Energiewende jetzt mit Geisterkraft

Wieder einmal wurde etwas eingeweiht, das deutsche Kompetenz in aktueller High-Tech demonstrieren soll: das „eFarm Projekt“ in Bosbüll, nahe der Grenze zu Dänemark. Bei dessen Eröffnung zeigten sich diverse Unternehmer und deren großzügige Sponsoren, unter ihnen auch Verkehrsminister Scheuer.

Es ist derselbe Minister, der auch bei der Präsentation des „Lufttaxis“, der missratenen „100-Tonnen-Stubenfliege“ in Ingolstadt dabei war, worüber die „Achse des Guten“ hier berichtet hatte. Das braucht aber noch kein schlechtes Omen zu sein. Diesmal war Markus Söder jedenfalls nicht dabei, der sich damals am Steuer des vermeintlichen Flugobjektes ablichten ließ.

In Bosbüll geht es um ein modernes Perpetuum mobile; ein Verfahren, bei dem der Wind, das himmlische Kind, unsere Autos anschieben soll, damit diese kein CO2 mehr von sich geben müssen.

Das Narrativ für Milchmädchen

Und das geht so: Windkraft liefert uns Elektrizität ohne CO2, sogenannten „grünen Strom“. Den kann man verwenden, um Wasser in seine Bestandteile zu zerlegen, also Wasserstoff und Sauerstoff. Den Sauerstoff vergessen wir, den Wasserstoff aber, aus dem man Energie gewinnen kann, den fangen wir ein und speichern ihn.

Das ist eine „nachhaltige“ Sache, denn Wind und Wasser gibt’s im Überfluss und noch dazu kostenlos. Wenn wir jetzt den gewonnenen „grünen“ Wasserstoff in einen Behälter füllen und in ein Auto einbauen, dann könnten wir es damit antreiben. Am besten geht das, indem wir durch sogenannte Brennstoffzellen den Wasserstoff wieder zu Strom machen, mit dem wir dann Elektromotoren speisen, die das Auto bewegen.

Endlich: sauber Autofahren ohne Reue, und auch billig ist es, denn Wind und Wasser kosten bekanntlich nichts.

Soweit das offizielle Narrativ. Das ist aber weniger als die halbe Wahrheit, es ist eine Milchmädchenrechnung. Der Volksmund unterstellt diesen armen Geschöpfen nämlich, dass sie Rechnungen anstellen, die ganz wesentliche Aspekte der Wirklichkeit unterdrücken und daher schlicht und einfach falsch sind.

Schauen wir uns die Sache mal genauer an.

Der mühsame Weg

Der Wind treibt das Auto ja nicht direkt an, sondern seine Energie macht eine Reihe von Transformationen durch, und bei jedem Schritt geht etwas von ihr verloren (siehe auch hier und hier).

Die Erzeugung des Wasserstoffs aus Wasser durch Elektrizität kostet die Hälfte der Energie, die man hineinsteckt. Dann wird das Zeug komprimiert, denn Wasserstoff ist bei unseren Temperaturen ein Gas, und um brauchbare Mengen davon in einem Auto unterzubringen, muss man ihn zusammenpressen, z.B. auf 700 Bar Druck. Ihre Autoreifen haben so um die 2 Bar, und auch da knallt es, wenn einer platzt. Für 700 Bar braucht man also einen sehr stabilen Behälter – aber das ist eine andere Geschichte.

Vom Pumpen am Fahrradreifen wissen wir jedenfalls, dass Komprimieren Energie kostet. Bei 700 Bar ist das eine ganze Menge. Außerdem wird der Wasserstoff mit seinen winzigen Molekülen bei diesem Druck alles unternehmen, um aus seinem Behälter zu entweichen. Wir verlieren dabei rund ein Fünftel der Energie, die im Wasserstoff ursprünglich vorhanden war, bis das Zeug im Auto ist.

Dort wird der Wasserstoff in Brennstoffzellen zu elektrischem Strom umgewandelt, mit einem Wirkungsgrad von bestenfalls 50%. Wie viel kommt dann letztlich im Motor des Autos an?

Hier die Rechnung: 1/2  x  4/5  x  1/2  =  1/5  =  20%, das bleibt übrig.

Von 100 Kilowattstunden, die aus der Windmühle kamen, landen also nur rund 20 kWh im Motor. Oder umgekehrt, für jede kWh, die im Auto verbraucht wird, müsste die Mühle das Fünffache produzieren.

Jetzt geht’s ans Rechnen, liebe Milchmädchen

Wir Autofahrer rechnen aber nicht in Kilowattstunden, sondern in Benzin, und da leistet ein Liter so um die 3,5 kWh mechanische Arbeit (insgesamt steckt die dreifache Energie drin, aber zwei Drittel gehen unvermeidlich als Wärme verloren.)

Nehmen wir an, Sie fahren 15.000 km im Jahr und brauchen 8 Liter auf 100 km. Dann tanken Sie also jährlich 1.200 Liter. Diese Menge Benzin liefert Ihnen 1.200 x 3,5 kWh  =  4.200 kWh. Wollten Sie diese Energie aus Wasserstoff holen, wie viel müsste die Windmühle dafür produzieren? Wegen der beschriebenen Verluste: das Fünffache, nämlich 4.200 kWh x 5  = 21.000 kWh.

So eine anständige Windmühle hat 1.000 Kilowatt Nennleistung. Die bringt sie aber nur, wenn der Wettergott aufs Gaspedal tritt. Im Durchschnitt bringt sie wesentlich weniger, sagen wir 300 kW. Das multiplizieren wir jetzt mit den Stunden pro Jahr und siehe da: Im Mittel liefert unsere Mühle jährlich 2.628.000 kWh, also zwei bis drei Millionen kWh.

Wenn jetzt alle so ähnlich fahren wie Sie, dann könnte eine Mühle 2.628.000 kWh / 21.000 kWh = 125 Autofahrer versorgen. Und bei 40 Millionen Autofahrern im Lande bräuchte man dann 40.000.000 / 125 = 320.000 Windmühlen dieser Art. Ist das viel?

Das wäre rund das Zehnfache des heutigen Bestandes. Die störrische Bevölkerung würde da vielleicht nicht mehr mitmachen, die jammern ja jetzt schon. Man müsste also erstmal die Bevölkerung abschaffen, dann hätte man endlich freie Hand und total grüne Autos.

Ein Potemkinsches Dorf in Nordfriesland

Eine Selbstdarstellung von eFarm gibt es hier und einen wohlwollenden Artikel über die Anlage finden Sie hier. Anders als Claas Relotius hat der Spiegel-Reporter diesmal die Reise zum Ort seiner Reportage auf sich genommen – von Hamburg nach Nordfriesland.

Sie sehen: Man stellte in Bosbüll das hin, was man beherrscht: Kompressoren, Druckbehälter, Transformatoren, Tankstellen, etc., all diese Objekte sind im Spiegel eindrucksvoll abgebildet. Die kritischen Elemente aber fehlen: Elektrolyse- und Brennstoffzellen, die einen vernünftigen Wirkungsgrad haben.

Der dafür notwendige Fortschritt wird jedoch von Wissenschaftlern im Labor erarbeitet, nicht von Ingenieuren auf dem Feld. Dort steht nur eine PR-Installation, die mit irrsinnigem Aufwand (vorerst 16 Millionen) ein paar Autos mit Wasserstoff versorgt.

Vielleicht sagen Sie, das Projekt Bosbüll diene auch dazu, die für Speicherung und Verteilung großer Mengen grünen Wasserstoffs notwendige Logistik zu entwickeln, die man demnächst brauchen wird. Aber diese Logistik beherrscht man, oder zumindest beherrschte man sie vor 100 Jahren. Da war man jedenfalls in der Lage, das Luftschiff Hindenburg mit einer Viertelmillion Kubikmeter H2 zu füllen – dagegen sind die Mengen von Bosbüll Peanuts: 100 kg pro Tag.

Und auch Wasserstoff-Vehikel sind nichts Neues. Vor 50 Jahren verließ einer meiner Kollegen das Physikdepartment der TU München, um den Betrieb von Wasserstoff-Bussen in Garmisch-Partenkirchen zu managen. Solche Fahrzeuge gab es also damals auch schon. Sie sollten bei ihrer Fahrt durch die Stadt keine Abgase in die Luft blasen, damit die Menschen sich wohlfühlen konnten. Das spielt heute ja keine Rolle mehr, da muss das Klima gerettet werden.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors, Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

netiquette:

Wolfgang Schönfeldt / 09.02.2021

Das könnte alles schon funktionieren. Man müßte nur >90% der Autos abschaffen und nur die Oberschicht verfügt über eines. Dann wären auch die Straßen frei und leise während der Großteil der Bürger zu Fuß geht (freie Fahrt für Reiche Bürger). Verkehrskonzept? Soweit die Füße tragen. 

Robert Korn / 09.02.2021

@Herr Bertram: Ihren Einwand kann ich so nicht nachvollziehen. Wollen Sie den Antrieb über Elektromotor, dann braucht es die Brennstoffzelle. Dann stimmt die Rechnung des Autors, da er ja den Wirkungsgrad des zu vergleichenden Verbrenners bereits berücksichtigt hat. Oder unterstellen Sie einen Wasserstoff-Verbrennungsmotor / Wärmekraftmaschine? Dann kommt man natürlich zu anderen Wirkungsgraden wegen der zu erwartenden höheren Verbrennungstemperatur. Aber da sehe ich kein technisch realisierbares Konzept. Oder habe ich was versäumt?

Friedrich Richter / 09.02.2021

Ein Wirkungsgrad von 20% ist nicht schlecht, wenn er aus erneuerbaren Energien kommt. Was spricht dagegen, in Norddeutschland, wo der Wind weht, auf diese Weise Wasserstoff zu erzeugen und damit dort den Kommunal-, eventuell Regionalverkehr (Busse, Strassenreinigung usw.) sauberer zu machen? Gegen einen gesunden Energiemix kann man nichts haben. Wenn damit der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut wird - umso besser. Dann könnte man den guten alten Diesel auch mal stehenlassen, anstatt Kurzstrecken damit zu fahren. Für die Langstrecke bleibt er erste Wahl.

Claudius Pappe / 09.02.2021

Solarstadt Gelsenkirchen-Stadt der Zukunftsenergien…..............Bösbull-Dorf der e-Farm….........................................Berlin-Heimat der Farm der Tiere

Dennis Decker / 09.02.2021

Wie ist es mit der Speicherung von Wasserstoff. Flüssiger Wasserstoff wiegt 70,8 Gramm pro Liter bei -252°C.

Udo Kemmerling / 09.02.2021

In die Gesamtkalkulation dieses unfaßbaren Perpetuum Stupide sollte eventuell mit einfließen, dass besagte 320.000 Windmühlen, bevor sich auch nur ein Elektron bewegt, ein paar HUNDERT MILLIONEN TONNEN Beton und Stahl als Baumaterial benötigen. Wohlgemerkt, ZUSÄTZLICH zu einer Energie- und Brennstoffversorgung unseres Landes, die bereits existiert und funktioniert. Eine ZWEITE Energieversorgung soll errichtet werden auf die komplett unbegründete Wahnvorstellung hin, dass das Wettergeschehen des gesamten Planeten sich um eine minimale Konzentrationsänderung eines Spurengases dreht. Wenn die Schildbürger damals schon gewußt hätten, was für kollossale “Streiche” die Zukunft bereit hält, wären sie einfach nur nach Hause gegangen, in dem vollen Bewußtsein, nicht einmal eine Fußnote zu sein im Vergleich zum kommenden Wahnsinn!!!

Leander Holger Hofmann / 09.02.2021

“Build back better” nennt sich dies heute.

Dieter Kief / 09.02.2021

Nicht zu vergesssen, dass die ganze Umwandelei auch kostet.

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