialleistungsforderer der Welt, sondern auch für den “Lockdown” bis zum völligen Ruin des Mittelstandes,, und außerdem trete ich mutig für “mehr Diktatur wagen” (Alpenprawda, im nachhinein vermutlich eine “Satire”) und für den Great Reset ein, halte den letzteren aber auch für eine Verschwörungstheorie, sobald mir dies nahegelegt wird”.

W. Hoffmann / 20.02.2021

Intellektuell heißt eben nicht automatisch intelligent. Auch wenn der allgemeine Sprachgebrauch genau das fleißig suggerieren will. Eher ist das Gegenteil der Fall. Ideologisch verbohrt und lebensuntüchtig träfe es besser. Die Herrscher der (a)sozialen Medien sind zusätzlich noch mit einer unstillbaren Gier ausgestattet. Das ist, zum Schluss dann, ihre Achillesferse.

Matthias Braun / 20.02.2021

” Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition.” ( Johann Nepomuk Nestroy )

Karsten Dörre / 20.02.2021

China, Russland, Iran - heimliche Vorbilder des vermeintlich freien und Demokratie verteidigenden Westens (Pluralität ist Geschichte, siehe der eigentlich harmlose Duden). Der moderne Kommunismus mit unterschiedlichem Hintergrund wird die nächste Zukunft sein. Die kommenden Generationen daddeln entweder PC-Spiele oder sind Gardisten der Transformation. So ist das Leben. Es wird nie langweilig oder stillstehen. Auch nach dem mehr oder weniger erfolgreichen Klimawandelstopp, irgendwann 2150, kommt was Neues oder zumindest was Anderes.

Wolfgang Kaufmann / 20.02.2021

„Entscheidet morgen ein 18-jähriger Student aus Santa Rosa…?“ – Nein, viel schlimmer. Dieser Student ist lediglich der exekutierende Handlanger, der vom Studieren so wenig versteht hat wie die Kuh vom Tanzen. Die Kriterien für lesensunwertes Lesen werden ihm von professionellen Agenturen vorgegeben, für deren Kampf gegen den Bürger ausgerechnet die Staaten etliche Milliarden ausgeben. Die Kriege des 21. Jahrhunderts sind Informationskriege, also Kriege gegen Aufklärung und Wissen und für kindgerechte Ponyhof-Phantasien.

Arnold Warner / 20.02.2021

Wer vor wenigen Jahren solche Verhältnisse hat kommen sehen und davor warnte, wurde als Verschwörungstheoretiker gebranntmarkt. Es mag viele abgefahrene Weltbilder geben; an das, was hinter den Kulissen läuft, kommt keines dran.

Volker Kleinophorst / 20.02.2021

Stalinisten mit Geld. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Twitter und FB wracken sich selbst ab.

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